Keine Ahnung

Allgemeines Scheidungskinder Forum - Dies ist eine virtuelle Selbsthilfegruppe für Kinder und Eltern in allen Fragen rund um Trennung und deren Folgen.
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SoulOnFire
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Keine Ahnung

Beitrag von SoulOnFire »

Ich habe jetzt 3 mal alles gelöscht was ich geschrieben habe, weil das was passiert ist, so viel ist und ich es gar nicht in Worten beschrieben kann. Eigentlich ist heute alles gut oder zumindest auf einem guten Weg. Meine Mutter macht Therapie, ich mach Therapie, meine Schwester hat Therapie gemacht, ist verheiratet und hat grad nen Kind bekommen. Mein Vater ist neu verheiratet und super glücklich. Aber trotzdem weine ich. Ich kenne dieses komische leere Gefühl. Ich bin sehr erfolgreich, ernte Lob und Neid - alles ist perfekt und in dem Moment spüre ich, wie leer ich mich fühle. wie zerrissen. wie überanstrengt und wie fremd ich mir in der Welt vorkomme. Und das alles nur, weil meine Eltern schon nicht gelernt haben, dass Gefühle sein dürfen. Weil meine Großeltern in ihrer Jugend in den Krieg mussten. Deswegen hatten meine Eltern keine Chance. Deswegen konnten sie ihre Probleme nicht gemeinsam lösen und haben sich geschieden als ich 8 war (werde jetzt 24). Deswegen musste Papa meine Gefühle untergraben bevor er sich umdrehte und wegging mit "ja also wenn du deine Gefühle so wenig unter Kontrolle hast.." . Deswegen durfte ich plötzlich nicht mehr die Treppe zu ihm runter gehen und musste jetzt im gleichen Einfamilienhaus oben wohnen. Deswegen ist dieser böse Mann eingezogen, der mich immer so strafend ansah, als er sagte "nehmt doch mal Rücksicht auf eure Mutter!". Deswegen weinte und schämte sich meine Mutter so oft. Deswegen konnte sie meine Gefühle nicht sehen und lehnte sie ab mit "Ich bin Lehrerin... was meinst du was das für ein Bild auf mich wirft, wenn das rauskommt!". Deswegen zogen wir aus der Nachbarschaft weg. Deswegen wollten meine Schwester und ich unbedingt zu Papa zurück ziehen. Deswegen hat er uns belächelt mit "hmm", steckte sich ne Kippe an, gab mir ein Gesetzbuch über Jugendrechte und hat uns weggeschickt. Deswegen hat meine Schwester Terror gemacht und ist dann ohne mich bei ihm eingezogen und ich musste da bleiben, wo ich mich ekelte. Deswegen sagte ein Jahr später mein Vater zu meiner Schwester "wenn du jetzt durch diese Tür gehst, will ich dich nie wieder sehen" und meine Schwester kam zurück zu mir. Deswegen ging ich genau wie es die Regel wollte weiterhin alle 2 Wochenenden zu meinem Papa. Deswegen haben wir bis heute kein Wort mehr darüber gesprochen. Deswegen fühle ich mich heute verkrampft in meinen Freundschaften. Deswegen sprechen meine Eltern bis heute kein Wort miteinander. Deswegen zweifle ich regelmäßig an meiner Beziehung. Deswegen arbeite ich mehr als mir gut tut. Deswegen wohne ich in einer Wohnung, mit kaputten Glühbirnen ohne Lampenschirm, mit fremden, hässlichen Möbeln, kaputten Schränken und Schimmel am Fenster, was mir überhaupt nicht gefällt. Deswegen esse ich nicht, obwohl ich Hunger habe. Deswegen studiere ich erfolgreich und habe ein Unternehmen gegründet, obwohl ich das vielleicht gar nicht wollte. Deswegen gewinne ich Preise mit meiner Band, aber gehe nur widerwillig auf die After-Show-Party. Deswegen freue ich mich überhaupt nicht über meinen Erfolg. Deswegen sagt mein Konto, dass nichts passieren kann und doch fühle ich mich hilflos. Deswegen spüre ich nicht mehr so wirklich was ICH will. Deswegen bin ich nicht überzeugt davon, dass ich gut und gewollt bin. Deswegen habe ich kein Zuhause. Deswegen fühle ich mich überflüssig. Deswegen gucke ich in den Spiegel wenn ich weine, um zu sehen, wie es wirklich ist.

