verlorene Seele...

Allgemeines Scheidungskinder Forum - Dies ist eine virtuelle Selbsthilfegruppe für Kinder und Eltern in allen Fragen rund um Trennung und deren Folgen.
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Janena
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verlorene Seele...

Beitrag von Janena »

Von Zeit zu Zeit trägt es mich hierher...meist wenn es mir nicht so gut geht. So wie gerade...
Es gibt eigentlich kein aktuelles Problem, vielmehr scheine ich mittlerweile soweit im Leben zu stehen, dass sich manche Dinge langsam an die Oberfläche wühlen. Wenn ich es nicht selbst wäre, würde ich es als faszinierend betrachten, was man alles im Leben verdrängen kann. Da ich es aber selbst bin, tut es einfach nur weh und unbewusst schaltet sich dann bei mir der "ich fühle nichts mehr"-Modus ein.
Diesen Modus kenne ich sehr gut. Manchmal habe ich das Gefühl ich bin mein ganzes Leben in diesem Modus rumgelaufen. Anders wäre vieles wohl auch nicht zu ertragen gewesen. Ich muss es meiner Therapeutin glauben, denn fühlen kann ich es (noch) nicht: es scheint für ein Kind wohl das Schlimmste zu sein, Eltern zu haben, auf die man sich nicht verlassen kann - emotional. Vielleicht ist es deshalb, dass ich - wie gerade- das Gefühl habe eine einsame Seele zu sein, deren Kern einfach nie berührt wird. Mir fehlt grundlegende Sicherheit im Leben. Ich bin ein NICHTS. Zwei psychisch kranke Eltern, die nie erwachsen wurden. Meine einzige Aufgabe: Stimmungen wahrnehmen und Maßnahmen einleiten. Ich bin der Unterhaltungskünstler der Familie, ich bin derjenige, der versöhnt, der vermittelt und immer gut drauf ist, derjenige, der den Sinn in das Leben meiner Mutter bringt und der dafür sorgt, dass es meiner Familie gut geht (dabei hab ich ja kläglich versagt)...
Ich weiß, es ist Zeit, das aufzugeben. Die Dinge, die ich immer verhindern wollte und es nicht schaffte, sind eingetreten: die Scheidung meiner Eltern und der Suizidversuch meiner Mutter und meines Vaters. Ich bin erwachsen, ich habe ein eigenes Leben und ich brauche meine Kraft eigentlich für die Beendigung meines Studiums.
Aber was, wenn ich das alles aufgebe? Wer bin ich dann noch? Es gibt nichts, was mich ausmacht. Ich bekomme zwar häufig gesagt, dass ich so viele Talente habe, so etwas Besonderes bin, aber ich spüre nichts dergleichen. Ich spüre einfach nichts. Doch, manchmal, da kommt ein Gefühl von Wut: Warum habt ihr das mit mir gemacht?schreit es in mir. WARUM??? Ich war noch ein Kind, ich hätte eure Sicherheit gebraucht. Etwas, das ich nie wieder nachholen kann. So fühlt es sich an. Es fühlt sich an, als kann mir niemand helfen. Und ich selbst kann es auch nicht. All die Therapien, all diese Kämpfe...es bringt lediglich das, was alle sehen wollen: ich funktioniere wieder. Ich studiere, arbeite nebenbei, habe eine feste Beziehung, Freunde und ich lache viel... Aber trotz der besten Therapeutin gerade bleibt dieser Kern in mir tot. Abgestorben fühlt es sich an...

Entschuldigung, dass ich so schreibe. Vielleicht fragen sich einige, warum hier... natürlich hat es nicht alles mit der Scheidung meiner Eltern zu tun, aber es hat damit zu tun, dass sie Verantwortung hätten übernehmen müssen...früher...auch eine frühere Trennung wäre besser gewesen. Als Kind ist es wirklich Horror, solche Szenen zwischen den Eltern zu erleben...dazwischen gehen zu müssen...es hat mich absterben lassen und ich wünsche es keinem...

Erschöpfter, einsamer Gruß
Janena
Verachte niemanden, der einen Rueckschritt macht. Er kønnte nur Anlauf nehmen...
MarliJo

Re: verlorene Seele...

Beitrag von MarliJo »

Hallo liebe Janena,

deinen Text habe ich aufmerksam gelesen und ich möchte dir sagen, dass es nichts gibt, wofür du dich entschuldigen müsstest. Es ist gut so wie du geschriebn hast und hat seine Berechtigung, finde ich.
Ich kann verstehen, wie sehr dich das belastet, dass du als Kind so viel Verantwortung aufgeladen bekommen hast für Dinge, die nichts mit deiner Verantwortung als Kind zu tun haben. Und ich kann glaube ich auch verstehen, dass du damals trotzdem nicht >Nein< dazu sagen konntest oder wolltest.
Kinder, so denke ich, möchten, dass es den Eltern gut geht und dafür tun sie (leider) vieles, was sich im Nachhinein als ungut für sie selbst erweist.Wenn es so wie bei dir , dass die Kinder für die Eltern da sind, statt umgekehrt,, wird ja die Eltern-Kind-Beziehung ins Gegenteil verkehrt. Wenn sich dieses "Phänomen" immer wieder wiederholt oder es gar zu etwas wie einem Automatismus kommt, glaube ich dir, dass es sich so anfühlt,dass du einfach nur funktionierne mussest,... dass du viel für deine Eltern geopfert hast - einen Teil deiner Kindheit, deine Seele.
Das macht wütend und dass darf es auch ! Was täte dir gut, in solchen Momenten, wenn Entäuschung, Wut und Leere Besitz von dir ergreifen? Was wollen diese Gefühle ?

Und,.. es stimmt nicht, dass du NICHTS bist ! Ich formuliere es ganz rational,... du bist die Summe deines Erfahrungsschatzes,.... das ist nur deiner und daraus kannst du vielleicht etwas Gutes für dich ableiten ?!

Soweit ein paar erste Gedanken und ich hoffe, dass du viel Kraft findest für dich, wenn du sie brauchst !

MarliJo

PS. Du hast hier vor einiger Zeit (ich meine Monaten) ja mal geschrieben - schon da fiel mir deine Signatur auf, die mir richtig gut gefällt (vielleicht weil sie so viel Respekt vor den vermeintliche Schwachen ausdrückt). Damals vergaß ich diese Signatur im genauen Wortlaut und konnte auch nicht mehr zuordnen, wer sie schrieb,..
Schön, sie bei dir wiedergefunden zu haben !
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Janena
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Re: verlorene Seele...

