neuer Anfang nach 22 Jahren möglich?

Allgemeines Scheidungskinder Forum - Dies ist eine virtuelle Selbsthilfegruppe für Kinder und Eltern in allen Fragen rund um Trennung und deren Folgen.
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redspider
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neuer Anfang nach 22 Jahren möglich?

Beitrag von redspider »

Hallo,

meine Eltern haben sich scheiden lassen, da war ich 8 Jahre alt. Mein Vater hatte damals einfach keinen Familiensinn und hatte auch vor der Scheidung nicht wirklich viel mit uns (habe noch eine ältere Schwester) gespielt/ unternommen.
Nach seinem Auszug zwang ihn meine Mutter 3-4 mal, uns für einen Nachmittag abzuholen und mal ins Kino zu gehen o.ä.
Nachdem wir dann umgezogen sind (ca. 400 km entfernt) brach der Kontakt fast ganz ab.
Ab und zu ein Anruf, alle 5 Jahre ein kurzer Abendbesuch und fast immer drehte es sich dabei um Geld.
Seit 8 Jahren sehen wir uns ca. 1x Jahr, wenn es sich grad so ergibt, dass der ein oder andere gerade in der Gegend ist. Dabei sind diese Treffen für mich sehr nervig, da nur oberflächlich geredet wird und ich innerlich dasitze und vor Wut koche.

Jetzt bin ich 30 Jahre alt und habe meinem Vater einen Brief geschrieben, dass wir uns entweder wirklich mal ausprechen müssen oder ich den Kontakt für immer einstellen möchte.
Und nach ca. 1 Monat Stillschweigen bekomme ich jetzt von ihm Antwort, er ist zur Ausprache bereit und möchte auch wieder auf mich zugehen, aber brauch auch dazu meine Hilfe. Genau das wollte ich ja, aber ich bin jetzt total verunsichert, ob das was bringt, wie ich´s angehen soll...

Wer kennt ebensolche Gedanken bzw. hat ähnliches erlebt? Kann man nach solanger Zeit eine Art Beziehung wieder aufbauen? Wie habt ihr das geschafft?

Gruß,

Cecile
hoppel
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Re: neuer Anfang nach 22 Jahren möglich?

Beitrag von hoppel »

Hy Cecile!
Ich mache gerade das selbe durch wie du, wie du unter Wer kann mir helfen? lesen kannst. Getsren habe ich meinen Vater nach einer Antwort am Tele gefragt auf meinen Brief und es kam nur ein, da gab es was zu antworten, fand ich nicht zurück! Super, heule fast nur noch! Drück dir aber die Daumen! Alles Liebe Hoppel
redspider
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Re: neuer Anfang nach 22 Jahren möglich?

Beitrag von redspider »

Hallo Hoppel,
ja, deinen Beitrag habe ich mittlerweile gelesen. Es ist wirklich nicht einfach, so zurück gestoßen zu werden. Keine Begründung, die dürfen wir uns überlegen. Klasse, dass macht wirklich traurig und wütend.
Ich habe meinem Vater gerade eine Antwort geschickt und hoffe, dass ich mein klammes Gefühl im Bauch, mein ich-weiß-nicht-wovor-Angst im Griff habe, wenn es tatsächlich demnächst mal zu einem ehrlichen Gespräch zwischen mir und meinem Vater kommt.
Ich hoffe, ich mache das Richtige. Möchte dieses Trennungserlebnis ja verarbeiten und nicht ein Leben lang tief in mir versteckt herum tragen.
Die Frage ist nur, wie geht man das an? Möchte nicht unbedingt gleich zum Psychologen, das muss man doch auch irgendwie selbst hin bekommen, oder?

Weiß jemand ein "Strickmuster", welche Fragen man sich selbst oder seinem Elternteil stellen kann, damit man zur Ruhe kommt?

Drücke dir Hoppel, die Daumen, dass es auch für dich eine Klärung gibt.

