Wünsche "strenge Geborgenheit"--ist es dafür zu spät?

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Titania
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Wünsche "strenge Geborgenheit"--ist es dafür zu spät?

Beitrag von Titania »

Hallo :)

In einem anderen Thread habe ich mal von der Geschichte von meiner Mutter und mir erzählt. Darüber dass meine Mutter Alkoholikerin ist und wie das bei uns alles abgelaufen ist...
Jetzt möchte ich einfach mal etwas erzählen und mich ggf. mit euch darüber austauschen. Vielleicht gibt es ja jemanden hier, der das nachvollziehen kann.
Also: Ich bin 16 Jahre alt und lebe seit der Trennung meiner Eltern mit meiner Mutter zusammen (ca. seit 8 Jahren). Mein Vater wohnt gemeinsam mit meiner großen Schwester (20) in einer anderen Wohnung. Das zur Vorgeschichte, jetzt die eigentliche Situation.
Seit einiger Zeit bin ich mit nichts mehr zufrieden. Ich bin jetzt 16 Jahre und deshalb nach außen hin wahrscheinlich erwachsen. Aber im Inneren fühle ich mich gar nicht so! Plötzlich wünsche ich mir, dass mir jemand sagt was ich zu tun habe, einfach dass ich mal das Gefühl habe ich müsste auch jemanden hören.
Also ich bin noch nie ein "Problemkind/-teenager" gewesen, aber seit der Trennung und dem Alkoholproblem meiner Mutter musste ich immer erwachsen sein!
Nie sagt jemand: "Sei spätestens um 24 Uhr zuhause" oder "Trink nicht mehr als 5 Bier !" .
Wenn ich mal mit Freunden weg gehe, ist meine Mutter meist selbst nicht zuhause. Ich denke dann so drüber nach, dass ich es mir irgendwie wünschen würde, dass mir "ein Vater" hinterher fährt und mich abholt, weil ich nicht pünktlich zuhause bin...
Aber diese Peron gibt es in meinem Leben leider nicht. :(
Aber meine "Jugend" ist ja jetzt fast vorbei und ich werde diese "strenge Geborgenheit" wohl nicht mehr spüren. Das macht mich traurig.

Liebe Grüße,
Titania
Vielleicht kann das ja jemand nachvollziehen, oder ist in der gleichen Situation. Darüber würde ich mich sehr freuen :)
siebenzwerge
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Re: Wünsche "strenge Geborgenheit"--ist es dafür zu spät?

Beitrag von siebenzwerge »

Hallo Titania,

ich möchte Dir als erstes sagen, daß ich das einfach stark finde, daß Du ganz klar äußern kannst
wie du dich fühlst in deiner jetzigen Situation.
Wir Menschen sind doch im Prinzip so gestrickt, daß wir "alles" überspielen
und uns mit unseren Problemen, Ängsten und Sorgen nicht konfrontieren wollen.
Du bist 16 Jahre alt und möchtest das Dir jemand Grenzen aufzeigt, umsorgt werden, Geborgenheit spüren
und noch nicht "erwachsen" sein (das hast Du ja schon als Kind sein müssen, so wie Du schreibst).
Meine Eltern waren beide Alkoholiker. Am schlimmsten fand ich aber, daß meine Mama Trinkerin war.
Ich habe sie über alles geliebt, aber ihre Probleme wurden damals automatisch zu meinen Problemen und das
als ich eine kleines Kind war. Ich habe sehr darunter gelitten und war trotz der Liebe die mir meine Eltern entgegenbrachten
oft einsam. Ich hatte niemanden, mit dem ich darüber reden konnte und hab mich auch geschämt.
Das was Du fühlst, ist für mich ganz normal und ich kann Dich sehr gut verstehn.
Es ist traurig, wenn sich keiner um einen sorgt, auch dann wenn man erwachsen ist!
Weiß deine Mutter, wie es Dir geht?
Entschuldige die Frage, aber Du trinkst hoffentlich keinen Alkohol bzw. keine 5 Bier?
Meine Tochter ist 14 Jahre alt und ich bin schon ein bißle streng. Wenn ich ihr etwas verbiete oder sie um 9 Uhr ins Bett muß,
ich nicht möchte, daß sie sich schminkt, ihr Handy nach der Schule abgeben muß usw. kuckt sie mich vorwurfsvoll an
und findet es ungerecht weil Andere dürfen ja viel mehr und überhaupt......
Ich habe ihr eindringlich erklärt, daß sie es von der Seite sehen soll, daß ich mich um sie sorge und sie mir wichtig ist und ich meine Gründe dafür habe. Jetzt lese ich, wie Du dich fühlst und es zeigt mir wie wichtig es für Kinder ist, daß sie
Grenzen aufgezeigt kriegen und die "liebevolle Strenge" nötig ist.
Meinst du nicht du solltest versuchen dies deiner Mutter deutlich zu sagen, daß dir das fehlt und immer schon gefehlt hat?
Was ist mit dem Kontakt zu deinem Vater? Mir tut das immer so leid, wenn ich hier lese was Kinder alles durchleben und im Interent "Hilfe" suchen.
Kinder sollten bei ihren Eltern so umsorgt und vor Allem "beschützt" werden, daß sie "gesund" erwachsen werden dürfen bzw. können.

