Spätfolgen der Trennung hauen mich um - Hilfe

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Spätfolgen83
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Spätfolgen der Trennung hauen mich um - Hilfe

Beitrag von Spätfolgen83 »

Hallo zusammen,

dies ist mein erster Beitrag in dieses Forum und ich würde mich sehr über Ratschläge eurerseits freuen. Kurz zu mir, ich bin männlich, 31 Jahre alt und gerade mit einigen Spätfolgen der Trennung meiner Eltern konfrontiert.

Meine Eltern haben sich getrennt, als ich 12 war, die letztendliche Scheidung erfolgte ein paar Jahre später. Die Ehe meiner Eltern lief eigentlich selten harmonisch ab, es gab viel Streit, mein Vater hat getrunken, unregelmäßig gearbeitet und ist meiner Mutter fremdgegangen. Ich als Kind habe immer unterschwellig gespürt, dass ich keine wirkliche Basis habe und die Ehe meiner Eltern auf sehr wackeligen Beinen steht.

Ich habe vieles vom Stress mitbekommen, habe zeitweise meine Mutter am Boden erlebt und sie getröstet, rückblickend war das viel zu viel für mich als kleines Kind. Zudem war er oft cholerisch, es hat viel und teils heftigen Streit (ohne Schläge) gegeben.

Mein Vater hat von zuhause nicht viel mitbekommen, (waren 5 Geschwister, also Vernachlässigung und dazu auch Schläge). Er hat seine Probleme zeitlebens in Alkohol ertränkt, hat nie kontinuierlich etwas auf die Beine gestellt bekommen und ist seiner Vaterrolle zu selten gerecht geworden. Dafür hasse ich ihn.

Ich komme eigentlich aus dem Nordwesten Deutschlands, habe aber viele Jahre meines Lebens glücklich in Baden-Württemberg gelebt. Hatte dort einen großen Freundeskreis und auch die Erinnerung an die intakte Familie. Ich bin in meinem Leben aber bereits jeweils 2x zwischen NRW und BaWü hin und hergezogen, fühle mich dadurch auch immer zwischen den Stühlen, nirgendwo wirklich zugehörig, aber am ehesten wohl noch in BaWü.

Ein Jahr vor der Trennung sind wir - auf Wunsch meines Vaters - von BaWü nach NRW zurückgezogen, danach haben sich meine Eltern getrennt und mein Vater ist wieder zurück nach BaWü gegangen. Gerade in dieser Zeit des Heranwachsens, in einer neuen Umgebung und nach der Trennung meiner Eltern hätte ich meinen Vater dringends gebraucht. Da saß ich nun und hatte gefühlt alles verloren. Das ging alles zu schnell, um es zu verarbeiten.

Konnte den Verlustschmerz nie zeigen, habe funktioniert, bin selbst in die Vaterrolle geschlüpft und hatte keine Zeit, mich um mich selbst zu kümmern. Das bereue ich heute, denn nun kommen alte, unverarbeitete Erfahrungen hoch. War auch nie unbeschwert seit diesen Tagen.

Einige Erlebnisse aus der Kindheit habe ich - rückblickend - nicht verarbeitet (Streiteren meiner Eltern) und würde das schon als Trauma beschreiben. Dabei dürft ihr nicht falsch verstehen, grds. habe ich zu meinem Vater ein gutes Verhältnis, aber ich habe ihm nie diese Wut, diesen Hass ins Gesicht gesagt. Ich merke aber, dass ich es tun muss bzw. rauslassen muss, damit ich meinen Seelenfrieden finde.

Nun sitze ich hier, habe gerade nochmal ein Studium (bin wieder nach NRW zurück gezogen) aufgenommen und die Dinge, die hochkommen, vermasseln mir gerade den Einstieg. Das Studium ist mir sehr wichtig, damit wollte ich eigentlich wieder in die richtige Spur kommen. Ich würde mich daher sehr über ein paar Ratschläge freuen.

Mir gehts grad sehr schlecht damit, da ich große Angst vor der Zukunft habe und mich gerade frage, ob es wirklich richtig war mit dem Studium und wie es weitergeht.

Danke schon mal an alle, die bis zum Ende gelesen haben, ich freue mich über jede Antwort und gebe gerne noch weitere Auskünfte.
Vielleicht kann mir jemand einen Ratschlag geben oder hat Ähnliches erlebt oder verarbeitet.

Grüße
Spätfolgen83
m, 31
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Ansa
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Re: Spätfolgen der Trennung hauen mich um - Hilfe

Beitrag von Ansa »

Hallo und herzlich Willkommen bei uns,

ich glaube, solche Lebensgeschichten holen uns immer wieder einmal ein, besonders, wenn es, so wie bei Dir, wohl dazu gekommen ist, dass das Kind die Verantwortung für die Großen übernommen hat und nicht umgekehrt.