Beitrag von Janena »

Liebe Marijo
Danke für deine Antwort. Da steckt viel Wahres drin. Manchmal frage ich mich auuch, warum man als Kind nicht nein sagt, aber ich erkläre es mir so, dass für einen als Kind die Norm das ist, was man erlebt. Man weiß nicht, wie es anders sein könnte. Und dann gibt es sicherlich noch gewisse Dispositionen, will sagen, dass ein anderes Kind vielleicht ganz gegenteilig wie ich reagiert hätte und eher von klein auf an rebelliert hätte. Ich war dagegen eine Tochter, um die meine Eltern von Bekannten beneidet wurden, weil ich nicht pubertiert habe...es hätte mir wahrscheinlich gut getan.
Ich fühlte als Kind schon früh, dass irgendwas falsch ist, es hat sich nicht gut angefühlt, aber da mir keiner das Gefühl gegeben hat, war die einfache Erklärung: ich bin falsch, meine Gefühle sind falsch. Vielleicht fällt es mir daher so schwer zu spüren, was ich brauche. Ich fühle es nicht.

Was meine Signatur betrifft, so würde ich gerne selber glauben, was da steht...aber wie? Meine ganzen Fortschritte, die ich offensichtlich mache sind nur im Außen, im Innen bleibt dieser dunkle tote Kern...

Hm, ich danke dir auf jeden Fall fürs Lesen und reagieren. Zu sehen, dass andere auf einen reagieren scheint ein Zeichen dafür zu sein, dass ich noch da bin... das klingt vielleicht komisch, aber es fühlt sich so an. Ohne Gegenüber verliere ich mich total, gleichzeitig kann ich es kaum ertragen, wenn man sich mir widmet...

Ich wünsche dir und allen anderen auch einen guten Tag und Sonnenstrahlen im Gemüt


Janena
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KittyCat
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Re: verlorene Seele...

Beitrag von KittyCat »

Hallo Janena,

ich weis nicht, obes richtig ist, hier zu antworten. Andererseits, glaube ich, ist es wichtig, das du weisst, das du mit deinen Gefühlen ( auch wenn man nicht fühlt im eigendlichen Sinn ist ein nicht klarkommen mit dem Vergangenen/Gegenwärtigen auch ein Gefühl) nicht alleine bist.

Meine Tochter war auch ein so "funktionierendes" Mädchen.... :(

Und ich gebe mir voll und ganz die Schuld dafür , denn ich bin ihre Mutter und hätte trotz allem da sein müssen für sie.

Das Leben neben meinem Exmann war sehr schwer. Alle dachten er wäre doch der achso tolle, perfekte Mann....
Ich weis es anders, habe einige Bruchstücke auch hier von der Seele geschrieben.

Nur ein Beispiel:
Sie nahm ihre kleinen Brüder immer von uns weg, ins Zimmer oder in den Garten, wenn mein Ex eine "Versöhnung" einforderte....
Sie wusste, was mein andauerndes "Nein" bedeutete und das schon mit ca. 9 Jahren....

Sie war die perfekte kleine Tochter, immer lieb, hübsch zu jedem freundlich....
Sie hatte viele Freundinnen, war immer für andere da...

Sie war mein Schatz, auf den ich so wenig aufpassen konnte in dieser Zeit :´(

Trotzdem ich selber durch diese schwere Zeit kaput war im Grunde, kann ich es mir nicht verzeihen, das ich nicht die Kraft hatte, das alles meinen Kindern zu ersparen und gleich nach der Geburt meines damals Jüngsten meinen Exmann zu verlassen!!!

Erst nach Jahren,nach der Trennung, als unser Leben wieder als glücklich, normal und ruhig zu bezeichnen war, kam bei ihr der Zusammenbruch... mit 16....

Ihr Freund rief mich an, sie hätte iwie was getrunken und er kommt nicht an sie ran, sie würde nur heulen....

Natürlich holte ich sie sofort nach hause, wo sie mir ersteinmal das Bad auseinander nahm... Sie schimpfte auf mich, ihrem Vater und ihr Leben, einfach auf alles...

Ich zog sie sanft aus, badete sie wie ein Baby, trocknete sie ab, umarmte sie, redete offen mit ihr und was wohl am Wichtigsten war:

Ich entschuldigte mich bei ihr...

Danach lagen wir uns weinend in den Armen. Jedoch ging es seit dem mit ihr bergauf!

( Ich zittere noch heute, wenn ich daran denke )

Nun zickt sie öfters mal rum, hat ihre Launen, ist endlich ein normaler Teeny, auf den ich mich aber verlassen kann. Sie ist nicht wie früher immer gut drauf, sondern schimpf auch schonmal wie ein Dohmspatz vor sich hin^^ Nun kann sie Nein sagen und auch endlich Nähe und Zärtlichkeit zulassen. Nicht jeden Tag, jedoch immer wieder umarme ich sie nun und sage, wie sehr ich sie schätze und wie lieb ich sie doch habe!

Nun, ich wünsche dir, das du irgendwie schaffst, deine im Grunde Wut über das, was du als Kind erleben musstest Luft zu verschaffen!

Vllt hilft es, mit einer vertrauten Person in den Wald zu gehen und einmal bis dir die Kraft ausgeht, die Wut heraus zu schreien... ( es muss ja kein zerlegtes Bad sein ;) )

Deine Eltern waren und sind nicht in der Lage, Verantwortung zu übernehmen und dir zu sagen, das sie hätten für dich dasein müssen.

Denke dran: Du bist wichtig, du musst dir gutes tun. Nicht du anderen...

Alles erdenklich Gute und geb die Hoffnung nicht auf.

LG Kittycat
Es ist nicht wichtig, wohin du im Leben gehst...was du machst...oder was du hast...,
es kommt darauf an, wen du an deiner Seite hast <3
MarliJo

Re: verlorene Seele...

Beitrag von MarliJo »

Liebe Janena !

Ja, das ist wohl so, mnche Kinder reagieren anders, rebellische, traurig.... es steckt eben jedesmal eina andere Ausgangssituation hinter einer Familien(trennungs)geschichte und jedes mal andere Wesen. Aber du bist du und hast reagiert wie du reagiert hast - instintiv angepasst mit einer Ahnung dass das so nicht (immer) richig ist.
Du solltest dir keine Vorwürfe machen, dass du es als Kind selbst nicht "besser wusstest" ! Ich glaube, damit verletzt du dich selbst, oder anders die >kleine Janena< von damals und letztlich dein eigenes verletztes Ich.
Ich kann es glaube ich verstehen, dass dir auf diesem schweren Weg des Groß werdens, wo dir in Gewisser Weise das >Kind sein< verwehrt wurde, das Gefühl verloren gegangen ist, was gut für dich ist - schliesslich hast du meistens zugunsten deiner Eltern funktioniert. Da hattest du denke ich, gar keine Möglichkeit ohne die Hilfe und das Zutrauen deiner Eltern ein Gespür dafür zu entwickeln, was du für deine eigene Entwicklung brauchst. Scjlimm stelle ich mir das vor und höre es förmlich, wenn dann noch Bekannte sagen >Ach, was für ein liebes Kind, und so zuvorkommend< ! Klar, das hören Eltern gern - aber dann und wann muß reichen...