Liebe Titania, die Uhr lässt sich leider nicht zurückdrehen und es schmerzt, wenn man anfängt darüber nachzudenken, was man alles vermisst und auch versäumt hat, aber es macht uns eben genau zu dem Menschen, der wo wir heute sind, geprägt
von dem, was wir erlebt haben.

Es grüßt Dich
siebenzwerge
Titania
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Registriert: 20. Mai 2013 18:45

Re: Wünsche "strenge Geborgenheit"--ist es dafür zu spät?

Beitrag von Titania »

hallo siebenzwerge,
danke für deine Antwort! :)
Mir geht es tatsächlich ähnlich, ich fühle mich auch, trotz der Liebe meiner Mutter, einsam. Wenn sie getrunken hat ist sie ein anderer Mensch und ich vermisse sie in dem Moment einfach! Als kleines Kind habe ich immer versucht mir einzureden, dass sie , wenn sie betrunken ist, nicht meine Mutter ist. Sondern jemand anderes. Als wär Mama in dem Moment verreist.
Aber das hat nie geklappt...
Ja, immer das Thema mit dem Alkohol trinken. Hier gerate ich auch mit meinen Freunden aneinander. Sie kennen das ja alle nicht, sie haben alle ihre besorgten Supereltern zuhause auf dem Sofa sitzen!
Und dann schießen sie sich ordentlich ab und verstehen nicht warum ich höchstens ein Bier trinke. Gerade vor kurzem musste ein Krankenwagen anrücken, weil einer komplett voll und nicht mehr ansprechbar war.
An der Stelle denke ich dann: Was wäre eigentlich wenn ich so leichtsinnig wäre, wenn ich ins Krankenhaus gebracht werden müsste?
Bei mir würden sie keinen erreichen, der schnell ins Krankenhaus kommt um das "arme Kind" abzuholen. Nein, bei mir würden sie höchstens eine Betrunkene an die Strippe kriegen.

Mein Vater wohnt gemeinsam mit meiner Schwester in einer anderen Wohnung. Ihn interessiert das nicht so wirklich, er tut zwar gelegentlich etwas betroffen unternimmt aber eh nichts!
Wenn ich ihn besuche bringe ich meine Probleme mit und gehe mit den selben wieder nach Hause.
Die einzige Person die immer zu mir hält ist Oma. Aber die wird ja auch nicht jünger und deshalb möchte ich sie damit nicht weiterhin belasten.
Ich erzähle ihr dann einfach, wie gut es doch zur Zeit läuft. Auch wenn sie mir das nicht immer abnimmt :rolleyes:

Wenn man doch bloß offener darüber reden könnte! Aber das ist immer so unangenehm und ich habe das Gefühl, ich würde sie verraten....ich liebe sie doch so sehr!
siebenzwerge
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Registriert: 12. März 2013 16:55

Re: Wünsche "strenge Geborgenheit"--ist es dafür zu spät?

