Identität Scheidungskind

Allgemeines Scheidungskinder Forum - Dies ist eine virtuelle Selbsthilfegruppe für Kinder und Eltern in allen Fragen rund um Trennung und deren Folgen.
Tamara22
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Identität Scheidungskind

Beitrag von Tamara22 »

Hi liebe Forengemeinde,

als ich hier anfing zu schreiben, das war, mal kurz überlegen, irgendwann in 2004, hieß mein erster Thread Identität Scheidungskind.
Ich habe damals ein riesen Fragezeichen dahinter gemacht, nicht nur hinter den Begriff, sondern hinter diese Identität.
Ich war der felsenfesten Überzeugung, dass diese Kinder zwar etwas Schlimmes erlebt haben, aber wenn die Eltern sich mühen, dann ein "normales" Leben möglich ist und das keinen größeren Unterschied macht. 9 Jahre und rund 1400 Beiträge später seh ich das anders.

Damals schrieb ein Forenmitglied, dass dieser Umgang mit diesem Thema krank ist und dass die Gesellschaft darin krank ist so zu tun als wäre doch alles gut.
Ausräuchern wollte er das, Bomben werfen gegen diese Ignoranz...wir haben Ihn hier damals als "Team".. "in den Griff bekommen".
Heute tut mir das leid. Es tut mir leid, dass diese krasse und schmerzhafte Wahrheit niemand ertragen hat, wer hält schon seine Hand hin wenn es weh tut, so sind wir nicht gemacht...wir haben Überlebensinstinkt, wie schützen uns oder laufen weg...

Ich glaube der Mensch kann mehr als das, mehr als seine Natur, weil er Emotionen hat und Impulse, die ihm Richtung weisen wollen und weil er fühlt.
Und dennoch gibt es Mauern zwischen den Menschen, in den Familien, in der Gesellschaft, Schutzmauern, je nachdem auf welcher seite du eben stehst...
Und die Teilen dann in die "richtige" und die "falsche" Seite ein, in Recht und Unrecht, in schuldig und unschuldig, frei und unfrei...Leben und...

Heute will ich manchmal diese Bomben schmeißen, weil ich vor diesen Mauern sonst kaptiulieren muss. Weil diese Eltern aus den "Guten Scheidungen" fröhlich weiter daran bauen, mit Unterstützung von Psychologen und Pädagogen, die es besser wissen, auf der richtigen Seite der Mauer...Stein auf Stein und die werden so hoch werden bis dieses ganze Gerüst in sich zusammenstürzt und dann bekommen wir die Rechnung.
Aber bis dahin werden Kinder groß, bei denen alles gut ist hinter ihrer Mauer, wo sie ihre Eltern nicht mehr erreichen können und übersehen werden und lernen zu überleben und die sind dann die Generation von morgen. Ein Morgen, das die Eltern von gestern dann glücklicherweise nicht mehr mitbekommen werden, während sie auf anonymen Gräbern verscharrt werden, weil die Familie fehlt, die dort am Grab steht und fühlt.

Also glauben wir an das Gute, hoffen wir, dass wir überleben und verschliessen wir die Augen davor, dass wir dem Leben nie wirklich eine Chance gegeben haben, das Beste aus uns zu machen, weil wir Angst hatten es könnte noch schlimmer kommen.

Und wem das nicht deutlich geworden ist...hier geht es nicht um das Festhalten an der Geschichte, sondern darum, einen Umgang mit diesem "Phänomen der heutigen Gesellschaft" zu finden, der dem Schmerz soviel Zeit einräumt, dass er auch wirklich heilen kann, dass da etwas versorgt wird, liebe-voll und einfühlsam, das sonst nur Narben bilden wird, weil da keine Luft dran kommt und weil ständig das Pflaster abgerissen wird, weil doch mal endlich alles gut sein muss.

Weil ich glaube, dass wir sonst als Erwachsene mit ständigen Phantomschmerzen leben müssen, weil da etwas fehlt, das niemand erstetzen kann, das aber weiterhin weh tut und da hilft dann garnichts mehr...damit muss dann die Seele leben, mit dem Nichts das dich vor Schmerzen manchmal beinahe auffrisst, aber es ist doch sooo gut verheilt.

Also wie wird das später sein? Wo sind dann diese kinder, die heute doch klarkommen müssen, weil die Eltern und die Gesellschaft der Meinung ist, dass doch nun endlich mal gut ist?
Weil die es besser wissen, weil sie auf der richtigen Seite der Mauer sind und der Blick verstellt ist vor dem was im jetzt grade ist.

Niemals werde ich meinem Kind meine Hand verweigern, sei es mir auch noch so unerklärlich warum es danach verlangt und wenn es nicht mehr danach verlangt wird sie dennoch ausgestreckt bleiben, weil Kinder ein Anrecht haben auf ihre Eltern und eine allesumfassende Liebe, ganz egal, was sie tun oder nicht tun und wie sie es tun.


Tami
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Ansa
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von Ansa »

Liebe Tami,

ich glaube, manche Dinge werden einfach nie wieder gut.... da war die Geschichte von dem kleinem Jungen, der immer so wütend war und alle Menschen um sich herum verletzte - eines Tages sagte sein Vater zu ihm, "immer wenn Du wütend bist, nimm einen Nagel und schlag ihn in den Zaun und wenn Du eines Tages keinen Nagel eingeschlagen hast, dann komm zu mir...." Der Junge machte das und schlug die Nägel in den Zaun, seltsamerweise wurden es täglich weniger Nägel und so kam eines Tages auch der Tag, an dem der Junge keinen Nagel einschlug und zu seinem Vater ging und der Vater sagte "für jeden Tag, an dem Du keinen Nagel mehr einschlägst, ziehst Du ab heute einen Nagel wieder heraus. Und wenn keine Nägel mehr im Zaun sind, dann kommst Du wieder." Es dauerte lange, mal schlug der Junge einen Nagel in den Zaun, mal zog er einen, irgendwann schlug er keine mehr ein und zog nur noch welche heraus..... und es kam der Tag, an dem war kein Nagel mehr im Zaun. Er ging zu seinem Vater und der Vater sagte "Das hast Du gut gemacht, aber schau, überall im Zaun sind Löchter geblieben, von den Nägeln und so ist das mit Verletzungen, man kann sie gut machen, aber es bleiben Spuren, eine lange Zeit..... deshalb müssen wir vorsichtig sein, mit dem was wir tun und sagen...."