Du hast ja geschrieben, dass die Fortschritte, die du wahrnimmst, sich nur im Außen befinden,...kann es sein, dass da die große Janena hinter steckt ? Das, was du als den toten Kern bezeichnest, ist da vielleicht die kleine Janena, die damals nie soo sein durft, wie sie gerne wollte ?
Ist nur ein Gedanke oder eine Anregung,..du kannst es auch links liegen lassen, wenn du meinst, ok?!

Ich würde dich gern noch auf den letzten Thread von tarsshaft aufmerksam machen <Prägung<. Vielliecht magst du mal dort lesen und du kannst ein wenig etw
as für dich finden ? Auch viele frühere Threads von ihr könnten aus meiner Erinnerung einen Blick lohnen, weil ich denke, dass es hier und da Parallelen gibt - und ganz viele wertvolle Antworten von User/innen.

Viele Grüße
(Der ,) ) MarliJo
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Janena
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Re: verlorene Seele...

Beitrag von Janena »

Liebe KittyKat, liebeR Marlijo (sorry:-)

Vielen Dank für Eure Antworten, Anregungen, fürs Zuhören und ernst nehmen. Ihr habt viel Wahres geschrieben.
Was deine Geschichte betrifft, Kittykat, so saß ich da und war irgendwie berührt. Besonders als du von dem Zusammenbruch deiner Tochter geschrieben hast und wie du mit ihr umgegangen bist. Zum einen scheint deine Tochter "Glück" gehabt zu haben, dass sie Wut so spüren und ausleben konnte und kann. Ich denke, dass dies wichtig ist, um nicht auf destruktive Wege zu geraten. Zum anderen hat sie in deiner Reaktion wohl genau das bekommen, was sie gebraucht hat und in dir eine Mutter, die ihre Gefühle akzeptieren und annehmen kann und selbst erwachsen genug ist, Mutter zu sein. Es tut gut zu lesen, dass es auch andere Wege gibt, aus diesen Situationen herauszukommen und es tut mir so verdammt weh, weil es diese Möglichkeit für uns nicht gab und nicht geben wird. Ich weiß, dass meine Mutter mich liebt, dass sie alles für mich tun würde und ihr so vieles so leid tut. Gleichzeitig verhält sie sich aber nicht so, sie kann nicht anders, weil sie krank ist, sie ist nie erwachsen geworden hat die unterschiedlichsten Probleme. Wut zu zeigen, wie deine Tochter es tat, wäre mir nie in den Sinn gekommen, ja, ich habe nie Wut verspürt, und wenn, dann habe ich sie gegen mich selbst gerichtet. Selbst in den Zeiten meines absoluten Zusammenbruchs (ich war sehr lange Zeit stark magersüchtig, tablettenabhängig, habe mich selbst verletzt...) war ich diejenige, die Ansprechpartner für alle war. Trotz Therapie wurde ich nicht in Ruhe gelassen, und ich habe leider nicht die Kraft gehabt, STOPP zu schreien. Wahrscheinlich habe ich deshalb so lange gebraucht mich aus dem Elen rauszukämpfen, weil die einzige Möglichkeit STOPP zu sagen, die war, mich selbst zu zerstören, um meine Verletztheit zu zeigen. Obwohl ich heute fast symptomfrei lebe, ist dieses Stopp noch immer nicht möglich, zum einen, weil ich meist erst im Nachhinein merke, wenn ich mal wieder "gebraucht" wurde (immerhin, ich merke es mittlerweile manchmal...) zum anderen, weil ich keine Wut empfinde, außer auf mich und zum dritten, weil das Äußern meiner Wut nur dazu führen würde, dass meine Eltern in Selbstmitleid verfallen und indirekt mit Suizid drohen, so dass ich es bin, der sich danach wieder sehr schlecht fühlt. Ich muss also einen Weg finden, nur für mich aus dieser Sache herauszukommen.

Was deine Worte betrifft, Marlijo, so habe ich zuerst einmal den Prägungsthread gelesen. Zuerst habe ich keine Verbindung gesehen, dann war mir aber klar, warum du eine gesehen hast. Es stimmt, dass vieles, was dort steht, auch zu mir passt. Authentizität- ein großes Wort. Dies wäre wohl das Ziel. Soweit wie trasshaft bin ich leider aber noch nicht. Sicherlich hast du recht, dass das was im Außen funktioniert der erwachsene Anteil ist und dieser tote Kern, der kindliche Anteil. Es ist mir auch klar, dass das, was mir als Kind verwehrt wurde, nie wieder nachzuholen ist. Aber gerade da sehe ich das Problem. Dieser Kern fühlt sich so tot an, es ist dieser Kern, der einem doch eigentlich Sicherheit vermittelt, der einen Bezug zum eigenen Leben herstellt oder? Wenn da nicht Leben reinkommt, dann bleibt alles im Außen das Leben einer Marionette. Und so fühlt es sich auch an: Ich komme mir sooft wie ein Schauspieler vor, weil ich zwar spüre, dass das wie ich mich zeige, nicht ich bin, aber ich auch keine Idee habe, wie ich mich verhalten sollte, um ich zu sein. In mir ist keine Stimme, die mir sagt, was ich möchte, was ich brauche… All das, was ihr schreibt, es stimmt, ich muss auf mich achten, gucken, was mir gut tut… Ehrlich, ich versuche es, und mir wurde immer gesagt: Geduld, irgendwann folgt diesem Tun auch ein Gefühl… aber es folgt nicht. Ich gehe äußerlich besser mit mir um, ich versuche Geduld zu haben, innere Abwertungen nicht zu stark werden zu lassen, ich mache alles, um aus den Depressionen rauszukommen, aber das Gefühl bleibt…kein Gefühl bzw. Hoffnungslosigkeit.
Ich sollte aufschreiben, für die Therapie, was gut ist –jeden Tag… und ich tue es nicht. Vielleicht auch ein Fortschritt, denn früher habe ich einfach etwas aufgeschrieben, um brav zu sein. Diesmal nicht, weil ich einfach nicht fühle, was gut ist. Ich finde einige Ereignisse am Tag, die objektiv wohl positiv sind…aber es fühlt sich nicht so an, warum sollte ich es dann aufschreiben…

Ich danke euch und gleichzeitig entschuldige ich mich. Ich fühle mich so, als würde ich alle gut gemeinten Ratschläge zurückweisen… Es ist nicht so, ich bin nur gerade so verzweifelt...

