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Allgemeines Scheidungskinder Forum - Dies ist eine virtuelle Selbsthilfegruppe für Kinder und Eltern in allen Fragen rund um Trennung und deren Folgen.
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stern
Eintagsfliege
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Stern

Beitrag von stern »

Hallo alle zusammen

Ich bin 22 Jahre alt und meine Eltern lassen sich ebenfalls scheiden (endlich)!!!!! Doch das was ihr schildert kenne ich zu genüge. Ich lebte mit meiner Mutter und meinem jüngeren Bruder (damals 11 J.) ein knappes Jahr alleine in der Karibik während mein Vater bereits wieder in der Schweiz am arbeiten war um uns Geld zu schicken. (Zu schildern, wie es zu dieser Situation kam würde hier zu weit führen.) Meine Mutter war zu dieser Zeit bereits ein nervliches Frack und trank ziemlich viel Alkohol. Ich war mit 17 Jahren alleine und musste schauen das die Dinge irgendwie weiter liefen. Das bedeutete das ich Dolmetscherin bei den Behörden und den Anwälten war, bei Geschäftsentscheidungen mit entschied, die Schule besuchte, im Geschäft mitarbeitete und nachts meine Mutter beruhigte und tröstete. Glaubt mir, ich weiss wie hilflos das man sich fühlt, wenn man sieht das alles den Bach runter geht bzw. das es den Eltern nicht gut geht und man nichts dagegen tun kann, sosehr man es auch versucht. 1998 zogen wir dann wieder in die Schweiz. Mein Bruder, Vater und ich fanden schnell neuen Anschluss. Ganz im Gegensatz zu meiner Mutter, sie wurde immer depressiver und hatte einen Nervenzusammenbruch nach dem andern. Inzwischen war sie auch Alkoholikerin (keine Deliriumtrinkerin). Sie lief einige male davon (gab mitunter mir die Schuld) und kam dann wieder zurück. Die Situation wurde immer komplizierter und verschärfte sich immer mehr. Vor einem halben Jahr entschlossen sich meine Eltern zur Scheidung. Seither hagelt es Vorwürfe, Anschuldigungen, Beschuldigungen und Erpressungen gegen alle und jeden. Bis vor kurzem war ich immer der Prellbock. Ich stand zwischen meiner Mutter und meinem Vater (bei dem ich mit meinem Bruder wohne und mit dem wir uns super verstehen). Am Schluss war ich soweit das ich für mich die Rolle meiner Mutter (wie ich mir die Rolle vorstellte) übernommen habe. Ich fühlte mich für meinen Bruder, meinen Vater, meine Mutter, meine Grossmutter und meine Urgrossmutter verantwortlich. Ich versuchte jedem zu helfen, beizustehen und zu vermitteln. So ganz nebenbei hatte ich noch ein Studium, Freunde und ein eigenes Leben.
Wisst ihr was, ich wäre beinahe daran zerbrochen. Und wisst ihr noch etwas, es ist nicht meine Aufgabe. Diese Menschen sind erwachsen. Sie tragen selber für sich die Verantwortung. Sie können ihr Leben leben oder wegschmeissen. Es ist IHRE Entscheidung und liegt nicht in meiner Verantwortung. Im Gegenteil, woher nehme ich das Recht zu entscheiden was für meine Eltern das beste ist? Sie haben das Recht selber zu entscheiden, und ich muss ihre Entscheidung akzeptieren. Ich bin für einen einzigen Menschen verantwortlich und das bin ich selber. Versteht mich jetzt bitte richtig, dass bedeutet nicht, dass ich meine Eltern nicht liebe oder dass ich nicht immer für meine Eltern da sein werde. Ich werde ihnen immer zuhören und wahrscheinlich auch meine Meinung zu einer Situation, einem Verhalten etc. sagen. (Sofern sie diese hören wollen.) Ich unterstütze sie und stehe hinter ihnen, doch als Tochter. Denn das bin ich, ICH BIN DIE TOCHTER UND SIE SIND DIE ELTERN. Das bedeutet das sie eigentlich für mich da sein sollten. Sie sollten mich unterstützen und sie trugen für mich die Verantwortung UND NICHT UMGEKEHRT. Ich fühle mich zu jung für die Verantwortung über einen anderen Menschen und ich bin nicht bereit sie zu tragen. Ich will erst noch ein paar Jahre leben, bevor ich mich entschliesse ein eigenes Kind zu haben um dann die Rolle und Verantwortung als Mutter auf mich zu nehmen.
Vielleicht hört sich das ganze jetzt schrecklich egoistisch an, doch ich glaube einen gesunden Egoismus ist nichts verwerfliches. Im Gegenteil, ich glaube das braucht man um wirklich glücklich zu sein. Vielleicht haltet ihr euch das einfach im Gedächtnis. Überlegt euch ganz genau was ihr wirklich wollt. Ihr habt genauso ein Anrecht auf Glück wie ihr es euch für eure Eltern wünscht. Und wenn ihr wirklich das Gefühl habt das eure Eltern nicht alleine klar kommen, dann holt euch professionelle Hilfe. Denn genau für das sind sie da. Dann sollen die sich mit den Problemen eurer Eltern herumschlagen und nicht die Kinder die erstens selber daran kaputt gehen und in den seltensten Fällen wirklich helfen können.