Ich hab diese Geschichte schon einmal hier erzählt, und nun kann man, wie einige reagieren und sagen "ja, so ist das." oder aber auch "eigentlich wollte ich jetzt wissen, weshalb war das Kind so wütend?" Nur geht es darum nicht, ich glaube, es geht darum, aufzuzeigen, das unsere Handlungen etwas hinterlassen. Etwas, das man nicht wieder rückgängig machen kann.

Ich bin kein Trennungskind und aus allem was ich selbst erlebt habe und aus vielen Erfahrungen hier weiß ich, das manches von dem, was Scheidungskinder erleben nie wieder gut wird - aber es kann anders werden. Es ist kein Trost wenn andere sagen "Trennungen sind ja nun nichts besonderes mehr" - doch genau das sind sie, für die Betroffenen und für die Kinder. Und viele Trennungen erleichtern uns den Umgang damit nicht, sie scheinen nur eine Normalität vorzuspielen, die es nicht gibt und geben kann.

Identität Scheiduhngskind kann eine große Rolle spielen, aber jedes Kind erlebt da eine ganz eigene Beziehung zu, das ist nicht zu verallgemeinern. Viel zu groß ist die eigene psychische Festigkeit und Entwicklung, viel zu groß der Anteil der umgebenden Beziehungen (Eltern, Großeltern, Gesellschaft) - viel zu groß ist die Individualität jedes Einzelnen und viel zu oft versuchen Menschen, das in einen Rahmen zu pressen und zu sagen "Aber das muss auch mal vorbei sein" oder eben auch "Das wird Dein ganzes Leben überschatten" (was eine furchtbare Aussage.... finde ich - ähnlich wie "Deine Hochzeit ist der schönste Tag in Deinem Leben" - grausig, die Vorstellung, meinen schönsten Tag im Leben hinter mir zu haben?)

Es darf keinen Rahmen geben, finde ich. Aber wir als Erziehende (ich kann jetzt darauf eingehen, das ich als misshandeltes Kind eigene Probleme habe - aber das lenkt ab) sowohl als auch als Geschiedene haben eine Entscheidung getroffen, deren Alternative viel zu oft nicht hinterfragt wird. Ich bekomme so häufig Vorwürfe, "ja Du hast Dich ja auch scheiden lassen, hast Dich selbst verwirklicht, bist Deinen Weg gegangen und hast die Kinder nicht gefragt!" Ja stimmt, das wäre auch ernsthaft eine Entscheidung gewesen, deren Tragweite sie nicht verstanden hätten und die sie überfordert hätte und leider auch eine, die sie nicht treffen dürfen, durften. Was wäre denn, bei jedem Einzelnen die Alternative gewesen?

Jedes Trennungskind das ein bisschen älter ist kann darüber nachdenken, wie wäre es gewesen, in einem Raum groß zu werden, in dem Liebe, Achtung und Respekt verloren sind, indem Eltern sich nicht wollen und in dem Stimmungen von Abneigungen geprägt sind? Wäre das besser? Wäre ein Nestmodell eine Alternative gewesen, eine lebenswerte? Jedes Trennungseltern mit schlechtem Gewissen (das viel anrichtet bei den betroffenen Kindern) darf darüber nachdenken, wie die Alternative ausgesehen hätte?

Nehmen wir mich, mein Mann betrog mich, demütigte mich, wollte mit mir uns seiner Freundin zusammen leben, Tür an Tür.... pendeln, je nach Laune. Wie wäre es mir gegangen? Was hätten meine Töchter gelernt? Was hätten sie von einer Mutter mit bekommen, die sich das gefallen lässt? Ich hab drei Töchter - was wäre aus ihnen geworden? Hätte ich das gedurft - um den Preis einer intakten Familie?

Fest steht, die Töchter die mein Exmann mit aufgezogen hat, sind heute beide in der Psychatrie - welchen Anteil er daran trägt, vermag ich nicht zu sagen, aber ich nehme das wahr. Fest steht auch, mit meinem Liebsten hab ich ihnen ein Familienmodell vorleben können, so wie ich es mir erträumt hab. Ein liebevolles achtsames Verhalten im Umgang miteinander. Partnerschaft, Beziehung, Rollenbild... etwas, das mit ihrem Vater nicht möglich gewesen wäre und das, grade für sie als Mädchen, doch SO wichtig ist.

Fest steht aber auch, das viele Eltern gar nie über solche Dinge nachdenken, jeder, der hier ist, im Forum, tut das, manch einer tut sich schwer - keine Frage - aber wir lernen miteinander und voneinander. Und Eltern die einfach wirklich nur an sich denken - die richten Schaden an, ihr erzählt davon,mich macht`s betroffen, Kein Zuhören, kein Verstehen - keine Wahrnehmung der anderen Seite, natürlich hinterlässt das Spuren.... mit denen wir leben müssen. Es gibt sie, die Eltern die niemals die Paarebene verlassen und die Elternebene finden, machen wir uns nichts vor. Und nichts war in meinem Leben schwerer, als diese Ebenen von einander zu trennen, mein Ex wollte mich treffen, und ich hab so oft geweint und war erschüttert, und bin zurück getreten für meine Kinder - aber schätzen? Ihn schätzen? Nichts fällt mir schwerer..... aber als die Kinder klein waren, war er der wunderbarste Vater den ich mir für sie gewünscht habe, schade, das dieser Vater verloren ging - aber, ich glaube, er wäre auch verloren gegangen, wenn wir zusammen geblieben wären.