Heute lag ich den ganzen Tag im Bett, obwohl ich so viel vor hatte. Ich hatte heute keine Kraft. Die 50 Emails zogen einfach vorbei. Die Telefonate habe ich mit meiner robusten Maske bewältigt. Ich hab mich auf der Arbeit nicht mal abgemeldet. Es sorgt mich, dass mir vom vielen Grübeln, dem ständigen Druck und der grundlegenden Zerrissenheit schon mit 23 die Haare ausfallen. Jetzt macht mein Körper langsam auch schlapp. Morgen um 8:15 habe ich eine 45 Minuten Präsentation über ein Projekt, auf englisch. Danach verschiedene Meetings und abends 2 Verabredungen. Am Freitag eine Deadline für eine Seminararbeit. Ich kann mir keinen Tag Pause erlauben. Am Samstag habe ich Geburtstag, aber mir ist überhaupt nicht nach Feiern zu mute. Es macht mir Angst, dass ich vermute, dass meine Freundin eine Überraschungsparty plant, weil sie weiß, dass ich zur Zeit wenig Kontakt zu Freunden habe. :-(

Mein Therapeut ist mein Rettungsanker. Zum Glück habe ich das vor 8 Monaten entschieden. Er ist der erste der versteht, was ich brauche. Leider ist er aber auch nicht perfekt und ich sehe ihn bisher nur alle 4 Wochen und jetzt auch nur alle 2 Wochen. Das ist ein Tropfen in meine brennende Seele. Eigentlich bin ich in Not. Und das schon 14 Jahre. Ich nehme mich heute selbst in die Verantwortung und habe sehr viele Bücher zum Thema Selbstwert, Persönlichkeitsentwicklung, Therapie usw gelesen, aber es ist ein ständiger K(r)ampf!
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kaktusbluete
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Re: Keine Ahnung

Beitrag von kaktusbluete »

Hallo SoulOnFire,

herzlich Willkommen hier im Forum!

Dein Text hat mich berührt, manchmal tut es einfach gut, sich alles runterzuschreiben, gell?
Ich kenne das. Es tut mir Leid, was du alles schon erlebt hast!

Hier findest du sicher immer ein offenes Ohr und wenn du magst auch :umarmen:

Alles Liebe
Kaktusblüte
Magie kann nicht alles. Mut ist die wahre Magie...
Tamara22
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Re: Keine Ahnung

Beitrag von Tamara22 »

Hallo SoulOnFire,

ich möchte dich auch erst einmal bei uns sehr willkommen heißen.
Deine Erzählung von dir und deinem Leben haben mich sehr berührt. Ich möchte für den Moment es einfach noch so stehen lassen,
dir signalisieren du bist damit nicht allein und ich sehe deine Not und deinen Kampf.
Vielleicht und das wünsche ich dir von Herzen, findest du hier ein bischen von dem was ich vor ich glaube 7 Jahren hier gefunden habe...
Es hat so vieles leichter gemacht und mir gezeigt, dass eine solche Geschichte sich eben nicht verstecken muß, hier ist dafür Platz, und offene Ohren und Herzen.

Alles Liebe für den Moment
Tami
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Bolz
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Re: Keine Ahnung

Beitrag von Bolz »

Hallo Du,

DU selbst scheinst schon sehr gut zu wissen, was eigentlich los ist und mit dieser Erkenntnis hast Du schon einen riesen Schritt in die richtige Richtung gemacht!

Jetzt fehlt vielleicht nur noch ein kleiner Gedanke, um Dich weiter zu lenken. Wenn ich mich so in Bedrängnis fühle denke ich manchmal, was eigentlich passieren würde, wenn ich mich heute in Luft auflöse und siehe da: nichts, die Welt dreht sich weiter, die Emails erledigt auch ein anderer und manech Dinge lösen sich auch einfach in Luft auf...

Was ich sagen will ist, Du hast den wesentlichen Teil Deines Problems schon erkannt, jetzt kommt es auf Dich an in Dich hineinzuhören was DU willst ? Wer soll Dich dafür kritisieren und wer soll Dir das verbieten ?