Einen schönen Tag euch

Janena
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sonnenschein2
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Re: verlorene Seele...

Beitrag von sonnenschein2 »

Liebe Janena,

ich kann deine Verzweiflung förmlich spüren, so nah ist sie mir. Auch ich habe als Kind und auch später als erwachsene Frau immer funktioniert. Habe immer das getan was von mir erwartet wurde. Erst von meinen Eltern, dann später auch von meinem Ehemann. Ein Stop, Halt oder ich will das so nicht kannte ich gar nicht. Zum Schluss habe ich mich wie eine Marionette gefühlt, total fremdgesteuert.
Irgendwann habe ich dann begonnen genauer hinzugucken. Es dauert immer noch an, seit fast 6 Jahren. Es braucht ganz viel Zeit und Geduld. Das Spüren und fühlen kann unter ganz dicken Schichten verlorengegangen sein. Aber gib nicht auf..Wenn du nichts Gutes spürst, ist das in meinen Augen nicht schlimm. Schreibe es doch vielleicht einfach auf, dass du nicht Schönes spürst. Wichtig ist doch für dich, dass du langsam beginnst überhaupt zu spüren.
Vielleicht magst du mal in den Wald oder auf ein Feld gehen. Wann hast du zum letzten Mal Blätter oder einen Baum gespürt, gefühlt wie sich ein Stein anfühlt? Für mich war das eine große HIlfe, einfach mal wieder überhaupt etwas zu spüren, fühlen zu dürfen, wie ich es vermochte und nicht wie es von mir erwartet wird oder wurde.

Magst du erzählen wie es dir heute geht? Du brauchst dich nicht entschuldigen wenn du mit unserem Geschreibsel nichts anzufangen weißt im Augenblick. Es ist gut so wie es ist, Du bist gut so wie du bist.

Fühl ich angenommen und willkommen, gerade so wie du bist
Sonnenschein2
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Janena
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Re: verlorene Seele...

Beitrag von Janena »

Hallo Sonnenschein
Wie es mir geht... ich habe es zur Therapie geschafft, irgendwie, und ich habe es heim geschafft, irgendwie. Und dann habe ich deine Worte gelesen und die Tränen laufen und laufen und laufen weiter. Danke für deine Worte. Ich fühle mich total erschöpft, obwohl ich heute kaum etwas sagen konnte, bin wie zugeschnürt, kann keine Hilfe holen - mich nur in der Anonymität entlasten. Meine Therapiestunde war ein Trauerspiel, es ging nichts. Erst gegen Ende konnte ich etwas auf machen. Scheinbar muss ich auch in der Therapie funktionieren, halte es nicht aus, auch destruktive Gedanken auszusprechen, was sie von mir verlangt- verständlicherweise. Ich habe aber Angst, dass sie mich nicht mehr nach Hause lässt, wenn ich sage, was ich denke. Es ist wohl auch eine Vertrauenssache. Auch wenn ich der Meinung bin, zu vertrauen, so tu ich das sicherlich nur bis zu einem gewissen Grad. Eigentlich weiß ich garnicht, wie das geht...vertrauen. Sobald es mir schlecht geht, vertraue ich mich niemandem an, auch wenn dies andere bei mir tun. Obwohl ich mir so sehr Hilfe wünsche, will ich auf der anderen Seite nicht, dass jemand meine Schwächen sieht. Es ist paradox.
KittyKat und Sonnenschein, ihr schreibt beide von der Natur... Wut rauslassen kann ich auch da nicht, aber es stimmt, dass ich wieder raus müsste. Trotz Großstadt wohne ich direkt an der Isar und hätte die besten Möglichkeiten, wenn meine Ängste und die Lähmung nicht so großß wären. Jeden Tag nehme ich es mir vor und bin dann heilfroh nach den wichtigsten Terminen meine Wohnung wieder zu erreichen. Dass durch das Oktoberfest lauter Irre unterwegs sind, machts nicht besser...

Ich fühle mich sehr schlecht, dass ich nur von mir rede... dass ihr mir Zeit schenkt und ich so kraftlos bin, eure guten Ideen umzusetzen. Andererseits kann ich hier Dinge loswerden, die ich nicht auszusprechen wage. Ich überlege, den Kontakt zu meinem Vater offiziell abzubrechen. Nach 1000 Verletzungen und dem 1000. Versuch, mit ihm einen angemessenen Kontakt aufzubauen (seit 3 Jahren nur über Email…), lässt er mich zum 1001.mal im Regen stehen. Ich habe erstmals seit Jahren im Juli etwas von mir erzählt, immer noch sehr verhalten, aber ein Foto mitgeschickt. Seit diesem Zeitpunkt habe ich keine Reaktion (das ist allerdings nichts neues…). Natürlich habe ich die ganze Zeit Angst, dass ihm etwas passiert ist, aber auf der anderen Seite tut es auch einfach weh. Ich kann diese ewigen Kontaktabbrüche seinerseits nicht mehr aushalten. Ich will von meiner Seite aus „Schluss machen“, er hat so zuviel Macht über mich. Aber dieser Schritt ist für mich sehr beängstigend. Zum einen war es außer meiner Vorstellungskraft mit einem Elternteil keinen Kontakt zu haben, weshalb ich wirklich auch unverzeihliches verzeihe (verdränge, wäre wahrscheinlich passender), zum anderen habe ich Angst. Wovor, das würde ich gerne einmal jemandem sagen, aber nicht mal hier kann ich es. Es ist diffus und manchmal denke ich auch, dass es total lächerlich ist, aber die Angst ist so stark, dass ich seit meinem letzten Umzug sehr darauf achte, dass er nicht weiß, wo ich mich gerade aufhalte. Auch das ist paradox. Ich würde ihn nach so langer Zeit so gerne einmal wieder sehen und auf der anderen Seite habe ich panische Angst – vor ihm… und schon während ich dies schreibe, schäme ich mich dafür. Wie böse… er hat mir ja nichts getan, oder doch …ich weiß es nicht und ich kann es nicht aussprechen.

Hm, danke an euch alle.

Janena
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sonnenschein2
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Re: verlorene Seele...