Eine Trennung ist immer eine Dilemmaentscheidung, es gibt keine Entscheidung die für alle gleich gut ist, keine Möglichkeit dafür - wir müssen für uns (wir Großen) das kleinstmögliche Übel wählen, aber nie wird das ohne Folgen sein und bleiben.

Und ja, Kinder haben immer ein Anrecht auf unsere Hand, das unterschreibe ich, aber - und das spielt auch eine Rolle, Teenager sollten lernen dürfen, weiter zu denken, das ict wichtig auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben und da darf die Hand auch mal zittern und zögern. Denn wir leben durch Interaktion immer, zu jeder Zeit. Es ist kein einseitiges Leben miteinander, sondern ein gemeinsames.... nur so wird es gelingen Traumen zu verarbeiten und in etwas Positives umzusetzen.

Danke für diesen Austausch
Ansa

P.S. wir sollten uns darauf einigen, das es gar kein richtig und falsch gibt, sondern nur ein Anders und uns daran versuchen, die andere Seite vorurteilsfrei zu verstehen. Es gibt nicht nur eine Wahrheit sondern viele..... Die Gesellschaft erreichen wir nicht, aber uns und um uns geht es.
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Tamara22
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von Tamara22 »

Liebe Ansa,

mein Post ist ein rein emotional entstandener Text, schmerzvoll, sarkastisch, wütend, das kam scheinbar auch an.
Was hat das bei dir gemacht?

Was bei mir ankommt ist, dass du versuchst versönliches herzustellen, Erklärungen zu liefern, warum Entscheidungen manchmal richtig sind, auch wenn sie weh tun...

Ich habe nie gesagt, dass eine Trennung nicht der beste Weg sein kann. Jeder Mensch hat das Recht sich zu binden und das wieder aufzulösen, neu zu hinterfragen, Entscheidungen zu überdenken, etwas das entschieden ist zu ändern...das Leben fordert uns gradezu ständig dazu heraus...lebendig ist das, das andere wäre starr und das will das Leben nicht sein.

Mir zeigt deine reaktion genau das was ich meinte...
Ich habe da bewußt meine kindlichen Anteile sprechen lassen, klar in erwachsener Sprache, mit einem erwachsenen Bild auf das Leben, aber diese Wut, der Schmerz, die Hoffnungslosigkeit, das ist das Kind, das Dinge erlebt hat. Und es erzeugt wieder Schutz, im erklären und versöhnen und dem Versuch komm wir finden doch einen Kompromiss, eine Lösung mit der wir beide Leben können. Und ich finde für meinen krassen Post hast du gut reagiert, das ist so ein bischen wie das brüllende Kind auf dem Boden und die Mama die mit aller Kraftanstrengung die Nerven behält, ich sehe dass du da riesen Fähigkeiten hast.

Worauf ich hinauswollte ist, dass das Aushalten von dem Schmerz, den ein Kind zeigt oder zeigen würde, wenn der Rahmen da ist, so irrsinnig schwer ist, dass da unheimlich viel getan wird, dass es nur ja wieder gut ist. Und ja Eltern wollen dass es ihren Kindern gut geht (in der Regel ist das so). Die Momente an der Seite zu bleiben, wach und mit offenem Herzen, die schmerzvoll sind, wo das Kind schreit und weint und sich windet, so das erstmal Platz bekommt und raus darf, auszuhalten, dass das etwas mit einem macht, sich als Eltern fast zerreißt und trotzdem dazubleiben, darum geht es mir.

Und das kommt so gut wie nie vor und die Gesellschaft ist da auch nicht zu zu bewegen. Da wird therapiert und behandelt und geregelt und organisiert und kontrolliert und weggeschaut, aber nicht ausgehalten,hingesehen, damit sich da was zeigen darf, damit Zeit entsteht, dass es heilen kann.

Und glaub mir Ansa, der Schmerz muss raus, er braucht einen Ausdruck, Jahre später wird mir das jetzt klar, weil ich immer das liebe Kind war, das keine Probleme hatte und das nicht laut wurde, das klargekommen ist und überlebt hat, bis heute.
Heute will ich manchmal weg sein, das wollte ich damals schon, nur dass es keiner mitbekommen hat. Heute habe ich Kinder, die mich erinnern, dass ich da sein muss, dass es einen Grund gibt warum ich hier bin und dass ich geliebt werde. Heute habe ich mir das "geschaffen", mich zur Verfügung gestellt, dem Leben mich lebendig sein zu lassen.

Und in mir nagt der Schmerz und manchmal will ich dass es einfach aufhört, das Kind müßte mal laut werden und schreien sagt meine therapeutin, sie sind viel zu nett, angesichts ihrer Geschichte weiß ich nicht wie sie das hinkriegen so verständnisvoll zu sein...


Also was macht es mit dir, das brüllende wütende Kind, wenn du ihm deine gefühle zeigen wollen würdest, damit es lernt, dass es ok ist Gefühle zu haben und dass die wichtig sind und gesehen werden und sich da jemand für interessiert und sich kümmert...damit es lernt, dass es das ausdrücken darf???

LG Tami
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Ansa
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von Ansa »

Hej Tami,

natürlich kennst Du die vier Seiten einer Nachricht, die je nachdem, beim Empfänger ankommen. Ich nehme für mich nicht nur eine Botschaft wahr, weil ich nicht erkennen kann um welche es geht.

Ich selbst spüre einen Vorwurf - "Du verstehst mich nicht" "Du nimmst mich nicht wahr" und spüre daduch "egal was ich mache, es ist niemals genug....." Ich höre auch "die Kinder sind immer die Opfer und man muss sich immer ohne wenn und aber um sie kümmern" dem mag ich bedingt zustimmen..... solange sie allein meiner Fürsorge obliegen (also klein sind) trage ich die volle Verantwortung. Ich nehme viel zu wenig wahr, das die Entscheidung die zu einer Trennung geführt hat, positiv bejaht wird, es folgt immer sofort in so vielen Bereichen ein "Aber".