Du schaffst Das!
Bolz
tarsshaft
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Re: Keine Ahnung

Beitrag von tarsshaft »

hi!

auch mich hat deine geschichte sehr berührt. vor allem, weil sie meiner eigenen so ähnlich ist. ich habe in deinem alter auch sehr ähnliche gefühle gehabt. auch meine eltern trennten sich, als ich 8 war. auch meine eltern konnten ihre probleme nicht gemeinsam lösen und haben sich letztlich getrennt. auch ich tat „wie es die regel“ wollte. ich lernte als kind und junger erwachsener vor allem herauszufiltern, was andere wollten und dann verhielt ich mich so, dass es vor allem für die anderen passte. so kam ich durch diese furchtbare zeit durch, ohne dabei den verstand oder meinen lebensmut zu verlieren. viele viele jahre hatte auch ich große schwierigkeiten in meinen beziehungen oder freundschaften, und ich führe diese schwierigkeiten auch auf meine teilweise traumatischen erfahrungen als junger mensch zurück. wenn ich sage, ich kann dich verstehen, weißt du, dass es tätsächlich so ist, weil ich fast das gleiche erlebt habe.

als ich deine zeilen gelesen habe, habe ich mich an meine kindheit und jugend erinnert, an die zeit, als ich so alt war wie du. es war genauso wie bei dir. was kann ich dir sagen, dass dich tröstet? vielleicht, dass du schon sehr weit bist auf deinem weg, denn das bist du tatsächlich. sicher, es gibt noch viel aufzuarbeiten. du machst therapie, du hast nun eine selbsthilfegruppe gefunden. all das wird dir helfen. ich habe selbst therapien gemacht, letztlich entscheidend geholfen hat mir dieses forum. weil niemand einen so gut verstehen kann, wie einer, der die selbe geschichte hat wie du selbst.

gib nicht auf! das ist alles, was ich dir raten kann. wir, dieses forum, sind für dich da. du bist nicht mehr allein mit dem, was weh tut. vielleicht ist das ein trost.

alles gute für deinen weg, tarsshaft
Das Heute leben, das Kommende erwarten, das Vergangene nutzen.
SoulOnFire
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Re: Keine Ahnung

Beitrag von SoulOnFire »

wow danke für die annehmenden Worte und für's Nicht-wegreden. =) Ich kann es nur schwer annehmen, obwohl mein Kopf sagt, dass es das ist was ich brauche. Danke!
Genau wie ihr sagt, tut es gut zu sehen, dass auch andere ähnliches oder fast identisches kennen und aufgewacht sind.

Ich könnte jetzt weiter schreiben. Aber dann schreibe ich so ewig lange Texte, lösche sie wieder, bin unzufrieden, schreibe neu, lösch wieder usw... habe es diesmal 2 mal gemacht. Das ist anstrengend. Es zeigt aber, wie unsicher ich in diesem Thema noch heute bin und wieviel sich da in mir bewegt und vermischt. Im einen Moment ist das Geschriebene gut und im nächsten erscheint wieder alles doch nicht richtig, zu überanalysiert, zu verletzend, zu selbst oder fremdbeschuldend, zu detailiert, zu allgemein, zu wenig verständlich, zu arrogant, zu kleinlaut, zu lang, zu kurz, ... zu ... zu ... mit 16 fand ich es so cool Perfektionist zu sein. Heute weiß ich, dass es einfach Angst, Flucht und Überlebensstrategie war. Wenn es perfekt ist, kann schließlich niemand übersehen wie gut es ist. :-/ Teufelskreis.. aber ok ich erlaube es mir im nachhinein, dass ich mich so verhalten habe. Ich erlaube mir, dass ich verdrängt habe, was wirklich passierte. Es war aus meiner Situation heraus nicht optimal, aber sinnvoll, es hat mich für diese Zeit geschützt! Ich konnte mich vor Schlimmerem bewahren und habe dabei noch tolle Fähigkeiten erlernt, die mir heute helfen, auch jetzt mutig und stark zu sein, meine Existenz zu sichern und in die Rolle des Mannes zu wachsen und langsam den Wunsch einer Vater Rolle zu entwickeln. Das ist noch ein langer Weg. Aber diesen Sinn gebe ich meinem Leben. Ich erlaube mir heute, dass ich noch Schmerzen von damals spüre. Aber ich erwarte von mir, dass ich mich in die Verantwortung für mein jetziges und zukünftiges Leben nehme.