Das ist etwas, das Kinder nicht tragen können, auf Dauer. Es sind die Eltern, die ihre Kinder auffangen und tragen sollten und nicht umgekehrt. Ich finde Deine Wut und Deinen Ärger sehr berechtigt. Vielleicht kannst Du Dir vorstellen, sie Deinen Eltern einmal zu sagen? Eltern glauben viel zu oft, das es ihren Kindern gut geht, einmal weil sie sich das wirklich wünschen und dann auch, weil sie es glauben - wollen und die Kinder dazu schweigen oder lange lange still halten.

Schau auf Dich, was wünscht Du Dir? Was ängstigt Dich genauer, kannst Du das in Worte fassen? Zuhause ist für mich dort, wo ich lebe, egal ob hier oder in Schweden oder bei meinem Liebsten, zu Hause ist nicht an einen Ort gebunden, für mich nicht. Schau mal hin, wo Du Dich wohler fühlst?

Erst einmal viele Grüße
Ansa
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Spätfolgen83
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Re: Spätfolgen der Trennung hauen mich um - Hilfe

Beitrag von Spätfolgen83 »

Hallo Ansa,

vielen Dank für deinen Beitrag.

Ich habe gernerell zu wenig über meine Gefühle gesprochen, im Nachhinein muss ich sagen, dass ich es früher hätte tun sollen. Eigentlich kennt mich kein Mensch so wie ich wirklich bin, bin nach aussen hin immer der ruhige, überlegte, freundliche. Musste halt funktionieren und habe nie im Leben das Gefühl einer Basis (wg Scheidung der Eltern) gehabt, sodass ich mich früher auch nie getraut hätte, zu rebellieren.

Aber ich habe ein soziales Umfeld, in allen Städten in denen ich wohnte Freunde und auch meine Eltern sind wieder in meiner Nähe. Bin nur grad am gefühlten Nullpunkt angekommen, wo ich das alles erkenne, mit allen gut auskomme und nur diesen "unberührten Klumpen" Wut und Hass in mir trage und nicht weiß wohin da mit.

Viele Dinge nicht verarbeitet und auch "Altlasten", die ich mit in Beziehungen genommen habe die dann gescheitert sind oder aus denen nicht mehr geworden ist.

Ich könnte grundsätzlich mit meinen Eltern darüber reden, insbesondere mein Vater ist immer gesprächsbereit (beste Voraussetzungen also). Das Schwerste ist für mich nur, dass ich meine Wut und auch Hassgefühle in die richtigen Bahnen lenken muss.

Könnte Amoklaufen, aber ich will mir nicht noch mehr gefährden oder kaputt machen (Studium, Beziehungen...).

Danke nochmals für deine Antwort, freue mich auf weitere Ratschläge/Meinungen.
Grüße
Spätfolgen83
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Ansa
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Re: Spätfolgen der Trennung hauen mich um - Hilfe

Beitrag von Ansa »

Guten Morgen,

na ja, es ist meistens so, das Kinder wenig bis nicht über das sprechen, was sie in einer Trennung bewegt, viele erleben ihre Eltern am Rande ihres Selbst und "glauben" sie dürften dem sichtbaren Kummer keinen mehr hinzu fügen und geben sich allergrößte Mühe, den Eltern keine Sorgen zusaätzlich zu machen. Sie fangen auf, sie tragen, sie übernehmen, sie denken nicht an sich - weil sie das nicht können. Das alles meine ich mit,sie übernehmen die Verantwortung obwohl das die Aufgabe der Eltern sein sollte.

Heute bist Du erwachsen und weißt bestimmt, das Eltern das nicht immer in jeder Situation können, aber das ist kein Trost und auch kein Niedermachen Deiner Gefühle von damals.

Mir macht die unterdrückte Wut ein wenig Angst, Wut selbst ist heilsam..... sie ist ein guter Schritt auf dem Weg der Verarbeitung, aber ich weiß nicht, ob das allein, ohne Gespräche, ohne Beistand und unvoreingenommener Hilfe zu bewältigen ist? Dafür weiß ich zu wenig und kann die Intensität Deiner Gefühle natürlich auch nicht einordnen.

Leider ist es wohl so, das hier nur noch wenige schreiben.... und ich meist allein bin mit meiner versuchten Hilfestellung. Nicht immer treffe ich für jeden den richtigen Ansatz - von daher, ich bin hier, aber ich hab keine allegemeine Lösung.

Gibt es denn etwas, das Du Dir wünschen würdest? Hast Du denn gute Freunde, die auch mal in dunklen Stunden mit Dir sind und Dir zuhören? Ich finde es bei guten Freunden wichtig, das für solche Dinge Zeit ist und das man ernst genommen wird. Ansonsten würde ich Dir wirklich empfehlen Dir Hilfe vor Ort zu suchen, Familienberatungsstellen sind die ersten Anlaufstellen, sie sind neutral und vor allem stehen sie nicht im Freundeskreis und in der Nähe, aber sie bieten Gespräche und vielleicht gute Lösungsansätze und können auf Dich reagieren und helfen.

