Ich möchte dir danken. Dafür dass du dir die Zeit genommen hast mir zuzuhören und deine Gedanken zu formulieren.
Dass deine Tochter sich auf diese Art Gehör verschaffte ist wahrscheinlich etwas natürliches. Dass sie es auch durfte und der dahinterstehende Wunsch von dir erkannt wurde nicht immer selbstverständlich. Ich scheine im Gegensatz zu meinem Bruder meine Trotzphase auch voll ausgelebt zu haben. Leider war damit dann aber auch Schluss mit meiner Rebellion. Die ist unter Umständen für Eltern wahrscheinlich äußerst nervtötend, für Jugendliche aber wohl ein wichtiger Prozess. Bei mir war das nicht möglich, das scheine ich unterbewusst gespürt zu haben. Neidisch habe ich auf Freunde geschaut, die so unbedarft aufwuchsen, ihren Eltern wiedersprachen…das hätte ich auch einmal gerne getan.
Die Verantwortung muss so groß gewesen sein, dass du unter dieser Last gar nicht mehr spüren konntest, dass du eigene Bedürfnisse hast und du warst ganz abgetrennt von deinen Bedürfnissen. Das hat sich vermutlich durch dein ganzes Leben gezogen? Bis heute zu?
Seit meinem 12. Lebensjahr hatte ich starke Panikattacken, schwere Schlafstörungen usw. Diese 24Std. Dauerpanik habe ich irgendwie zu verstecken geschafft. Wie, ist mir heute ein Rätsel. Wenn ich Panikattacken habe, bin ich heutzutage wirklich nicht alltagstauglich…Meine Magersucht und alles was dazu gehört haben dann dieses dauernde schreckliche Gefühl überdeckt. Irgendwann habe ich einfach nichts mehr spüren können. Heute habbe ich seit langem Bilder von mir aus dieser Zeit gesehen. Ich kann immer noch keinen Bezug herstellen, aber es fällt auf, dass die Person auf dem Bild irgendwie in sich ein Widerspruch zu sein scheint. BMI 12 und ein strahlendes Lächeln…aber so war es immer.
Ja, es hat sich irgendwie durch mein ganzes Leben gezogen – bis heute. Es ist schwer sich abzugrenzen. Meine Mutter ist weiterhin krank. Hier schaffe ich es zwar die tägliche Verantwortung beiseite zu schieben – die Erfahrung, dass ich daneben stehen kann, während sie sich umbringt war wohl heilsam, wenn auch grausam – aber ich weiß: ich kann sie nicht retten. Es ist nur so schwer mit ihr, weil ich weiß, wie sehr sie mich liebt und wie schlecht es ihr geht und wie sehr sie bemüht ist…und gleichzeitig in der Therapie davon zu sprechen und in meinem Kopf zu denken, dass sie mir nicht das geben konnte, was ich brauchte… ich möchte ihr einfach keine Vorwürfe machen.
Mein Vater dagegen… was soll ich sagen… nachdem er mich letztes Jahr, als wir gerade dabei waren wieder einen Kontakt aufzubauen, als Waffe gegen meine Mutter benutzt hat…ich habe es wieder- wie immer – versucht… und nun meldet er sich schon wieder seit über 2 Monaten nicht… ich weiß nicht, was ich tun soll. Es widerstrebt mir, den Kontakt abzubrechen…aber es macht mich auch kaputt, immer und immer wieder diejenige zu sein, die von ihm im Stich gelassen wird… ich frage mich gerade, ob das nicht fast mehr weh tut, als endlich einen Schlussstrich zu ziehen… Ich bin so ambivalent…ich habe dauernd Angst um ihn und gleichzeitig eine panische Angst vor ihm… er darf auf keinen Fall wissen, wo ich wohne…
Und jetzt kannst du nur noch spüren, du möchtest für niemanden mehr da sein? Nicht mehr funktionieren? Endlich mal dich selbst spüren? Und dann ist da die Frage, wer bin ich eigentlich selbst?Und jetzt kannst du nur noch spüren, du möchtest für niemanden mehr da sein? Nicht mehr funktionieren? Endlich mal dich selbst spüren? Und dann ist da die Frage, wer bin ich eigentlich selbst?