"Aber Du willst doch, das es den Kindern gut geht" welche Aussage beinhaltet dieser Satz? "Aber Du musst Dich zurückstellen, wenn es um die Kinder geht" Fragt mich mal jemand, was ich alles verloren habe, aufgegeben habe? Nein, ich will nicht jammern, aber so ein wenig Anerkennung "ich sehe was Du bereits alles getan hast....." Ich habe all diese Dinge für meine Kinder getan, weil ich die Veratnwortung trage, die ich eingegangen bin und wie oft stand ich alleine da und fühlte mich so unendlich hilflos, hab geweint und gedacht, "wenn ich all das vorher gewusst hätte, hätte ich etwas anderes getan..... (ich weiß nur nicht was, weil ich den Gedanken nicht zulasse). Weißt Du, auch mit uns Großen macht so eine Trennung etwas Existenzielles.

Ein Trennungsvater, der seine Kinder nicht sehen darf, weil die Mutter irgendeinen Sch.... abgezogen hat, sagte einmal zu mir "wärest Du meine Exfrau, ich würde Dir die Welt zu Füßen legen..... ich beneide Deinen Exmann um Dich, ganz glühend." Mein Exmann aber hasst mich, er sieht nicht was ich getan habe, er nimmt es nicht wahr, egal was ich tue, er dreht es um, interpretiert es anders als ich es je gemeint hab. Wenn mich jemand fragt, wie meine Trennung gewesen ist, sag ich manchmal, wenn es jemand ist, der mich verstehen könnte "wir haben überlebt......." Du hast viel von mir gelesen, Du weißt, was ich meine.

Es geht uns doch nicht anders - und jedes Mal wenn Papa meinen Kindern weh tut, fühle ich mich schuldig, weil ich denke, wären sie bei ihm geblieben, würde er sich nicht so aufführen und dann denke ich, wären sie bei ihm geblieben, wären sie jetzt vielleicht in der Psychatrie und so bin ich zerrissen, immer noch. Jedes Mal, wenn Papa meine Kinder verletzt fühle ich den Schmerz und es könnte einfach so schön sein - ich will doch nichts mehr von ihm. Wir könnten zusammen reden, zum Wohl der Kinder entscheiden und nicht nur Differenzen aus de Weg gehen. Und immer denke ich "egal was Du alles getan hast, nie war es gut genug." Und ich höre eine Stimme die mich fragt "was hättest Du denn besser machen können? " Und ich weiß ganz sicher "Nichts!"

Der Schmerz meiner Kinder hatte immer Raum, ich bin mit meinem Studium nicht fertig, weil sie, um eines Tages in ihrem Leben frei zu sein, mich brauchten, mehr als andere Kinder. Ich hab sie immer weinen lassen um das, was verloren ging, sie aufgefangen, getröstet, ihnen Mut gmacht, und meine Große weinte noch einmal mit 20, mutlos ob der nie endenden Zankereien - und ja, das darf sie..... nie würde ich sagen "nun ist aber mal genug!" Und ich weiß sicher, das sie immer einmal wieder weinen werden, zu Recht - das ist okay. Ich würde das jedem zubilligen. Aber - nicht alle Probleme die sie in ihrer Kindheit hatten sind durch die Trennung entstanden, manchmal hab ich hier den Eindruck, dieser Teil geht allzu leicht verloren.

Nur haben sie es vielleicht leichter, weil ich sie nicht nur weinen lasse, sondern meine Gedanken dazu gebe. Wenn also mein Kind weint, wenn es Stress mit meinem Liebsten hat und schnieft "wärest Du doch bloss bei Papa geblieben, dann hätte ich jetzt keinen Streit" dann sag ich etwas dazu "Ja, das stimmt - aber glaubst Du, es gäbe mit Papa keinen Streit?" Mehr muss ich nicht sagen, aber ohne meinen Denkanstoss würde mein Kind in diesen Gedanken versinken und der Gedanke entstehen "früher war alles besser und ohne Trennung wäre alles schön......." gefährlich....

Wenn wir im Leben stehen können wir nicht immer allem nachgeben, weinen düfen ist okay, aber auch den Kopf heben und nach vorn sehen, denn da wollen wir doch hin, vom heute ins morgen. Und meine Kinder dürfen auch in 10 Jahren noch weinen, es wird gute Gründe dafür geben, wir sind noch lange nicht fertig mit all dem - aber es sollte nicht der Mittelpunkt für sie sein, mein Scheitern. Die schönen Dinge im Leben, das Gute das soll übewiegen, nicht immer aber irgendwann eines Tages unbedingt.

Ansa
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Tamara22
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von Tamara22 »

Liebe Ansa,

danke für deine Antwort, deine Reaktion...merke, dass es mich entlastet hat heute hier zu schreiben.
Weißt du ich verstehe meine Eltern, ich weiß wie es zu ihrer Trennung kam, ich sehe auch, dass beide an ihren Schuldgefühlen immer noch tragen und ich sehe, dass da immer noch Verbindung ist, die nie ganz gekappt wird, wohl auch weil es uns gibt.
Ich habe unglaublich viel übernommen, für sie getragen, bis heute ist das so, dass ich sage, es ist doch alles gut, wenn sie Zweifel bekommen, das tue ich mit Worten, mit meinem Verhalten, mit dem immer wieder hingehen, auch wenn es mir nicht gut tut.
Und ein Gefühl gibt es noch, darüber bin ich mir noch nicht so lange im Klaren, ich habe Achtung vor ihrem Mut, an dieser Stelle im Leben einen Neuanfang zu wagen. Ich weiß nicht woher sie die Kraft genommen haben. Das große Tief in meiner Beziehung hat mich an den Rand meiner Möglichkeiten gebracht, es hat mich so unendlich viel Kraft gekostet, vor allem für die Kinder weiter zu machen. Manchmal habe ich meine Mutter angerufen und sie gebeten mach mit den Kindern etwas Schönes, damit sie Spaß haben, ich kann es nicht.
Ich weiß um die Kraft, die Schmerzen und diese dunklen Momente...grade bin ich unheimlich traurig.
Diese bodenlose Trauer, die macht, dass ich weg sein will...eben hat mir mein groß-kleiner einen Blumenstrauß gebracht, eine Hand voll Gänseblümchen, nur die mit rot dran, denn die gibts nur selten, deswegen hab ich mir ganz viel Mühe gemacht Mama die zu finden, und die klein-Große kam mit einer Schramme vom Rollerfahren heim und einem neuen Verehrer, der gelacht hat als sie hingefallen ist, aber nur Mama, weil er unsicher war, weil er mich so mag...und dann hol ich tief Lust und schluck das runter, was mir die Luft nimmt zu atmen und mache weiter...
Und ja ich glaube tief in mir, dass sich das lohnt und dass es Sinn hat.