Ich habe letzte Woche meinen Hiwi-Job gekündigt, auch wenn ich gerne dort bin. Ich habe entschieden, dass ich ab Mitte Dezember mein Unternehmen erstmal brach lege (habe aber Angst es nicht zu schaffen, weil soviele andere Leute interesse daran haben, dass ich weiter mache. Vor 2 Jahren habe ich es schonmal versucht). Ich habe neulich entschlossen, mir mehr Ruhe und Trauer um damals zu gönnen. (Deswegen hatte ich Zeit hier her zu finden.) Wenn ich mehr Raum dafür in meinem jetzigen Leben schaffe, dann werde ich noch mehr Kraft und Motivation entwickeln, mein Leben weiter zu ordnen. Dann werde ich mir auch in Ruhe eine neue Wohnung suchen können, ganz in Ruhe Möbel aussuchen usw. Aber erst brauche ich noch Zeit und Raum für meinen Schmerz. Ich brauche jetzt Regression. Ich will dahin zurück finden, wo ich noch sofort spürte was ich will. Wo ich sofort aus dem Bauch heraus entscheiden konnte und nicht alles gegeneinander abwägen und prüfen musste. Das ist lange her. Aber ich bin mutig, robust und überzeugt davon, dass unter dem grauen, schwarzen Schleier, ein glücklicher Teil entdeckt werden möchte. Er hat sich nur sehr lange nicht mehr getraut zu sagen, was er braucht. Ich brauche, dass mein erwachsener Teil aktiv und liebevoll auf meinen kindlichen zugeht.

Es amüsiert mich schon fast, dass ich durch meine Geschichte viel bewusster für sowas geworden bin. Haben meine Eltern am Ende doch alles richtig gemacht? nein. Aber sie haben auch viel Gutes getan. Meine Großeltern hatten gar keine Chance. Meine Eltern fangen mit 55 an. Meine Schwester und ich mit 20-25. Meine Kinder können es vielleicht noch besser. Diesen Sinn gebe ich meinem Leben. Es tut mir weh zu sehen, dass ich mich oft nicht traue weiter zu machen und mich lieber in Arbeit und Stress stürze. Aber wenn man sich die Historie anguckt, schneidet meine Familie unterm Strich ja fast schon gut ab und lässt die Option auszubrechen zur eigenen Versöhnung.

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Tamara22
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Re: Keine Ahnung

Beitrag von Tamara22 »

Hallo,

mein erster Impuls war, ich möchte diesen Anteil von dir, den du im letzten Beitrag gezeigt hast ebenfalls herzlich hier willkommen heißen.
Er scheint mutig und zuversichtlich, überlegt und impulsiv, wissend und hoffend...einfach sehr lebendig.
Es scheint mir so, dass du die Idee, dass es auch Wachstum und Heilung gibt in dir spüren kannst und das ist schön zu lesen.
Ja vielleicht ist Zeit und Raum zu schaffen ein Weg für dich, du wirst es spüren denke ich. Ich habe den Eindruck, dass schon sehr viel in
Bewegung ist und sich dir zeigen will.
Hier soll dafür immer Platz sein und es wird auch nicht weggeredet, nein wir dürfen es lesen und dich sehen und daran Anteilnehmen. Das ist schön und dafür möchte ich dir danken.
Ich freue mich sehr von dir zu lesen.
Viele Grüße Tami
Change it, love it or leave it.
MarliJo

Re: Keine Ahnung

Beitrag von MarliJo »

Hallo soulonfire,

willkommen hier im Forum auch noch von mir !