Es ist komisch, denn ich würde nie behaupten zu funktionieren, da ich ja durch meine 2-3jährige Krankenhausgeschichte sowieso aus dem Rahmen gefallen bin und mit 27 noch studiere… andererseits habe ich wirklich das Gefühl, nur zu funktionieren… weil ich das Gefühl habe, dass alles was ich gerade tue – Studium, Therapie, Nebenjobs, Freunde, Beziehung, ESSEN – einzig und allein dafür gut ist, dass andere denken, es ist wieder alles in Ordnung. Gefühlsmäßig ist es das für mich nicht… im Gegenteil. Die Kluft zwischen dem Gefühl und dem Außen wird immer größer. Angeblich soll dies ein natürlicher Prozess sein…meine Therapeutin ist zuversichtlich… ich fühl mich kraftlos…ich kann nicht mehr und am wenigsten bin ich zuversichtlich…
Kannst du dir vorstellen, einfach bei dem anzufangen, was aktuell da ist? bei dem, was du siehst und fühlst? Atem, Herzschlag, Körpergefühle, Spannungen im Körper, alle Sinneseindrücke – also riechen, schmecken, tasten, sehen, hören - Gefühle, Bedürfnisse, all das sind ja Facetten, die dich ausmachen. Mir hat es sehr geholfen, zu meditieren und zu spüren, war ich jetzt und heute bin anhand all dieser Facetten.
Wenn ich das so lese, dann klingt es so leicht. Ja, dann kann ich es mir vorstellen… aber irgendwie weiß ich nicht, wie ich da rangehen soll. Ich möchte bald einmal Yoga versuchen. Ich könnte mir vorstellen, dass dies eine Möglichkeit wäre etwas zu entspannen, da der Körper miteinbezogen wird. PME, Meditieren, Autogenes Training…damit komme ich garnicht zurecht. Was ich wieder angefangen habe ist Sport und wenn ich es schaffe, dies vom Essen loszukoppeln, dann merke ich, wie zumindest mein Körpergefühl besser wird. Das geht vielleicht auch in diese Richtung. Es ist ja eigentlich auch schon ein Fortschritt, dass ich es in meinem Körper aushalte, ohne ihn zu zerstören… aber es ist mir einfach nicht genug… nach sovielen Jahren Kampf will ich mehr…
.Die Fragee, wer bin ich, hat auch sehr viel damit zu tun, es zu spüren, wer ich bin. zu spüren, was ich von mir fühle. Diese Frage kann man nicht mit dem Kopf befriedigend beantworten. Es ist eine Frage, die es nur auf der emotionaeln Ebene befriedigend beantworten läßt. Als ich 27 war, habe ich mir die Frage aber nur mit dem Kopfgestellt und keine Antworten bekommen, die mir halfen, zu spüren, wer ich bin. Wer bin ich ist immer die Frage, wer bin ich im Moment. Wenn das in jedem Moment emotional zu beantworten ist, ist das eine Antwort auf diese Frage.
Bei der Frage danach, „wer bin ich“ fällt mir der Begriff der „Soheit“ ein. Soheit verstehe ich als die, die ich bin, weil ich so bin, wie ich bin, auf meine ganz eigene Gerda-art
Das klingt schön… bei anderen finde ich es so schön, ich kann sie lassen – SO lassen wie sie sind… dies auf mich zu übertragen… einem guten Gedanken folgen tausend, die dagegen sprechen. Es ist irgendeine Instanz in mir, die einfach nichts Positives zulässt… das macht mich traurig, aber ich habe auch keine Lust mehr, allen zu erzählen, dass es mir jetzt viel besser geht und ich mich selbst akzeptieren kann…ich kann es einfach nicht – noch nicht… oder nie…
Kennst du Eckhardt Tolle? Ich höre von ihm CDs, Hörbücher oder kleine Filmchen bei Youtube. Das hilft mir sehr, mich selbst zu spüren und ein Gefühl zu bekommen davon, wer ich bin.