Tami
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Traum-Tänzerin
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von Traum-Tänzerin »

Liebe Tami,

nach langen Tagen, reichlich Erkenntnis und viel innerer Arbeit- ich bin gerade innerlich zu beschäftigt, finde nicht die Worte....trotzdem: ich bin hier und ich lese dich :umarmen:


Lange saßen sie dort und hatten es schwer.
Aber sie hatten es gemeinsam schwer und das war ein Trost.
Leicht war es trotzdem nicht.

Aus "Ronja Räubertochter" von Astrid Lindgren

Fühl' dich gedrückt!
An dem Tag, an dem
die Last auf deinen Schultern
unerträglich wird
und du strauchelst,
möge die Erde tanzen,
dir das Gleichgewicht wiederzugeben.
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Ansa
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von Ansa »

Liebe Tami,

Du sprichst etwas an, das mir auffällt:
Ich habe unglaublich viel übernommen, für sie getragen,
Du sagst es in einem Nebensatz..... und doch ist es unendlich viel und ja, ich erlebe es hier auch, das meine Kinder versucht haben mich zu schützen und zu stützen und - so schön es gewesen wäre - wusste ich doch, das darf ich nicht zulassen.... wir haben über solche Dinge geredet, "ich bin die Erwachsene und kümmere mich um Euch, ich schaff das, lieb das Du Dich um ich sorgst, aber lass mal...." was passiert aber, wenn Eltern dies nicht wahr nehmen?

Ich schreib einfach was ich wahr nehme - Deine Eltern haben sich nicht darum gekümmert, deshalb lässt Du sie heute teilhaben - das kann ich nachvollziehen - aber ich weiß nicht, ob es auf Dauer etwas löst? Was würdest Du Dir von ihnen wünschen? Und was kannst Du tun, wenn sich so ein Wunsch nicht erfüllt?

Es überschattet Dein Leben im Heute, ich finde das ganz tragisch - es macht mich so betroffen und ich weiß keine Lösung... manchmal denke ich (nein, nicht heute) beim Lesen solcher Dinge "Hej, wach doch mal auf und schau, wie schön Du es hast. Das hast Du geschafft, sie stolz darauf und schütze und bewahre es.... niemand kann das Vergangene ändern (schade, manchmal)" aber ich weiß wohl, das meine Gedanken nicht immer hilfreich sind....

Oder, eine andere Frage "wenn Du morgen früh aufwachst und all diese Sorgen wären weg - woran würdest Du es merken? Was wäre anders, wie ginge es Dir damit?" Kannst Du solche Gedanken zu lassen?

Und, falls meine Gedanken Dich schmerzen, sag es ruhig..... es ist nur so eine Idee -was Dir gut tut - kannst auch nur Du empfinden.

Liebe Grüße
Ansa
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Tamara22
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von Tamara22 »

Liebe Traum-Tänzerin,
ich weiß, dass dich das grade viel Kraft gekostet haben muss hier zu schreiben, danke und ja ich weiß, dass du da bist, hier und auch so,
das fühlt sich auch so an, ich danke dir!

Liebe Ansa,

an Ostern waren es zwei Jahre, seit hier so ein Umbruch war, dass es uns den Boden unter den Füßen weggerissen hat.
Ich weiß manchmal nicht wie wir das geschafft haben und es wirkt noch nach, mal mehr mal weniger.
Diese Woche hat mich emotional echt herausgefordert, so vieles das zusammenkam und im Kern ähnliche "Knöpfe" getroffen hat.
Ich weiß um die Punkte, die mich treffen und ich kann in der Regel gut damit umgehen, die hat ja jeder irgendwo.
Ich habe nicht das Gefühl, dass es mein Leben überschattet, es ist vielmehr so, dass es an manchen Ecken lauert und ich es nicht immer rechtzeitig bemerke um
da für mich zu sorgen. Das lerne ich mit jedem Mal mehr (so hoffe ich zumindest).

Meine Eltern haben es so gut gemacht wie sie konnten...sie haben ihre Geschichte und trotzdem hat es ja etwas mit mir gemacht.
Ich habe mein Leben trotzdem gut auf die Reihe bekommen und es gibt viel, das ich zu schätzen weiß und auf das ist stolz sein kann.

Mein größter Wunsch...ich will dass das endlich heilt und zwar bei uns allen, dass wir uns offen und authetisch begegnen können und da keine Löcher von Schweigen und Angst und Schuld zwischen uns liegen, die permanent umschifft werden. Diese ganzen Schutzmechanismen schaffen so eine emotionale Distanz und bei mir eine riesen Sehnsucht und ein andauerndes Suchen nach echtem Erleben von Gefühlen, spüren wie das so ist, dass ich geliebt werde und meine Liebe ausdrücken darf und ja...
ich weiß nicht. Wenn das Kind in mir "satt" wäre, dann würde ich endlich bei mir ankommen und nicht mehr bei anderen suchen. Ich könnte nein sagen zu denen die mir nicht gut tun, weil ich keine Angst haben müßte allein zu bleiben, ja die Angst wäre nicht mehr da, keine Ahnung wie sich das anfühlt...
Ein Satz meines Vaters, der ihn betraf, das weiß ich heute, der aber an mich als Kind ging und bis heute eingebrannt ist, wider besserem Wissen :
"wenn deine Mutter dich wirklich so sehr lieben würde, dann wäre sie nicht weggegangen"...
Und ich schaffe das bis heute diesen Irrglauben aufrecht zu erhalten, weil es so tief eingebrannt ist, wenn da Liebe ist, dann geht da jemand weg...weil es nicht reicht um zu bleiben.