Beitrag von sonnenschein2 »

Liebe Janena,

du bist willkommen, so wie du bist. :winken:

Ich finde, du zeigst sehr viel Regung wenn du weinen kannst. Für mich fühlt sich das schon nach einem Gefühl an. Das ist doch schon ein großer Schrit in Richtung fühlen und sich selbst spüren. Spüren und fühlen, dass man weinen kann, kann auch befreiend sein. Wie fühlt es sich, neben deiner Trauer, für dich an?
Du schreibst, dass es für dich zur Zeit nicht möglich ist raus zu gehen. Was kannst du dir denn vorstellen, was ist möglich? Vielleicht kannst du am Fenster stehen und hinausschauen? Die Sonne, sie scheint hier gerade, auf deinem Gesicht spüren und fühlen was das mit dir macht?

Oder du bist in deiner Wohnung und schaust was du dort erspüren kannst. Ein kuscheliges Kissen vielleicht?

Es sind so viele Dinge, die dich im Moment bewegen und beschäftigen. Magst du mehr über die Beziehung zu deinen Eltern schreiben? Ich höre dir gerne zu. Du kannst auch über PN schreiben, wenn du das lieber möchtest.

Hier kannst du alles loswerden, wir hören dir zu und niemand verurteilt dich. Wenn du magst schreibe einfach drauf los, wie es dir in den Sinn kommt..

Ich freue mich auf Nachricht von dir
Sonnenschein2
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Janena
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Re: verlorene Seele...

Beitrag von Janena »

Hallo Sonnenschein
Dein Name scheint Programm Bei uns herrscht leider kein Sonnenschein, aber es stimmt, auch aus dem Fenster gucken kann gut tun.
Ja, weinen zeigt wohl doch ein Gefühl. Ich bin traurig, sehr wütend und gleichzeitig so hoffnungslos. Ich weiß nicht, wohin mit der Wut, denn dahin, wo sie hingehört kann sie nicht. Ich weiß nicht wohin mit meiner Trauer, denn dafür müsste ich es jemanden sehen lassen und das scheint unmöglich. Und meine hoffnungslosen Gedanken finden auch keinen Platz, denn sie machen anderen Sorgen und das ist nicht meine Absicht.
Du fragst nach der Beziehung zu meinen Eltern. Kurz würde ich es so formulieren: Das einzig Konstante war und ist, dass nichts konstant ist. Ich war teilweise nur Mama- und dann wieder nur Papa-Kind. Beide gleichzeitig gleich lieb haben ging irgendwie nicht. Meine Mutter ist seit ihrer Jugend schwer depressiv, was zur Folge hat, dass sie gefühlsmäßig nicht zugänglich ist. Daher wohl meine kindliche Verwirrung, mich schlecht zu fühlen, weil ich ihr vorwerfe, nicht für mich da gewesen zu sein, obwohl sie es war… aber eben nur körperlich bzw. je nach Verfassung – und die ist unberechenbar. Mein Vater … ich weiß es nicht… manisch depressiv? Jähzornig… früher jedoch sehr wichtig für mich. Für Kinder gut geeignet, da selbst noch ein Kind. Aber eben daher auch unbedacht, naiv, trotzig, unzuverlässig, unkontrolliert… Darf man so über seine Eltern reden? Sie können ja nicht anders. Es gab eigentlich nie dieses typische Eltern-Kind-Verhältnis. Ich habe zwar viel erzählt, aber umgekehrt auch. Ich wusste immer um die Eheprobleme, um sehr private Dinge der Beiden, was Kinder nicht wissen sollten, ich habe getröstet. Es war also eher wie eine verkorkste Freundschaft bzw. eine komplette Rollenumkehr.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich immer – von klein an – unter Anspannung stehe und ich langsam unendlich erschöpft bin. Denn was ich mir gerade nicht sehnlicher wünsche, ist, dass NIEMAND irgendwas von mir erwartet. Es ist einfach alles zuviel. Ich will nicht telefonieren, niemanden sehen, mit keinem reden. Aber das geht natürlich nicht. Ich muss arbeiten und meine Magisterarbeit vorbereiten usw. Und Freunde wollen auch getroffen werden – nicht mal darauf hab ich Lust. Ich bin keine gute Freundin. Auch die Verwandten im Norden wollen besucht werden, aber ich halt es gerade ja nicht mal draußen aus, wie da 800km fahren. Ach ja, Sport sollte ich auch machen, das ist aufgrund einer Folgeerkrankung eigentlich ein Muß.
Und wieder kann ich wichtig und unwichtig nicht trennen, weil ich nicht spüre, was MIR wichtig ist.

Oh, nun kommt ein Sonnenstrahl. Ich stell mich mal ans Fenster und schicke euch auch welche.

Danke für alles
Janena
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MarliJo

Re: verlorene Seele...

Beitrag von MarliJo »

Liebe Janena,

fühl dich mal bedacht mit all deinen Gedanken, die du hier niedergeschrieben hast und gern noch weiterschreiben darfst, so wie du es bisher tatest. Allein DU bestimmst deinen Takt in dem, was und wie und wo du hier in diesem Forum etwas schreiben magst !
Ich habe großen Respekt davor, wie du alles benennst und den Kreislauf in dem du steckst, erkennen kannst !
Deine Eltern haben ihren Anteil daran, was für dich heute so sehr ins Bewusstsein kommt und sich so schwer anfühlt und ich denke, du hast einen berechtigten Grund, mit ihnen ins Gericht zu gehen. Nein, ich meine nicht verurteilen, sondern eher aufklären, aufarbeiten für DICH selbst, damit der kleinen verletzten Janena so etwas wie Gerechtigkeit wiederfährt (hört sich ein bisserl doof an). Aber könnte das der kleinen Janena helfen, wieder zum Leben erweckt zu werden ?
Und nein, ...das geht alles nicht im Handumdrehen, nimmt dir für alles die Zeit, die für dich richtig erscheint, denn klar, Alltag ist eben auch noch jeden Tag und ums funktionieren kommen wir letzten Endes alle nicht ganz herum. Aber es ist in Ordnung, wenn du dich von NIEMANDEN drängen lässt - es ist DEIN Leben, jeden Tag ,.. und es sit nie zu spät, wenn es darum geht, sich wieder gut zu fühlen...

Lieben Gruß
MarliJo
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Traum-Tänzerin
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Re: verlorene Seele...

Beitrag von Traum-Tänzerin »

Hallo Janena,

ich denke schon das "der Totepunkt" etwas mit der Scheidung dem ganzen Rattenschwanz der daran hängt zusammenhängt, dass du genau das hier schreibts...und ich bin ebenso der Meinung,das es hierher gehört.

Ich fühle ähnliches, auch ich habe so einen "Totenpunkt" in meiner Seele und auch in mir schreit es von Zeit zu Zeit "Warum?" Auch wenn die Geschichte dahinter eine andere ist, so löst die doch auch bei mir solche Gefühle aus....