Auch mich haben deine Posts sehr beeindruckt,..mehr noch, mich hat beeindruckt wie du mit dir umzugehen weist - das strahlen deine Worte jedenfalls für mich aus.
Da ist Alles drin, alle Anteile von dir, wie es Tami so treffend beschrieb. Ich finde, dass du alle deine Anteile ansiehst,.. was sie in dir auslösen, wo sie her kommen könnten, was sie mit dir machen..., all das macht dich lebendig. Ich glaube all die Strömungen sind wichtig für dein persönliches Weiterkommen, auch wenn dich die Strömung in manchen Momenten nach unten zieht und in einem anderen wieder vorantreibt - aber immerhin,...(auch wenn du (noch) keine Ahnung hast wohin sie dich treibt), es gibt keinen Stillstand. Das hat wie ich finde seinen Wert.
In deinem ersten Post hast du viel über die "Deswegen" geschrieben. Sie beschreiben deine Geschichte/dein Verhalten für mich sehr schlüssig. Sie beschreiben die Diskrepanz zwischen dem was du fühlst und dem, was dein Verhalten geprägt hat - dem Funktionieren- sehr gut. Ich finde es gut, dass du deiner Prägung auch etwas Positives abgewinnen kannst und erkennst, dass dir das Funktionieren auch Anteile gebracht hat, die sich dich haben entwickeln lassen - ich denke, praktisch, wie emotional ? Du hast diese dich prägenden Ereignisse sehr greifbar benannt und ich könnte mir denken, dass sich manches in dir eingebrannt hat,... WESWEGEN es dir heute nicht gut damit geht, wenn die Bilder dir ins Bewusstsein kommen. Es ist gut, wenn du diese Bilder betrachtest und ihnen nicht versuchst auszuweichen, sondern lernst ihnen irgendwo in deiner ganz persönlichen "Galerie" einen Platz zuzuweisen, den DU für richtig hälst.
Kannst du damit etwas anfangen ?

FReu mich, weiteres von dir zu lesen - hier oder an anderer Stelle !
Viele Grüße
MarliJo
SoulOnFire
Mittagspausentipper
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Beiträge: 40
Registriert: 9. November 2010 21:23

Re: Keine Ahnung

Beitrag von SoulOnFire »

Hi.

@Tamara22:
Über deinen letzten Post habe ich länger nachgedacht. Es war interessant zu beobachten was mit mir passiert. Erst war ich irritiert. Dann auf einmal total entspannt. Ich habe mich stimmig und im Gleichgewicht gefühlt.
Rational: Dein Post hat mir ermöglicht beide Teile klarer von einander zu trennen. Ich selbst habe das davor auch getan, aber nicht so bewusst. Dadurch dass du es geschrieben hast und beide Teile gesehen und vor allem freundlich angenommen hast, konnte ich sie beide sehen und selbst leichter annehmen. Beide hatten auf einmal gleichzeitig von mir eine Daseinsberechtigung. In meinem Leben hatte ich oft den Eindruck, dass der eine besser als der andere ist.. oder dass einer oder beide Teile schlecht sind und nicht sein dürfen oder die beiden gar zerstritten waren. Dass beide sich eigentlich perfekt ergänzen, wenn ich sie anerkenne und annehme, spüre ich erst seit 1-2 Jahren und dank deines Posts wieder sehr gute! Dankeschön! Für den Moment eine sehr entlastende Erfahrung.

@MarliJo:
MarliJo hat geschrieben:mehr noch, mich hat beeindruckt wie du mit dir umzugehen weist - das strahlen deine Worte jedenfalls für mich aus.
Da ist Alles drin, alle Anteile von dir, wie es Tami so treffend beschrieb. Ich finde, dass du alle deine Anteile ansiehst,.. was sie in dir auslösen, wo sie her kommen könnten, was sie mit dir machen...,
Ja, ich bin überzeugt davon, dass ich gut verstehe und gut analysiere. Das merke ich vor allem, wenn ich mit Freunden über deren Probleme spreche. Ich weiß sehr schnell worum es wirklich geht und komme bei den meisten Menschen in nem 4-Augen-Gespräch sehr schnell an sie ran. Technisch. Ich weiß wie das funktioniert und wie ich das mache. Aber was ist mit mir? Ich will lernen mehr zu fühlen und weniger mit dem Kopf zu lösen. Ich will mich viel lockerer und lustiger unterhalten. Die Kopf-Lösungen habe ich eh perfektioniert (das hat mein Überleben gesichert). Manches kann ich aber nicht mit dem Kopf lösen und will es auch gar nicht mehr versuchen. Denken ja, grübeln nein. Leer fühlen (nicht-fühlen) nein, entspannen, weinen, schreien, zusammenkauern, lachen, strahlen, genießen ja! Leichter geschrieben als getan, aber ich komme voran. Meine Enkulturation lässt mich mir die Erlaubnis geben, dass ich das erst heute wieder richtig lerne und nicht schon als Kind.