Von meinen Eltern, hm...
Ich wünsche mir von Ihnen nichts, ich wünsche mir dass sie glücklich sind, dass ich mir da keine Sorgen machen muss, dass sie mit ihrer Entscheidung gut leben können.
Weißt total blöder Gedanke, wenn ich höre "ich habe mir das alles anders vorgestellt und gewünscht", dann höre ich zwar, dass sie es gern besser, einfacher für mich gehabt hätten, es macht bei mir aber auch "wozu dann das ganze Leid, wenn ihr nicht mal wirklich glücklich seid?"
Das ist so unfair finde ich...wahrscheinlich für uns alle.

Ja heute sitze ich an meinem inneren Abgrund, diesen Platz kenne ich gut und irgendwann steh ich wieder auf und mache etwas anderes.
Alles Liebe und danke
Tami
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MarliJo

Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von MarliJo »

Liebe Tami !

Es ist gut, dass du hier Raum gibst für verschiedenste Empfindungen und Meinungen.

Ich tue mich ein wenig schwer mit dem Titel des Threads, weil er für mich suggeriert, dass Scheidungskinder eine wahrnehmbare Identität haben, oder anders...etwas womit sich Scheidungskinder identifizieren, eben weil sie welche sind. Dabei frage ich mich, gäbe es damit auch eine Identität ADHS-Kind, eine Identität gemobbtes Kind, Identität hochbegabtes Kind...und so weiter - es gälte natürlich nicht nur für Kinder, sondern auch für Jugendliche und Erwachsene mit ihren Problemen und Altlasten.

Einerseits finde ich es richtig und wichtig, wenn man sich mit etwas/einer Personengruppe identifiziert, um sich zu orientieren, nachzuempfinden, was da dran ist an dieser "besonderen" Identität. Andererseits bedeutet Leben auch entwickeln und Raum schaffen für die ganz eigene Identität und du darfst dich fragen, wo du dazugehören, oder aber dich abgrenzen magst. Das ist deine Entscheidung und damit deine Identität. Dabei kann es nur helfen, wenn du das Kind Tami zu Wort kommen lässt, wenn es diese Wahrnehmung braucht, und dabei auch "weglaufen" oder anklagen will.

Deinen ersten Thread Identität Scheidungskind habe ich nicht gelesen, weiß nicht, was dort geschrieben wurde, welche Stimmungen da waren.
Ich finde, all die unterschiedlichen Meinungen und (schmerzhaften) Empfindungen oder Erfahrungen sind es wert, gleichberechtigt gesehen zu werden - egal ob es Scheidungskinder, Mama, Papa, neue Partner...hier wiedergeben. Und wenn sie "schräg" ist, muß sie deshalb nicht krank sein.
Schwierig finde ich es, wenn wir in einen Rahmen gepresst werden oder ihn uns gar selbst geben, denn dieser Rahmen kann nur bewirken, dass wir uns und unseren Kindern verwehren, den Spielraum zu geben, denn es zum Entwickeln braucht. Ich erlebe hier Threads immer mal wieder so, dass Unverständnis herrscht über die Meinung des anderen oder oft auch über das Verhalten von betroffenen Trennungskindern in Alltags-Situationen, die Probleme bereiten. So wie in Maxi's Thread jüngst.
Hilfreich kann es aus meiner Sicht dabei nicht sein, zu mehr oder weniger pauschalen Beurteilugen zu kommen, ob es das "typische" Scheidungskind gibt, oder eben nicht. Oder die Gesellschaft, die Trennungen heute als gesellschaftsfähig anssieht - oder eben nicht. All das hift dem individuell Beftroffenen nicht wirklich weiter, wie ich finde. Maßstab ist die individuelle Emfindung...die eiens Kindes oder eines Elternteils oder neuen Partners. Schön und wertvoll, wenn man sich da auf Augenhöhe auseinandersetzten kann, ohne zunächst einmal etwas zu erwarten.

In dieser Woche war ja in der Presse zu lesen, wie Kinder hierzulande ihre Zufriedenheit einstufen (natürlich wurden die Ergebnisse mit anderen Ländern verglichen).
Nein, es war kein besonders gutes Zeugniss und man darf sich fragen, warum Kinder hier in Deutschland überdurchschnittlich oft sehr unzufrieden mit sich und ihrer Umwelt sind...obwohl sich ganze Herrscharen (und Eltern) den Kopf zerbrechen, wie man den Kleinen doch am besten gerecht werden kann, und obwohl die Kinder doch "alles haben".
Ich persönlich glaube, dass es an einer zu großen Erwartungshaltung liegt, die Eltern oder andere "Erziehungsberechtigte" an die Kinder richten.
Allzuoft sollen Kinder heute alles verstehen, begreifen, mitnehmen und mitmachen - kurz funktionieren.
Sicher, das mussten wir auch und auch unsere Eltern und Großeltern - aber mussten sie das in dieser Bandbreite wie heute ? Und durften die Kinder früher nicht doch etwas leichter mal einfach scheitern ?
Ich glaube schon, dass einem Scheidungskind (und dieser "Titel" endet nicht unbedingt ab einem bestimmten Alter!), durch Trennung die Wurzeln arg gekappt werden, und ich glaube schon, dass es einem Kind /Jugendlichen vor diesem Hintergrund schon "egal" sein kann, ob der Papa mit seiner neuen Lebensgefährtin ein Baby bekommt. Ich finde es da eher kontraproduktiv , da die Aufmerksamkeit des Kindes zu erwarten. Und zeugt es von mangelnder Respektlosigkeit, wenn sich ein Jugendlicher mit 14 Jahren (hat ja selbst ohnenhin mit sich selbst zu tun) nicht interessiert ...oder es einfach nicht ziegen mag oder kann ?
Respekt und Achtung bedetet für mich auch, wenn ich von einem Kind in einer emotionalen Frage nur soviel abverlange, wie es leisten kann. Oder aber ich helfe dem Kind dabei, offen zu werden für neue Menschen oder Dinge in seinem Leben - im Idealfall durch Vorbild und Liebe. Das finde ich wichtig, obwohl es so verdammt schwierig ist und oft ein langer und mühsamer Weg, ..selbst in den ungetrennten Familien.
Doch am Ende glaube ich, dass dann auch ein Verstehen der persönlichen Identität des Gegenübers gelingt, wo ein Stück Augenhöhe spürbar ist.