Ansa
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Re: Spätfolgen der Trennung hauen mich um - Hilfe

Beitrag von Spätfolgen83 »

Hallo Ansa,

du triffst mit deiner Analyse genau meinen Nerv.

Ich selbst habe schon etwas Angst vor meinen unterdrückten Gefühlen, verspüre immer öfter den Wunsch und die Notwendigkeit, da dran zu gehen. Über die Inanspruchnahme von Hilfe denke ich aktuell auch regelmäßig nach.

Ich habe viele tolle Leute in meinem Umfeld, doch auch da tue ich mich schwer, mich zu öffnen, obwohl es grundsätzlich wohl möglich wäre.

Habe auch früher in meinem Leben bereits eine Therapie gemacht, jedoch muss ich sagen, dass ich damals einfach gesagt noch nicht reif dafür gewesen bin. Habe die Möglichkeiten nicht so angenommen, wie ich es sollte und hätte auch eine andere Art der Therapie gebraucht aber es auch besser annehmen sollen. Rückblickend wäre mehr möglich gewesen, das bereue ich auch...

Das schlimmste ist aber, dass ich nie gelernt habe über meine Gefühle zu sprechen. Ich war als Kind immer sehr sensibel und hätte eine intensivere Betreuung gebraucht als viele andere, zumindest in den ersten Lebensjahren. Dann hätte sich das schon alles von selbst geregelt. Aber das Umfeld war nicht so da und meine Eltern haben dann auch ein paar falsche Entscheidungen getroffen, mit denen ich mich heute noch schwer abfinden (bzw. ich Ihnen verzeihen kann). Glaube, dass das ein oder andere Traume dabei ist.

Mein größter Wunsch ist es eigentlich eine Familie zu haben, aber ich habe in den letzten Jahren zu wenig getan, um dieses Ziel zu erreichen. Auch wenn ich erst 31 bin und mir eigentlich alle Türen offen stehen, fühlt es sich im Moment nicht so an.

Grüße
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Ansa
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Re: Spätfolgen der Trennung hauen mich um - Hilfe

Beitrag von Ansa »

Hallo Spätfolgen,

Du musst nichts bereuen - wenn Du damals noch nicht so weit warst - hättest Du nicht anders handeln können. Grade für die Aufarbeitung von einem Trauma braucht es nicht nur die Zeit sondern vor allem eine innere Bereitschaft und ohne diese - ist eine Therapie vielleicht hilfreich, aber nicht erfolgreich. Wenn Du sie nun verspürst, geh auf die Suche nach einer Therapie, mit der Du Dich wohl fühlst.

Vermutlich weißt Du, das solche Suchen dauern können, zumindest in unserer Gegend wartet man allein auf Ersttermine mitunter ein halbes Jahr und wenn einem dann der Theraput unsympathisch ist oder man keinen Weg zu ihm findet, sucht man erneut.

Aber mach Dir keine Vorwürfe, das Du damals mehr hättest tun können - ich möchte meinen, das hättest Du eben nicht. Das sind so Gedanken, wenn ich doch nur...... aber das Wissen von heute hatte man damals doch nicht, wie hätte man sich anders entscheiden können? Ich finde diesen Ansatz sehr wichtig, die Frage nach der Vergangenheit und vor allem auch, nach den Alternativen, die es gab oder gegeben hätte. Wenn Dic etwas gehindert hat, Dich auf die Therapie ganz einzulassen, dann war es einfach nicht der richtige Zeitpunkt. Und das darf auch so sein, egal ob Hemmungen, Ängste oder andere Dinge - jedes hat seine Zeit.

Ein guter Therapuet wird Dir helfen, Deine Gefühle wieder zu finden, das wird sowohl schmerzhaft sein und auch befreiend und am Ende sollte es ein gutes Gefühl hinterlassen. Du weißt bestimmt, dass das ein langer Weg ist, aber wenn Du auf dem Weg bist, ist es ein guter Weg. Solche Erfahrungen brauchen, auch wenn es niemand gern hört, manchmal Jahre - aber wenn man sie annehmen kann und sich selbst verzeiht, kann man auch in kurzer Zeit ein Stück voran kommen.

Die Vergangenhiet ist unveränderlich, aber für den Weg nach vorn, Deinen Weg - da lohnt sich jeder Schritt. Und wenn Du gute Freunde hast, bist Du auch nicht allein, das ist wichtig, niemand kann nur mit sich arbeiten - aber wenn es nötig ist und man es nicht tut, nimmt das einen breiten Raum ein. Familie und Kinder, ich verstehe Dich sehr gut - aber glaub mir, das kommt - wenn Du dafür bereit bist und offen..... Noch ist Zeit genug.

Liebe Grüße
Ansa
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