Ich hab mit einer Freundin telefoniert. 2 Stunden. Nach 1 Stunde hatte sie einen wirklichen Rededurchfall. Ich habe gesagt "Nadine (Name geändert)... NADINE! hörst du mich?... du erzählst wahnsinnig schnell. Ich kann dir inhaltlich überhaupt nicht mehr folgen. Ich merke wie aufgewühlt du bist und es ist für mich anstrengend wenn ich mir vorstelle, was du gerade alles erzählt hast. Wie geht es dir überhaupt damit?... nein ich meine wie du dich wirklich fühlst. Bist du traurig?... was passiert denn schlimmes, wenn du traurig wärst?.. usw.." Sie wurde sehr ruhig, entspannt und konnte auf einmal ganz in Ruhe erzählen wie es IHR geht. (auch scheidungskind). Technisch und tiefenpsychologisch ist mir vollkommen klar, was da passiert ist. Neu für mich war der Anteil, dass ich mein Gefühl in diesem Moment zugelassen habe und es nicht gemacht habe, weil es technisch gut ist, sondern weil mir danach war zu sagen was ich fühle, dass ich traurig bin, wenn ich höre was sie erzählt. Dass ich Mitgefühl habe und mich an meine Geschichte erinnert fühle. Die zweite Stunde war aufgeschlossen und von uns beiden emotional. Das fand ich super - auch wenn ich mich wie 8 gefühlt habe. Genau darum geht es! Da will ich ja wieder hin und daran anknüpfen! Ich habe oft sehr große Angst davor. Und ich habe Angst vor dieser Angst.

Das Beispiel zeigt, wie sehr ich noch glaube, dass ich dafür verantwortlich bin, dass die Interaktion zwischen meinen Mitmenschen und mir nur von mir abhängt. Natürlich habe ich großen Einfluss darauf. Aber das blöde ist, dass ich gelernt habe: Nur wenn ich was dafür tue, bin ich (ganz vielleicht ein klein wenig) gut. Ich habe fast nie erlebt, dass andere so aktiv auf mich zukommen. Ich kenne: "nicht jetzt... warte... ne ich muss mich jetzt ausruhen... *seufz*... ich verstehe doch gar nichts davon wenn du gitarre spielst... aber ja ja du machst das toll.. jaja... naja ich kann dir jetzt nicht mehr zuhören... so noch eine Stunde habe ich, aber ich muss auch noch was anderes machen... so schlaf jetzt...". Das was ich mit anderen zur Zeit tue, bräuchte eigentlich ich! Freud lässt grüßen.
In deinem ersten Post hast du viel über die "Deswegen" geschrieben. Sie beschreiben deine Geschichte/dein Verhalten für mich sehr schlüssig. Sie beschreiben die Diskrepanz zwischen dem was du fühlst und dem, was dein Verhalten geprägt hat - dem Funktionieren- sehr gut.
ja, ich habe versucht mehr aus meinem Gefühl zu schreiben und weniger aus meinem Kopf. Deswegen die "aber papa hat gesagt..."-Glaubensansätze, die ich schon hundert mal rational widerlegt habe - die aber emotional noch heute ein Problem sind. Mein erster Post drückt diese "Gefühls-Verbot-Gefühle" gut aus.
dass dir das Funktionieren auch Anteile gebracht hat, die sich dich haben entwickeln lassen - ich denke, praktisch, wie emotional ?
Pratkisch, ja auf jeden Fall. Ich habe gelernt selbst Verantwortung zu übernehmen. Das ist gut. Auch wenn es zu viel und zu früh war und ich heute noch oft enttäuscht bin deswegen. Ich kann mich selbstständig in dieser Welt zurecht finden, meine Existenz sichern und mich entwickeln (oder mir dazu nötige Hilfsmittel besorgen). Die letzten 2 Jahre habe ich mich viel mit Selbstwert und Eigenverantwortlichkeit beschäftigt und geschaut wo ich mehr Verantwortung für mich und weniger Verantwortung für andere übernehmen kann. Ich sehe diese Bereiche und Situationen, aber es ist noch schwer auch wirklich danach zu handeln & zu fühlen.

Die Metapher der Galerie hat mich genau wie die Antwort von Tamara22 entspannt, weil sie die einzelnen Persönlichkeitsanteile (vor allem die eingebrannten, schweren, die ich nicht sehen/haben will) integriert und wert schätzt, statt sie abzulehnen oder zu verfeinden. Danke.
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