Nein, bisher kannte ich ihn nicht. Ich habe mal reingehört. Ehrlich gesagt fehlt mir glaube ich gerade die innere Ruhe dafür. Vielleicht muss ich das mal nachts hören, wenn alle schlafen und ich mal wieder wach liege…
Du hast geschrieben, dass ich bagatellisiere… meine Therapeutin sieht das auch so. Aber ich kann es irgendwie nicht anders sehen… ich falle selbst darauf hinein, dass wir ja eine heile Familie waren… ich kann dieses Wort M…b… nicht aussprechen. Wenn ich es höre, lese…- im Bezug auf mich, dann dreht sich alles. Ich weiß auch nicht, ob ich es in der Therapie ansprechen soll… ich weiß nicht, wo meine Gedanken dazu hinsollen…ich weiß nicht, ob ich verrückt bin, mit diesen Bildern in meinem Kopf, die plötzlich auftauchen… und von emotionalem M…zu sprechen, da habe ich immer das Gefühl, dass man etwas schlimmer macht, als es ist… wieviele Kinder wachsen so auf?
Da du als Kind so leben musstest, dass für deine Gefühle und Bedürfnisse kein Platz war und niemand sich dafür ausreicchend zuständig fühlte, war ja gar nicht die Möglichkeit dazu, dass du spüren konntest, wer du bist. du konntest deine Identität gar nicht entwickeln. das steht offenbar jetzt an. Bezug zu sich selbst kann man nur haben, wenn man sich selbst auch spüren darf, die eigenen Gefühle, die eigenen Bedürfnisse, und das war wahrscheinlcih, so wie du deine Kindheeit beschreibst, gar nicht möglcih. Aber jetzt ist es möglich, damit anzufangen. Jetzt kannst du selbst dafür sorgen, dir zuzuhören, für dich selbst da sein, spüren, was in dir sich regt und alles ernst nehmen und versorgen.
Hm, das klingt immer so einfach. In der Theorie habe ich das verstanden. Aber mein Provblem, bzw. mein Gefühl gerade und meine Hoffnungslosigkeit rühren daher, dass ich seit Jahren versuche herauszufinden, wer ich bin und weiß, dass nur ich selbst dies tun kann. Meine Angst ist aber, dass – und so fühlt es sich an – da überhaupt kein Nährboden ist, auf den meine Bemühungen stoßen. Es scheint mir unmöglich im Nachhinein eine Identität zu bekommen… Ich weiß nicht, wie oft ich mir noch gut zureden soll, versuchen soll mir Zeit zu geben…
Ich kenne es auch, ,dass es so schwer ist, etwas Gutes über mich zu spüren. Mir selbst Wertschätzung gebenüber zu spüren. Aber ich habe gemerkt, dass es Übung ist, das immer wieder zu versuchen und zu üben, das zu tun. Also zu üben, mich selbst als das Geschenk zu spüren, das ich für meine Eltern war und das sie aber nicht ausreichdn spüren konnten und mir rückmelden konnten. Ich übe dass seit Jahren und meein "emotionaler Wissensspeicher", dass ich liebenswert und wertvoll bin, ist inwzischen sehr gewachsen, aber es geht nicht anders, aals durch Übung.
Danke, dass du mir von deinen Erfahrungen berichtest. Wenn du so schreibst, dann denke ich, dass es möglich ist…bei allen…nur bei mir nicht…weil ich auch nach Jahren nichts merke…NICHTS… ich bin lediglich besser darin, meinen Alltag zu meistern...
Hm, ich hoffe, du hast nicht das Gefühl, ich ersticke alle deine Worte im Keim. Deine Worte machen mich schon nachdenklich und sie stimmen mit denen meiner Therapeutin überein. Ich weiß nicht, wie oft ich manches noch hören muss, bis ein Gefühl dazu auftaucht. Meine Therapeutin sieht es auch als Fortschritt, dass ich mit anderen Kindern mitleiden kann… mit mir selbst ist das noch nicht möglich…dazu bin ich wirklich von mir abgeschnitten…
Liebe Gerda, danke für deine kuschelwarmen Worte.
Ich sitze gerade auf der Couch, genieße die Jahreszeit, weil ich Kerzen anzünden kann und mich einigeln darf. Von dieser Stimmung schicke ich dir ein Stück.
Alles Liebe
Janena