Was bleibt? Aushalten hilft mir oft,genau hinsehen/hinhören was da in mir passiert und den Gedanken daran zulassen ohne ihn wegzuschieben. Ich weiß den Schmerz aushalten ist manchmal (fast) unerträglich, aber umso länger ich hinsehe umso erträglicher wird es für mich...

LG TT
An dem Tag, an dem
die Last auf deinen Schultern
unerträglich wird
und du strauchelst,
möge die Erde tanzen,
dir das Gleichgewicht wiederzugeben.
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Janena
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Re: verlorene Seele...

Beitrag von Janena »

Hallo MarliJo und Traum-Tänzerin - und alle lieben Helfer
Danke für Eure Gedanken und lieben Worte. Viel Wahres steckt darin. Zuerst einmal möchte ich wirklich allen danken, die mir die letzten Tage weitergeholfen und zugehört haben. Am Freitag habe ich stundenlang geheult und später mit meiner Lebensgefährtin viel geredet, geschimpft, getobt (die Arme…). Ich habe alles ausgesprochen, was ich gedacht habe, auf wen ich Wut habe… Am Samstag bin ich aufgewacht und es ging mir besser. Und auch heute ist die Schwere leichter und ich fühle mich lebendiger. Alles ist wieder erträglicher und ich kann ein Stück weit nach vorne blicken. Puh…
Um was ging es am Freitag? Gerechtigkeit erfahren, was du angesprochen hast MarliJo, war ein Thema. Mich macht es so fertig, dass es Menschen gibt, die mir soviel Schmerz zugefügt haben und dies nicht einmal wissen. Dabei ist das eigentlich egal, denn das würde an meiner Situation nichts ändern. Dann macht es wütend, dass ich es gerade bei meinen Eltern nicht aussprechen kann. Ein Beispiel: Meine Mutter hat zu meinem Ex-Freund, zu dem ich keinen Kontakt mehr haben will, ein inniges Verhältnis, das vor 4 Jahren (als ich den Kontakt zu ihm abbrach) fast die Beziehung zu meiner Mutter zerstört hätte. Die Geschichte ist länger, Ergebnis war aber, dass ich Emails zwischen den Beiden gelesen habe (natürlich wirklich scheiße von mir…), in der sie über mich wirklich böse redet und er schreibt: ich dachte schon du hältst zu deiner Tochter. Vielleicht ist hier anzumerken, dass ich wirklich nichts Schlimmes getan hatte, was einen solchen Satz erlauben würde. Während ich mich 10000 mal entschuldigt habe, in ihrem Account gelesen zu haben, versteht sie nicht, warum dieser Satz mir so weh tut… Und ich kann alles machen, aber ich kriege ihn nicht raus…Er tut mir jedesmal aufs neue so weh und obwohl ich bewusst versuche nicht drüber nachzudenken, ist es dieser Satz, der in meinen vielen Träumen immer wieder auftaucht und mich schreiend aufwachen lässt. Ich bin der Meinung, dass eine Mutter sich sehr wohl auch negativ mit Freunden über ihre Kinder austauschen kann, aber nicht mit dem Ex. Und wenn eine andere Person einen solchen Satz schreibt: Ich dachte schon, du hältst zu deiner Tochter, dann erwarte ich, dass sie es klar stellt. Natürlich hält eine Mutter zur Tochter, es sei denn sie hat sich wirklich daneben benommen, was ich wahrlich nicht getan habe...Ich denke mittlerweile, dass dieser Satz stellvertretende für viele andere Situationen steht, in denen meine Eltern andere Kinder mir vorgezogen haben bzw. dort Gefühle zeigten, die ich nicht erleben konnte. Gegenüber anderen war ja alles immer toll, waren alle Leute weg, hatte ich nur noch depressive, nicht miteinander sprechende, jähzornige Eltern. Natürlich nicht immer, aber oft. Ich hatte einige Freunde, die meine Eltern so toll fanden, sie gerne als Eltern hätten. Während ich in der Klinik war, kamen sie zu mir nach Hause und machten es sich mit meinen Eltern schön. Warum haben sie mich nicht zusammen besucht? Als es mir selbst schlecht ging, zog eine magersüchtige Freundin bei uns ein, weil sie Hilfe braucht; naja und besagter Exfreund hatte es ja auch nie einfach, unglaublich. Er hatte Eltern die sich scheiden ließen…
Und es stimmt, ich schlucke alles, und nur manchmal, dann aber geballt wie am Freitag, kommt alles hoch und das ist dann wirklich kaum zum aushalten.
Was das Aushalten betrifft, ja, so muss man da wohl durch. Ich sage es mir auch immer wieder, dass es vorbeigehen wird, aber wenn man in so dunklen Löchern sitzt, die Depression einen auffrisst, scheint das so fern. Jetzt gerade erscheinen mir die dunklen Löcher so fern… unglaublich eigentlich… es tut mir leid, dass auch du –Trautänzerin – dieses Gefühl kennst. Ich wünsche das wirklich keinem…Du schriebst, dass deine Geschichte eine andere ist. Ich habe ein bisschen gelesen… über den evtl. Kontaktabbruch zu deinem Vater, über deine Eltern… ich sehe einige Parallelen. Du drückst es irgendwie sehr gut aus…
Was am Freitag auch deutlich wurde ist der Konflikt, in dem ich mich befinde: auf der einen Seite ist es so klar, wieviel bei uns schief gelaufen ist, es scheint also „berechtigt“, dass ich so fühle. Gleichzeitig war doch alles, da die Dinge ja nur indirekt und im Verborgenen stattfanden, irgendwie in Ordnung. Wir waren doch die perfekte Familie, die nur aufgrund meiner Krankheit auseinander gebrochen ist… so sieht es nach außen aus und auch ich falle auf unser eigenes Schauspiel herein. Dafür spricht auch, dass mein jüngerer Bruder sich perfekt entwickelt hat. Er ist wirklich der Einzige, bei dem alles einfach glatt läuft, der so perfekt ist… Natürlich ist das toll und er ist für mich ganz wichtig, aber ich frage mich schon, warum ich so verkorkst bin, wenn er doch die gleiche Erziehung genossen hat… Dass ich ihm viel abgenommen und geschützt habe wird mir gesagt, mein Kopf weiß es…mein Gefühl nicht. Dass er durch die Familie seiner Freundin das nachholen kann, was er zu Hause nicht bekam blende ich auch oft aus. Was bleibt ist das Gefühl, dass ich falsch bin… Ist das zu verstehen?