Liebe Grüße,
Cecile
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Hammer
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Re: neuer Anfang nach 22 Jahren möglich?

Beitrag von Hammer »

Hallo
Du hast das gleiche getan wie Hoppel du bist auf deinen Vater
zugegangen ein Schritt den eigentlich die Väter machen müßten.
Darauf könnt ihr beide stolz sein.
Das du jetzt etwas Angst hast ist normal denn du weißt nicht
wie es ausgeht.Es fehlen euch auch ein paar gemeinsame Jahre
die sich auch nicht nachholen lassen.
Im Gegensatz zu Hoppel bist du schon einen Schritt weiter dein Vater
ist bereit für eine Aussprache.Der von Hoppel stößt sie ständig
weg,was eigentlich zeigt was es für ein Vater ist.Was für Fragen
man stellen soll ist schwierig.Erzähle von deinem Leben und laß ihn
erzählen,dann ergibt es sich von allein.
Ihr könnt die Zeit nicht zurückdrehen aber iihr könnt neu
beginnen.
Viel Glück
hammer

Hoppel dir wünsche ich ganz sehr das dein Vater seine Meinung
doch noch ändert.
Alles Liebe
hammer
Kinder sind nicht unser Eigentum,
wir haben "nur" das Glück sie auf
IHREM WEG zu begleiten.
Volker
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Re: neuer Anfang nach 22 Jahren möglich?

Beitrag von Volker »

Hallo Cecile,

ich bin nun 29 und habe vor fünf Jahren beschlossen, die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen und bin auf meinen Vater zugegangen. Meien Eltern haben sich getrennt da war ich fünf, seit ich acht bin hatte ich eigentlich keinen Kontakt mit meinem Vater.
Was mir sehr geholfen hat zu dieser Entscheidung war ein Gefühl, nichts zu verlieren zu haben. Ich wollte neu beginnen, dazu musste ich erstmal gefühlsmäßig soweit sein, dass ich meinem Vater vergeben konnte, dass er so gehandelt hat, wie er es tat und eben nicht auf mich zuging. Wie hammer schon gesagt hat, fehlen auch ein paar Jahre die sich nicht nachholen lassen; ich fand es schon seltsam, auch fremd, nach so langer Zeit auf meinen Vater zuzugehen.

Heute ist der Kontakt mit meinem Vater immer noch sporadisch, aber ich bin froh, meinerseits die Steine aus dem Weg geräumt zu haben. Es gibt mir ein ungemein gutes Gefühl von Selbsrverantwortung nicht auf Taten von meinem Vater gewartet zu haben, sondern selbst aktiv geworden zu sein. Egal, wie seine Reaktion ausgefallen wäre, ich habe den Teil, den ich beeinlussen kann beigetragen.

Ansonsten habe ich über die Jahre durch andere Nahestehende Personen "Vater" getankt und erlebt, mache zur Zeit ein einjähriges Männerseminar, bei dem ich viel "Vater" nachholen und ausprobieren kann. Ich denke auch auf dieser symbolischen Ebene ist es wichtig "väterliches" zu erfahren und auch Frauen brauchen die Auseinandersetzung mit dem väterlichen Prinzip.

Alles Liebe
Volker

Es ist unglaublich, wieviel Kraft die Seele dem Körper zu leihen vermag. (W. v. Humboldt)
hoppel
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Re: neuer Anfang nach 22 Jahren möglich?