Liebe Grüße
MarliJo

Ps: Eine Teilnehmerin aus diesem Forum, die ich sehr schätzte, hat mir eimal geschrieben >dass sich Eltern trennen, das müssen wir Kinder aushalten,.. wie wir Kinder damit umgehen, dass müsst ihr Eltern und neue Partner aushalten<.
Das bringt es für mich auf den Punkt, denn damit ist gesagt, dass jeder das Recht hat, für seine Bedürfnisse zu sorgen und in einem gesunden Maß darum zu streiten und zu kämpfen.
Tamara22
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von Tamara22 »

Lieber MarliJo,
hi, wie schön von dir zu lesen!!!
Den Titel habe ich gewählt, weil es für mich ein Anknüpfen war an meinen damaliegn Thread, völlig ichbezogen und weniger um damit etwas auszudrücken.
Es ist aber durchaus so, dass ich über das Thema Identität nachgedacht habe. Dazu gelesen habe ich z.B. dass es für Menschen schwierig ist, wenn sie einen Identitätsverlust erleben, weil ihnen eine Gruppenzugehörigkeit (z.B. zu einer Familie) weggenommen wird. Ich persönlich kenne den Satz, du bist nicht mehr meine Tochter, ich kenne das Gefühl in einem Prozeß, den ich nicht beeinflussen konnte "übriggeblieben" zu sein, mit einem haufen Fragezeichen und Selbstzweifeln und ich persönlich glaube, dass es Persönlichkeistverändernd sein kann, wenn solch ein Erleben nicht ausreichend begleitet wird. Und weil ich persönlich das Gefühl habe, dass es mich geprägt hat (das und andere Dinge auch) ist das Teil meiner Persönlichkeit, dass ich das erlebt habe, es macht mich mit aus...Identitäten gibt es für mich viele, auch in verschiedenen Kontexten, jüngst darf ich mich darauf freuen "Identität Tante" zu erleben...Rollenanteile, mit denen ich mich identifizieren kann, von denen es andere gibt, die das auch leben oder erleben.
Ich glaube der Mensch sucht nach Anschluss, es geht ihm besser, wenn es andere "wie ihn/sie" gibt.

Ich würde es nicht komplett verteufeln einen rahmen zu haben, in dem man sich bewegen kann, weil es auch heißen kann, dass du an Grenzen stößt, sie hinterfragen kannst, dich abgrenzen kannst, neu definieren, was ist dir nah und wovon magst du Abstand haben, dafür braucht es sowas wie einen Punkt an dem etwas beginnt und etwas enden kann, Merkmale, die ich erkennen kann. Z.B. was ist mir im Rahmen meiner Freundschaften wichtig und was möchte ich dort nicht haben. Und das ist für mich nicht fix, sondern hat mit dem jeweiligen jetzt zu tun, es darf sich ändern, bewegen, entwickeln und ich darf es überprüfen, für mich dient dann ein "Rahmen" lediglich als Anhaltspunkt. Und im Austausch dann als etwas an dem man sich orientieren kann, da gibt es eine Schnittmenge, da finden wir uns und da sind wir an anderen Stellen.
Also kann das irgendwie Orientierung sein, wenn ich mich dardurch nicht selbst ein- und andere aussperre oder umgekehrt.


Mein Bruder ist grade da, er wird Papa.
Für mich war das damals der Moment, in dem ich mich mit meiner eigenen Familiengeschichte auseinander setzten "mußte", so mein Gefühl. Damals nach meiner Fehlgeburt kam ich hier her...und ich merke, dass es auch mit ihm etwas macht, es war sofort Thema, indirekt...und er sagt er ignoriert das bis es soweit ist. Er hat es sich, so sagt er antrainieren müssen, dass Dinge ihn kalt lassen, was ich eines Teils bewundere und wo ich auch sehe, dass die Möglichkeit besteht, dass er Besonderes in seinem leben verpasst.
Er hat sich eine Härte zugelegt (innerlich und in seinen Ansichten), da bin ich gespannt wie das wird, wenn er sein Kind im Arm hält, wie wird das sein mit seinem emotional Distanziertsein... Mein Bruder ist damals innerlich weit weggegangen, und bis heute nicht wirklich wiedergekommen...scheinbar kann er nicht.
Und ja es macht mich traurig, dass ich gefühlt damals nicht nur meine Mutter, weil weg, sondern auch meinen Vater, der in sich verschwunden ist und meinen Bruder, der sich ausgeklinkt hat verloren habe...dableiben ist echt schwer.

Mein jetzt...ich bin hier und das Leben ist draussen, so fühlt sich das an, immer wieder und dann nehm ich meine ganze Kraft zusammen, mein inneres Kind davon zu überzeugen, dass es Anteil hat, dazugehört und ein Recht dabeizusein und dass da andere sind, es nicht allein und isoliert ist und schaffe den Rahmen in dem ich sein will...

Einen wunderschönen Sonntag wünsche ich Euch
Tami (auch so eine besondere Identität)
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von Traum-Tänzerin »

In mir ist es immer noch sehr leise, nach zwei Tagen therapeutischen Arbeit. Trotzdem ein Satz der klingt in mir nach, für mich hatte er schon ein besondere Bedeutung in dem Moment in dem ich ihn hörte und er zeigt mir auch sehr genau einen meiner verletzlichsten Lebensbereiche:

"Menschen brauchen sichere Orte, Orte der Geborgenheit!"