Nun ja, egal, erstmal, heute ist Sonntag und bei uns ein Sonnentag. Heute kann ich die Strahlen wahrnehmen und euch welche schicken. Gut einen Platz wie diesen zu kennen, Geschichten zu lesen, die einem aus der Seele sprechen, neue Ideen lostreten und helfen.

Danke
Janena
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Janena
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Re: verlorene Seele...

Beitrag von Janena »

Guten Abend ihr lieben Menschen

Statt eines neuen Beitrags schreibe ich hier, auch wenn es thematisch in eine andere Richtung geht, als bisher - wobei: bei der verlorenen Seele komme ich immer wieder an...
Mir geht gerade so vieles durch den Kopf und ich möchte es gerne niederschreiben. Ich merke auch, wie meine Stimmung wieder langsam kippt – es ist einfach so schwer, diese Depressionen abzuschütteln.
Gestern sah ich ein bekanntes Fernseh-Format. Man möge mich verurteilen, weil ich die Supernanny gerne anschaue, aber sie trifft mit ihrer Arbeit oft einen Punkt bei mir und führt mir Dinge vor Augen – wie gestern. Zu sehen war eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern, deren ältester Sohn (8Jahre) seiner Mutter trotz aller Bemühungen nichts recht machen konnte…der arme kleine Mann bekam kein Fünkchen Zuneigung – unerträglich zu sehen – ein emotional ausgehungertes Wesen. Auf eine Frage von Katia Saalfrank meinte er, dass er ein böses Kind ist und sie ihn lieb machen soll. Katia erklärte der Mutter des Jungen, dass das Kindeswohl gefährdet ist, wenn sie weiterhin so mit ihrem Kind umgeht und ob diese sich vorstellen könne, was aus einem Kind wird, das so aufwächst… Die Mutter war ratlos… Und ich wollte nur schreien: JA, ICH WEIß WIE DAS IST…
Auch wenn ich schon viel gelesen habe, es immer wieder in den Therapien Thema war, so habe ich es noch nie so deutlich gesehen: es braucht wirklich nicht viel, um ein Kind in seinen Grundmauern zu zerstören…
Dieser Junge tat mir so leid und auf der anderen Seite war ich – oder mein inneres Kind – so neidisch, dass ihm jemand hilft und seine Situation wahrgenommen hat. Warum wird so vielen nicht geholfen? Warum wurde der kleinen Janena nicht geholfen? Ich bin nun 27 und komme so langsam dahinter, dass dies wohl mit eine der Ursachen für mein klägliches Versagen im Leben ist. Es fällt mir immer noch schwer es wirklich so zu sehen – denn warum mir nicht geholfen wurde ist klar – nach außen war alles in Ordnung und so sollte es ja auch sein. Mein Eingeständnis, dass wohl doch nicht alles in Ordnung war bringt mein Weltbild durcheinander – und ist dennoch so wichtig. Wie der 8jährige Junge im oben genannten Fall konnte ich alles versuchen, dass was ich wollte, habe ich nie erreicht: meine Mutter glücklich machen. Das geht bei schweren Depressionen auch nicht… aber das sieht man als Kind nicht. Meine einzige Aufgabe in den ersten 20 Jahren war also nur dafür zu sorgen, dass es allen gut geht…und obwohl ich alles gemacht habe, alles mit mir machen ließ… es war nicht genug. Mein Grundgefühl bis heute: ICH BIN NICHT GUT.ICH BIN FALSCH. ICH BIN BÖSE. Nun denke ich selbst, dass allein diese Erkenntnis ja schon ein Schritt ist und nun der nächste folgen kann: Eine Transformation in ein lebbares „ICH BIN OK. DU BIST OK.
Aber wie? Seit Jahren versuche ich, in mir selbst ein Pflänzchen positives Gefühl mir Gegenüber anzupflanzen… immer und immer wieder … aber es geht nicht. Es ist wie die Umarmung meiner Mutter: sie tut es – aber eben nur physisch – ohne Gefühl. Sie kann nicht anders, ich weiß, aber das hilft mir nun nichts mehr. Mein Gefühl bleibt. Dass mir andere Menschen meine Talente aufzählen, empfinde ich eher als Provokation, nach dem Motto: „guck was du kannst – und machst nichts daraus“ . Erstens sehe ich keine Talente und zweitens will ich auch nicht aus allem irgendetwas machen müssen – ich will einfach mal nichts müssen!!! Ich fühle mich wie ein Schauspieler. Daher ist auch vieles so anstrengend für mich, weil ich selbst bei engen Freunden nur eine Rolle spiele: Janena – die Rolle meines Lebens – die ich so hasse.
Wie ist es, wenn man man selbst ist? Wenn man einen Bezug zu sich hat, nicht immer irgendwie als dritte Person über seinem Leben schwebt? Ich würde es so gerne wissen, aber ich bin so hoffnungslos, dass dies jemals funktionieren wird.
Und dies alles nur, weil so ein bisschen Gefühl am Anfang des Lebens … und die Jahre darauf… gefehlt hat? Oder Liebe nicht kindgerecht ausgedrückt wurde…Vielleicht gibt es auch Kinder, die mehr Liebe brauchen, als sie verdienen… womit ich wieder am Anfang wäre, weil dies meine wirklichen Gefühle sind… ICH BIN FALSCH-MEINE GEFÜHLE SIND FALSCH… Das ist mein Grundgefühl…

Es tut mir leid, dass ich so viel wirre Gedanken schreibe…
Janena
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Gerda
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Re: verlorene Seele...

Beitrag von Gerda »

Liebe Janena,
ich melde mich jetzt auch mal. Ich bin sehr berührt von der Weisheit, mit der du über dich und dein Leben schreibst und besonders von der Suche nach dir selbst. Ich kann viel spüren davon, wie sehr du dich von dir selbst entfremdet fühlst und wie sehr du leidest, dass du nicht so geliebt worden bist als Kind, wie du fühlst, dass es dein Recht war.

Es ist ein schweres Erbe, das du da angetreten hast, zwei psychisch kranke Eltern, die dich sowieso ihr ganzes Leben schon „gebraucht“ haben und für die du da sein musstest, anstatt umgekehrt – dass sie für dich da waren, dir Geborgenheit gegeben haben, dich geliebt haben. Du warst offenbar so stark eingebunden von ihren Bedürftigkeiten, dass du gar keine Gelegenheit hattest, zu spüren, was du brauchst und das lautstark und kindgemäß einzufordern. Ich denke an meine Tochter, die jetzt 25 ist. Als sie im Kindergartenalter war, hat sie manchmal, wenn sie etwas bestimmtes wollte, eine bestimmte Zuwendung, so lange geschrieen, bis sie das bekam, was sie wollte. Sie hatte einen unheimlich starken Willen. Viele fanden sie ungezogen, aber ich fand es einfach ihre Eigenart, für sich zu fordern, was sie für richtig hält.