Beitrag von siebenzwerge »

Liebe Titania,

ich kann Dich wirklich sehr gut verstehn. Du schreibst Du liebst deine Mama so sehr...... ich habe mich aus diesem Grund ganz
ähnlich verhalten wie Du. Ich habe sie lange in Schutz genommen, ihr den Alkohol sogar besorgt "aus Mitleid". Sie wurde krank, trank aber weiter
und irgendwann lies sie es dann von sich aus bleiben, sie hing sehr an ihrem Leben (obwohl sie mir immer gedroht hat, sie bringt sich um). Ich hatte so ein schlechtes Gewissen. Wie konnte ich ihr den Alkohol auch noch besorgen oder ihr Geld dafür geben??????????????? Ich wußte doch, daß sie gar nicht trinken darf !!! Du siehst, ich habe meine Mama "beschützt" und auch Schuld auf mich genommen.
Titania, ich möchte Dir keine guten Ratschläge geben, wenn sie auch noch so RICHTIG sind und das der beste Weg wäre.
Nein, ich weiß um was es Dir geht und da helfen dir die gutgemeinten Ratschläge nicht weiter.
Tu mir aber einen Gefallen ! Verlier DICH SELBST bitte nicht aus den Augen ! Falls du an der jetzigen Situation nichts ändern "kannst", aus den von Dir genannten Gründen, darfst Du Dich selbst dabei nicht verlieren! Du bist ein wunderbarer Mensch und Du wirst dein Leben meistern, hoffentlich irgendwann selbst eine Familie gründen und Kinder haben und glaub mir, das ist es wert durchzuhalten und auch den Schmerz mitzunehmen den Du in Dir trägst, ihn nicht vergraben, weil man sich schämt. Ich trage ihn auch in mir, aber ich kann es inzwischen offen aussprechen unter was ich gelitten habe und als ich ein Kind war, bin ich bei meiner Mutter auch nicht auf Gehör gestoßen, so sehr ich sie auch angefleht habe. Es gibt im Leben nicht immer "Hilfe". Man muß sich oft selbst helfen und sich durchboxen. Das hast Du ja schon bewiesen, so traurig das auch ist.

Deine Mama hat ein so großes Glück dich als Tochter zu haben und so von Dir geliebt zu werden. Du würdest Dir so sehr das selbe von ihr wünschen. Gib die Hoffnung nicht auf, vielleicht kommt sie zur Vernunft, aber wie gesagt, verlier DICH nicht dabei !
Und Gott sei Dank, daß es die "Oma`s" auf dieser Welt gibt !!!

Noch etwas, ES IST NIE ZU SPÄT !!!

Sei lieb gegrüßt
siebenzwerge
Titania
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Re: Wünsche "strenge Geborgenheit"--ist es dafür zu spät?

Beitrag von Titania »

Nochmal vielen Dank für die Antwort, es tut so gut, dass ich mich hier mal aussprechen kann! :)
peter 1965
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Registriert: 5. September 2005 23:28

Re: Wünsche "strenge Geborgenheit"--ist es dafür zu spät?

Beitrag von peter 1965 »

Hallo Titania,
ich kann gut verstehen, daß Du Deine Grenzen suchst und sie nicht findest. Eine verzwickte Situation, auf der anderen Seite gewinnst Du Dein eigenes Stück Freiheit.
Sicher kannst Du das Alkohol Problem Deiner Mutter nicht lösen, aber vielleicht informierst Du Dich, wie Du damit am besten umgehen kannst. Im Internet gibt es ggf. einige Tipps.

Wie ist das Verhältnis zu Deinem Vater und Deiner älteren Schwester, vielleicht können Dir die beiden helfen ?

Wie auch immer, setze Dir Deine eigenen Grenzen und sinnvolle Regeln und halte Dich daran. So lernst Du früh Verantwortung zu übernehmen.

Ich wünsche Dir viel Glück.
Peter
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