Beitrag von hoppel »

Hallo Cecile!
Ich kann mich Volker nur anschließen. Ich habe auch vor Psychologen heiden Respekt und will da nicht hin. Bei mir war es der Beratungslehrer an meiner Schule, der mir hilft. Du bist älter als ich und vielleicht schaffst du es allein, ich hatte dazu nicht die Kraft, obwohl ich es mir lange eingeredet habe. Das war aber mehr als falsch. Ich habe den Versuch gestartet, weil ich mir gesagt habe, dir geht es noch schlechter, wenn du jetzt was verpasst die Chance, du wirst es berreuen und verlieren kann ich nicht. Das ich dabei nur auf meine Klappe fliege sollte dich aber nicht abschrecken! Nach Sonntag, wollte mein Vater mich ja Montag anrufen, wo er mich nicht erreicht haben soll und ich nur seinen Anrufbeantworter dran hatte. Heute Mittag dann rief er an, wir haben erst über meinen dummen Computer gesprochen, der ist kaputt, und dann habe ich ihm gesagt ich hätte oft das Gefühl er wolle keinen Kontakt. Seine Antwort war doch ja, aber weil ich mein Handy nie anhabe könne er nur mit Philip regelmäßig Kontakt haben. Schuldfrage war also geklärt, auch wäre ich zu oft beschäftigt. Auf mein weiteres Fragen, ob er sich denn häufiger kümmern könne, sagte er auch ja schon er könne sich ja öfter melden und Essen gehen, nur wir ( ich und mein Bruder)hätten ja nie Zeit! Super freundlich. Ich werde also nur enttäuscht, aber einen Versuch ist es immer wärt. Vielleicht lerne ich so irgendwann die Entscheidungen meines Vaters zu akzeptieren,auch wenn ich das momentan nur in weiter ferne sehe! Viel Glück! mfg Corinna
redspider
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Re: neuer Anfang nach 22 Jahren möglich?

Beitrag von redspider »

Hallo Ihr Lieben,
habt vielen Dank für eure Anteilnahme und Tipps. Ja, es tut gut zu hören, dass ich ja schon einen entscheidenen Schritt getan haben, nämlich auf meinen Vater zu zugehen.
Was mir auch aufgefallen ist, durch den Beitrag von Volker, mir fehlt ein wenig der väterliche Ersatz. In meiner Jugend und auch jetzt war und ist niemand, der mich ein wenig anleiten könnte...außer mein Mann. Mit ihm bin ich bereits 11 Jahre zusammen, seit 4 Jahren verheiratet und er ist nur 3 Jahre älter als ich...erstaunlich...wenn ich down bin, dann versteht er es die Dinge von der positiven Seite zu zeigen. Danach weiß ich dann gar nicht, warum ich fertig war, denn es steckt in jeder Situation wirklich auch was, das einen weiterbringt.
Werde also das Gespräch mit meinem Vater suchen, versuchen ihn kennenzulernen, denn er ist mir wirklich fremd geworden und ihm von mir erzählen. Was danach kommt, who kowns?

Es ist wirklich gut auf sich selbst stolz zu sein, weil man weiß, dass man alles tut, damit man selbst besser leben kann, egal wie die Eltern reagieren. Man selbst hat wenigstens agiert!
Danke.

Lieben Gruß
Cecile
Volker
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Re: neuer Anfang nach 22 Jahren möglich?

Beitrag von Volker »

Hallo Cecile,

ich freue mich darüber, wie du meinen Beitrag aufgenommen hast. Ergänzend möchte ich noch sagen, dass wir alle mütterliche und väterliche Seiten haben, manchmal ist eine Seite weiter wie die andere aber letztlich braucht es beide "Pole". Durch unsere mütterliche Seite wissen wir, dass wir bedingslos lieben können; uns und andere und die väterliche Seite nimmt uns in die Verantwortung: zieht Konsequenzen, bildet Regeln und Gewissen aus, schafft Klarheit und Orientierung. Wenn beide Seiten in Kontakt miteinander sind, dann können wir fliessen. Geht uns dieser Kontakt verloren oder denken wir, dass sie uns gar fehlt, dann wird es schwierig... schön, dass Du einen Menschen gefunden hast, mit dem Du dich ergänzen kannst.

Viel Glück wünsche ich Dir mit Deinem Vater, es gibt sicherlich eine Menge zu entdecken...
Volker

Es ist unglaublich, wieviel Kraft die Seele dem Körper zu leihen vermag. (W. v. Humboldt)
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