So Schluss jetzt mit meinem Roman

Es sind meine Erfahrungen und Erkenntnisse aus meinem Leben, Diskussionen mit wahren Freunden (die mich Schluss und endlich vor schlimmerem bewahrt haben) und meiner Ausbildung zur Sozialarbeiterin.

Grüessli Stern
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Hammer
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Re: Stern

Beitrag von Hammer »

Hallo Stern
Du bist nicht egoistisch du hast nur so gehandelt um selbst zu leben.
Obwohl meine Eltern nicht geschieden bin kenne ich das Gefühl
dazwischen zu stehen.Es ist für ein Kind nicht sehr angenehm und
gehört auch nicht zu seinen Aufgaben.Ich habe jetzt seit zwei
Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen,was nicht bedeutet das ich
nicht an sie denke.Aber es geht mir und meiner Familie jetzt besser.
Du bist nicht für das Leben deiner Eltern verantwortlich und das
hast du begriffen.Somit hast du jetzt die Chance dein Leben zu leben.
Alles Gute dafür!!!
hammer
Kinder sind nicht unser Eigentum,
wir haben "nur" das Glück sie auf
IHREM WEG zu begleiten.
derucca
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Registriert: 6. April 2003 02:35

Re: Stern

Beitrag von derucca »

Hi Stern!
Ich hab deinen Bericht sehr interessiert gelesen und eer ging mir sehr nahe. Ich fürchte nämlich, dass es bei mir und meiner Mum genauso weit kommen könnte, wenn ich nichts dagegen tuen werde! Es ist wirklich so, dass ich mich in die Mutterrolle gedrängt fühle!
Nachdem, was du geschrieben hast, denke ich, dass ich jetzt was unternehmen werde!

Danke
stern
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Re: Stern

Beitrag von stern »

Halli Hallo

Erst einmal vielen Dank für eure Antworten.

Dir Derucca wünsche ich viel Mut, Kraft und Erfolg.

Grüessli Stern
Kristina
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Beiträge: 22
Registriert: 15. Juli 2003 14:31

Re: Stern

Beitrag von Kristina »

hi stern.
ich bin in einer ähnlichen situation. habe auch einen jüngeren bruder. er wurde sehr von meinem vater gequält. habe ein mutter, sie wurde sehr vom leben gequält.
und dann gibt es da noch mich (15 jahre). ich wurde sehr von mir selbst gequält. ich habe die ganze verantwortung übernommen. meine mum war depressiv. mein vater ein gnadenloser egoist (habeninzwischen keinen kontakt mehr).
inzwischen habe ich dieselbe erkenntnis erlangt wie du. das sind nicht meine probleme!!!!
aber immer noch zerreisst mir der anblick meiner heulenden mutter das herz, muss ich schlucken wenn ich meinen bruder mit starrem gesicht sonntags von meinem vater zurückkommen sehe. noch immer tut es weh wenn ich glückliche familien sehe...
das wird sich wohl auch nie ändern.
ich will nur endlich diesen druck loswerden. die verantwortung ist einfach zu viel!!!!
ich wäre daran kaputtgegangen...ich hatte dauernd nasenbluten, verdauungsprobleme usw.
inzwischen mache ich eine gesprächstherapie. ich hoffe, ich lerne die verantwortung abzugeben.
naja...den ersten schritt habe ich gemacht...ich habe meiner mutter gesagt dass ich hilfe brauche...
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