Wenn ich deine Zeilen lese, dann stelle ich mir so vor, dass du sehr viel Verantwortung übernommen hast und übernehmen musstest, damit die Familie funktioniert. Die Verantwortung muss so groß gewesen sein, dass du unter dieser Last gar nicht mehr spüren konntest, dass du eigene Bedürfnisse hast und du warst ganz abgetrennt von deinen Bedürfnissen. Das hat sich vermutlich durch dein ganzes Leben gezogen? Bis heute zu? Und jetzt kannst du nur noch spüren, du möchtest für niemanden mehr da sein? Nicht mehr funktionieren? Endlich mal dich selbst spüren? Und dann ist da die Frage, wer bin ich eigentlich selbst?

Kannst du dir vorstellen, einfach bei dem anzufangen, was aktuell da ist? bei dem, was du siehst und fühlst? Atem, Herzschlag, Körpergefühle, Spannungen im Körper, alle Sinneseindrücke – also riechen, schmecken, tasten, sehen, hören - Gefühle, Bedürfnisse, all das sind ja Facetten, die dich ausmachen. Mir hat es sehr geholfen, zu meditieren und zu spüren, war ich jetzt und heute bin anhand all dieser Facetten.

Die Fragee, wer bin ich, hat auch sehr viel damit zu tun, es zu spüren, wer ich bin. zu spüren, was ich von mir fühle. Diese Frage kann man nicht mit dem Kopf befriedigend beantworten. Es ist eine Frage, die es nur auf der emotionaeln Ebene befriedigend beantworten läßt. Als ich 27 war, habe ich mir die Frage aber nur mit dem Kopfgestellt und keine Antworten bekommen, die mir halfen, zu spüren, wer ich bin. Wer bin ich ist immer die Frage, wer bin ich im Moment. Wenn das in jedem Moment emotional zu beantworten ist, ist das eine Antwort auf diese Frage.

Bei der Frage danach, „wer bin ich“ fällt mir der Begriff der „Soheit“ ein. Soheit verstehe ich als die, die ich bin, weil ich so bin, wie ich bin, auf meine ganz eigene Gerda-art.

Kennst du Eckhardt Tolle? Ich höre von ihm CDs, Hörbücher oder kleine Filmchen bei Youtube. Das hilft mir sehr, mich selbst zu spüren und ein Gefühl zu bekommen davon, wer ich bin.

Mir ist aufgefallen, dass du darüber geschrieben hast, dass du keine Pubertät erlebt hast. Daran kann man glaube ich gut sehen, wie sehr du von dir abgeschnitten warst. Denn in der Pubertät sind so starke psychische und physische Reize von innen erleben und zu verarbeiten, dass es normalerweise nicht möglich ist, die zu unterdrücken. Wenn man das dennoch tut, dann, weil man so immens viel psychisch belastet ist, dass das keinen Raum hat. In der Pubertät geht es darum, sich von den Eltern zu lösen, aber wie soll ein Kind das tun, das sich so verantwortlich fühlt, verantwortlich für das Leben der Mutter sogar.

Was mir auch auffällt, ist, dass du das, was du entbehrt hast, enorm bagatellisierst.
Janena hat geschrieben:Und dies alles nur, weil so ein bisschen Gefühl am Anfang des Lebens … und die Jahre darauf… gefehlt hat?
Mir kommt es nicht so vor, dass ein bisschen Gefühl gefehlt hat, sondern dass eine gesunde Basis gefehlt hat, auf der ein Kind sich gesund entwickeln kann .
Janena hat geschrieben:Oder Liebe nicht kindgerecht ausgedrückt wurde
Mir kommtt das nicht so vor, wie nicht kindgerecht ausgedrückte Liebe, sondern dass deine Eltern ihre spärliche Liebe dir gegenüber vergiftet haben mit etwas, was sich für mich wie schwerer emotionaler Mißbrauch anfühlt. Emotionaler Mißbrauch, weil die Rollen von ihnen vertauscht wurden und sie dich mißbrauchten als Versorgende, die sie emotional versorgt. Das ist eine sehr schwere Bürde für ein Kind.
Janena hat geschrieben:Wie ist es, wenn man man selbst ist? Wenn man einen Bezug zu sich hat, nicht immer irgendwie als dritte Person über seinem Leben schwebt? Ich würde es so gerne wissen, aber ich bin so hoffnungslos, dass dies jemals funktionieren wird.
Da du als Kind so leben musstest, dass für deine Gefühle und Bedürfnisse kein Platz war und niemand sich dafür ausreicchend zuständig fühlte, war ja gar nicht die Möglichkeit dazu, dass du spüren konntest, wer du bist. du konntest deine Identität gar nicht entwickeln. das steht offenbar jetzt an. Bezug zu sich selbst kann man nur haben, wenn man sich selbst auch spüren darf, die eigenen Gefühle, die eigenen Bedürfnisse, und das war wahrscheinlcih, so wie du deine Kindheeit beschreibst, gar nicht möglcih. Aber jetzt ist es möglich, damit anzufangen. Jetzt kannst du selbst dafür sorgen, dir zuzuhören, für dich selbst da sein, spüren, was in dir sich regt und alles ernst nehmen und versorgen.

Ich kenne es auch, ,dass es so schwer ist, etwas Gutes über mich zu spüren. Mir selbst Wertschätzung gebenüber zu spüren. Aber ich habe gemerkt, dass es Übung ist, das immer wieder zu versuchen und zu üben, das zu tun. Also zu üben, mich selbst als das Geschenk zu spüren, das ich für meine Eltern war und das sie aber nicht ausreichdn spüren konnten und mir rückmelden konnten. Ich übe dass seit Jahren und meein "emotionaler Wissensspeicher", dass ich liebenswert und wertvoll bin, ist inwzischen sehr gewachsen, aber es geht nicht anders, aals durch Übung.

Vielen Dank, dass du dich so offen gezeigt hast hier im Forum. Ich fühle ganz fest, dass du ein ganz wertvoller Mensch bist und dass du ganz wunderbare Motive hast, zu suchen, wer du bist und die Liebe in dir zu finden, die da ist, auch die Liebe zu dir selbst.

Alles Liebe und Gute wünscht dir dafür Gerda (die auch ziemlcih durcheinander geschrieben hat).
"Unser wahres Zuhause ist der gegenwärtige Augenblick. Wenn wir wirklich im gegenwärtigen Augenblick leben, verschwinden unsere Sorgen und Nöte, und wir entdecken das Leben mit all seinen Wundern.“

Sei selbst die Veränderung, die du dir wünschst.
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