((http://www.traumapaedagogik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=134:broschuere-qein-sicherer-ortq&catid=25:kinder-und-jugendhilfe&Itemid=53))

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...von Elizabeth Waites

„Das Dilemma des traumatisierten Kindes besteht darin, dass Bindung lebensnotwendig und gleichzeitig lebensgefährlich ist.“
An dem Tag, an dem
die Last auf deinen Schultern
unerträglich wird
und du strauchelst,
möge die Erde tanzen,
dir das Gleichgewicht wiederzugeben.
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von Tamara22 »

Liebe TT,
das Zitat ganz unten bringt es so auf den Punkt.
Ich weiß wie sich das anfühlt.
Es ist genauso ein Ertragen wie es unerträglich ist.
Es ist leise in dir und du bist hergekommen trotzdem.


Mag einen Moment still sein weil es so gut ist, dass du da bist...

Tami
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von sonnenschein2 »

Ihr Lieben,
ich danke euch sehr für eure Worte. Ich versuche zu verstehen und zu sehen.
Auch ich als Mutter spüre noch oft die Zerrissenheit. Auch ich sehe oft, dass meine Tochter Verantwortung für mich übernehmen und mich tragen möchte. Ich versuche ich klar zu machen, dass ich für mich verantwortlich bin, dass ich es alleine schaffe.
Und ich frage mich, was brauchen meine Kinder? Was kann ich tun für sie? Ich kann die Trennung von ihrem Vater nicht rückgängig machen.
Aber was kann ich tun?
Liebe Tami und TT, was habt ihr euch gewünscht? Was braucht ihr jetzt?
Mögt ihr mir dazu schreiben?

Mit vielen nachdenklichen Grüßen
Sonnenschein2
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von Traum-Tänzerin »

Liebe Sonnenschein,

ich spüre deine Zerissenheit und ich spüre auch deine Liebe zu deinen Kindern!

Gerade jetzt geht es mir gut, nachdem ich meine gesunden Ressourcen gestärkt habe...was ich gebraucht hätte findet sich schon oben:

"Einen sicheren Ort, einen Ort der Geborgenheit!"

Ich weiß, heute habe ich diesen Ort und ich kann ihn nicht beschreiben aus Angst er könnte mir dann verloren gehen und trotzdem wusste ich ihm ersten Moment nicht mit der Nähe die er in sich birgt umzugehen. Mich hat diese Erkenntnis die ich da hatte so ergriffen, ich kann es nicht in Worte fassen....

LG TT
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Re: Identität Scheidungskind

Beitrag von Tamara22 »

Hey Ihr,
liebe sonnenschein, schön dass du da bist :-)
Ich weiß nicht...vielleicht ist es auch wirklich einfach ein Dilemma, in dem betroffene Familien stecken, denn Wunden haben da vermutlich alle davongetragen und wenn die Eltern keinen Frieden finden, wie sollen es die Kinder und umgekehrt.
Ich habe keine Lösung, was ich mir gewünscht hätte wäre gewesen ein offenes und ehrliches "wie geht es dir?" und das Aushalten und Zulassen meiner Antwort, dann wenn ich sie hätte geben können. Ich war allein mit so vielen Emotionen, Eindrücken, Ängsten und Fragen und einfach in vielen Momenten restlos überfordert und ich habe Doppelbotschaften bekommen, die mich verwirrt haben und die ich bis heute manchmal nicht sortieren kann.

Die krasseste Botschaft und das habe ich sehr eindrücklich vor einiger Zeit erfahren, war sicher "ich bin da", was nicht gestimmt hat, denn defacto war da eben keiner da.
Fühlt sich an nach, da ist keiner und hört sich an nach da ist jemand, wie soll ein Kind das verstehen?

Und das erzeugt Unsicherheit, doppelte Botschaften, versteckte Botschaften, fehlende Botschaften, das alles erzeugt Unsicherheit und wird gefüllt, im schlimmsten Fall mit etwas das gegen sich selbst gerichtet ist. Ein Kind übernimmt dann aus Liebe und interpretiert zu Gunsten der Eltern und wer hat dann Schhuld...?
Eigentlich ist so offensichtlich was da passiert und trotzdem passiert es, weil jeder in seinem eigenen Schmerz gefangen ist.

Mir hat niemand gesagt, gell es tut unendlich weh, kaum auszuhalten, ich sehe, dass es dir nicht gut geht und ich bin da und ich bleibe...

Kommt das nun daher, dass ich heute mit dem Thema dableiben und weggehen zu tun habe, dass ich Verlustängste habe, dass ich weg sein will?
Scheißegal woher es kommt es ist da, damit lebe ich und da ist in der Kindheit was ganz falsch gelaufen...leider.

Ein sicherer Ort wie TT so schön sagt heißt für mich, dass das was dort passiert wahr ist, dass ich die Realität erlebe und dabei begleitet werde und unterstützt damit umzugehen, egal was da passiert. Es gab mal eine Film über einen Vater und seinen Sohn beide kamen ins KZ, er hat seinem Sohn vorgespielt, dass das alles nur ein Spiel ist, hat aus allem ein Abenteuer gemacht und letzlich seinen Abschied inszeniert...und ich sehe die gute Absicht, diese unendliche Qual, seinem Kind so etwas nicht abnehmen zu können, es nicht schützen zu können und trotzdem glaube ich, dass es besser ist "bei der Wahrheit" zu bleiben...und das ist jetzt sicher ein sehr provokatives Beispiel.

Ich weiß bis heute nicht alles, ich kenne bis heute unterschiedliche Wahrheiten, ich habe bis heute Fragezeichen, keine Ahnung ob man das verhindern kann, ich spüre aber, dass ich verstehen und wissen will und vor allem brauche ich Antworten, damit ich weiß ob ich mir trauen kann oder mich getäuscht habe.

Tami
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