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Allgemeines Scheidungskinder Forum - Dies ist eine virtuelle Selbsthilfegruppe für Kinder und Eltern in allen Fragen rund um Trennung und deren Folgen.
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medvědice
Eintagsfliege
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Registriert: 29. Juni 2014 18:34

Backflash

Beitrag von medvědice »

Vorweg ein paar Infos zu meinem Hintergrund: Meine Eltern haben sich kurz nach meiner Geburt getrennt. Ich habe noch einen großen Bruder. Wir haben dann bei meiner Mutter gelebt. Sie hat das alles super gemeistert, hat aber auch extrem viel gearbeitet. Im Krankenhaus, also auch nachts. Mein Vater ist schon älter. Ich schäme mich das hier von ihm preiszugebenm, aber es ist nunmal nicht unerheblich, dass er psychisch krank ist und dementsprechend nicht zu viel Beschäftigung mit meinem Bruder und mir in der Lage war. Wir haben, wenn Mama arbeiten war, den ganzen Tag vorm Fernseher verbracht. Meine Mutter ist sehr dominant, nicht unbedingt streng, aber eindeutig überfordert. Sie kann bis heute nur schwer Fünfe grade sein lassen. Sie hat nicht unbedingt gegen meinen Vater gewettert, aber die gewisse Verachtung war schon zu spüren. Als mein Bruder krank wurde waren wir alle damit überfordert. Das schlimmste war nur, dass ich niemandem davon erzählen sollte, dass er eingewisen wurde. Ich wurde dann Magersüchtig und hab auch später in Süchten Zuflucht gefunden. Meine Mutter war zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Das schlimmste ist für mich aber auch heute noch, dass es mir nicht schlechtgehen durfte! Immer wenn ich versucht habe mich und meine Sorgen mitzuteilen, bekräftigte Sie, dass ich die Stärkere sei und sowas. Ja ich bin stark dadurch geworden, aber zu welchem Preis? Ich bin dann mit 18 weg von zu Hause, weil sich der neue Freund meiner Mutter dachte, ihm stünde die Rolle eines Erziehungsberechtigten zu. Man merkt schon, dass er mich reichlich gestört hat. Mein Bruder ist dann weg studieren, und die geballte Aufmerksamkeit war für meine Fehler reserviert. Ja, ich war in der Pubertät und war unordentlich, aber gegen diese Front war ich einfach machtlos.
Heute ist die Situation wirklich befriedet und ich bin überglücklich darüber und allen geht es gut aber der Grund für meinen Beitrag ist, dass ich mich schlagartig zurückversetzt fühle in diese Zeiten, mich das lähmt und ich dauernd heulen muss. Heute ging es wieder los. Bestimmt auch nochmal gepusht vom Restalkohol von gestern Abend. Das macht mich immer so richtig anfällig. Dann kann ich nicht mehr ganz so erfolgreich darüber hinwegsehen, dass ich nicht aus geordneten Verhältnissen komme. Ich komm damit eigentlich gut klar. Ich hatte immer meine Stimmungstiefs, aber es nervt mich einfach so krass! Ich frag mich ständig, was ich falsch gemacht habe und bin zwischen bedingungsloser Liebe und Vorwüren und Hass zu meinen Eltern hin- und hergerissen. Ich fühle mich unheimlich schlecht und denke ich tue meinen Eltern unrecht. Ich bin jetzt 21 und habe echt keine Lust mehr auf dieses Theater. Ich weiß nicht wie ich das abstellen kann. Mein Selbstbewusstsein ist schon seit jeher schwach, nicht nur weil meine Eltern getrennt sind. Ich wünsche mir so sehr, dass mich das nicht mehr belastet. Ich kann es meinen Eltern aber auch nicht vorwerfen. Hat vielleicht jemand einen Rat, wie ich das Thema für mich bewältigen kann? Ich will mich auf die Zukunft konzentrieren und nicht mehr in der Vergangenheit feststecken. Danke im Voraus :)
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Ansa
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Re: Backflash

Beitrag von Ansa »

Moin Du,

willkommen bei uns.

Das Wichtigste überhaupt schreib ich mal ganz zuerst. DU HAST GAR NICHTS FALSCH GEMACHT!!!!!

Du warst ein Kind und konntest weder etwas dafür, das sich Deine Mum so einen Mann zum Vater gewählt hat, noch das etwas dafür, dass Dein Bruder krank geworden ist, noch etwas dafür, wie die Dinge sind.... Du hättest umsorgt unf versorgt werden sollen. Und ich glaub, das deine Mum überfordert gewesen ist, Verachtung entspringt einer gewissen Bitterkeit, die sich oft auch gegen einen selbst richtet. Sie hat getan, was sie tun konnte - mehr ging vielleicht nicht?

Psychische Krankheiten sind nichts, wofür man sich schämen müsste. Wenn Du im Winter ohne Schuhe raus gehst, bekommt Dein Körper eine Erkältung, wenn deine Seele friert wird die Psyche krank - das ist völlig normal und eine gesunde Reaktion - denn es heißt nichts anderes als "es reicht, mir ist alles zuviel" und nur dann kann man inne halten und einen neuen Weg finden.

Meine Jüngste war auch einige Monate stationär in der Psychatrie - sie hat dort gelernt, auf sich selbst aufzupassen und heute, mit 17 - kann sie das ziemlich gut. Sie hat auch gelernt, das sie für das Verhalten von mir, ihrem Vater und ihren Schwestern nicht verantwortlich ist und zu sagen, was sie will. Ich bin sehr stolz auf sie.

Sie liebt uns nicht bedingungslos, sondern so, wie wir sind, mit Fehlern, Schwächen und all den Dingen, die uns liebenswert machen. Wir sind alle nur Menschen. Du musst Deine Eltern nicht bedingungslos liebe, Du darfst auch sagen "DAS was Scheiße....!" (oder drück es netter aus, ich rede sonst nicht so) erlaub Dir das Gefühl, das man Dich nicht genug beschützt hat und nein, es war nicht richtig, aber vielleicht ging mehr einfach nicht?

Und die schlechte Nachricht ist, diese Vergangenheit ist Deine, Du kannst sie nicht ändern - nur versuchen, sie zu verstehen und anzunehmen. Du kannst entscheiden, was Dir wichtig ist, wie Du leben willst und welches Dein Weg ist und Du kannst Dinge verändern. Und ich würde Dir einen guten Therapeuten empfehlen, einen, der Dir zuhört und Dir hilft, Dich zu orientieren. Er kann Dich stützen und Dir helfen, Dinge zu verändern, wenn Du willst.

Vergangenheit wird man nicht los, aber man kann sie so bearbeiten und verarbeiten, das man gut mit ihr leben kann. Und, das Deine Eltern getrennt sind, ist nur ein Punkt - ich stamme aus einer sog. intakten Familie, aber was bei uns lso war, von psychischer zu pysischer Gewalt mit Misshandlungen aller Art, emotionalem Missbrauch - das wünsche ich am Ende auch keinem Kind. Heute lebe ich meine Familie und nichts von den Dingen mit denen ich groß geworden bin, hat je zu dem gehört, das ich lebe.

Erst mal alles Gute
Ansa
Sei zärtlich mit den Kindern, mitfühlend mit den Alten, nimm Anteil an denen, die sich anstrengen, sei sanftmütig mit den Schwachen und geduldig mit den Starken; denn eines Tages wirst Du dies alles gewesen sein. (nach C.W. Carver)
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