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Das nenne ich Erfolg.

Verfasst: 10. Juli 2012 10:52
von Girl-Soccer
Hallo, ihr Lieben :)

Lange ist es her, dass ich hier richtig aktiv war und es ist viel passiert in meinem Leben.
Hier möchte ich euch davon erzählen, denn es ist rundum eine Erfolgsgeschichte.

Ich glaube, das letzte Mal so richtig aktiv, war ich gegen Ende 2009.
Dann kam mein halbes Jahr in Kanada.
Meine Eltern, die sich zu der Zeit sehr gut verstanden, weil mein Vater krank war und sich meine Mutter in ihrer Selbstlosigkeit kümmerte, brachten mich gemeinsam zum Flughafen, es war ein seltsamer Abschied.
Und dann kam eine Zeit, die rundum seltsam war.
In wenige Worte kann ich es gar nicht fassen.
Anfangs war es sehr schwierig, ich stotterte viel stärker als sonst, ich hatte Schwierigkeiten mit der Sprache, ich traute mich nicht auf meine lieben Klassenkameraden zuzugehen. Doch ich lernte von Anfang an viel. Ich lernte mich selbst kennen, stellte alles meines bisherigen Lebens und Denkens in Frage und baute mich Stück für Stück neu auf. Ich genoss die irre Landschaft und Natur, die frische Luft und die vielen Nachmittag, die ich mit meinem kleinen Gastbruder gespielt habe, noch heute vermissen wir uns gegenseitig ständig.
Doch in der Zeit, die ich dort war, vermisste ich nichts und niemanden. Und am wenigsten meinen Vater. Ich merkte, wie gleichgültig er mir geworden war.
In der Zeit dort, beschloss ich, zum nächsten Schuljahr hin auf jeden Fall die Schule zu wechseln, denn ich hatte mich so sehr verändert und hatte so große Angst, dies nicht in mein altes Leben integrieren zu können, also beschloss ich, einfach ein neues zu machen. Also suchte ich mir, sobald ich wieder in Deutschland war, die nächstbeste Schule mit gutem Ruf in der nächsten größeren Stadt und brach den Kontakt zu allen ehemaligen Klassenkameraden und Freunden ab.
Der Sommer bis zum nächsten Schuljahr war hart, ich hielt mich über Wasser mit einem Kumpel, mit dem ich zwar nicht so super, aber etwas auskam, hockte viel zu Hause und vermisste mein Zuhause in Kanada.
Dann kam der erste Schultag und ich war tierisch nervös. Aber ich schaffte es. Ich schaffte es, von Anfang an auf die Leute zuzugehen, ich fand sofort Freunde.
Das war bisher eines meiner größten Erfolgserlebnisse überhaupt und ich zehre immer noch davon.
Die Zeit an der neuen Schule war einfach nur toll. Ich wurde endlich als die angenommen, die ich bin und nicht als die, die die anderen aus mir machten, oder die, die ich mal vor langer langer Zeit war. Ich war nicht mehr das schüchterne Mädchen, das als Kind lieber Jungsklamotten anhatte und sich in Gruppendiskussionen nicht durchsetzen konnte, von allen Schülern und Lehrern maßlos unterschätzt wurde und deshalb die schlechteren Noten abbekommen hat,
sondern ich war genau die, die ich war: neuerdings selbstbewusst, verbunden an eine neue Heimat in Kanada (so sehr, dass manche dachten, ich käme wirklich daher), klug und ehrgeizig, sodass die Gruppenaufgaben gerne an mich abgegeben wurden und ich sie mit Freude bearbeitete, und ja, auch ich war diejenige, die sich freiwillig dann mit dem Ergebnis vor die Klasse stellte und es vorstellte, egal wie viel Ergebnis wir hatten, ich stand immer souverän vor den Leuten, die ich noch nicht sehr lange kannte, trotz leichtem Stottern.
Niemand kannte meine Lebensgeschichte und ich teilte sie nur mit wenigen, denen ich sehr vertraue.
Und plötzlich brachte ich auch die langersehnten guten Noten heim, ohne mehr Aufwand betrieben zu haben, einfach nur dadurch, dass mich endlich auch die Lehrer genauso gesehen haben, wie ich bin.

Mit meinem Vater traf ich mich spontan, bis es mir endgültig zu blöd war, seine Jammereien mir immer anhören zu müssen.
Ich brach den Kontakt nicht vorsätzlich ab, sondern meldete mich einfach statt selten gar nicht mehr und ging auch nicht mehr vorbei.
Ich hatte kein Bedürfnis, ihn zu sehen und er meldet sich von sich aus sowieso nie.
Kürzlich habe ich ihn auf der Straße getroffen und ich war mal wieder erschrocken, wie klein er mir vorkam.
Ich habe mich ihm selbstbewusst präsentiert, ihm gezeigt, dass es mir gut geht, ihn nicht an mich herangelassen und war trotzdem überaus freundlich, als sei es das normalste der Welt, den Mann, der seine Familie schikaniert, mit äußerster Freundlichkeit zu begegnen, wenn man sonst gar keinen Kontakt sucht.
Und ja, ich hatte Spaß daran.

Und durch alles, was der Schulwechsel so mit sich gebracht hat, hat sich auch noch etwas anderes gedreht: Mein "ewiges" Singledasein fand ein Ende.
Ein unglaublich toller junger Mann in meinem Alter, mit dem ich total auf derselben Wellenlänge bin.
Wir haben ein gemeinsames Wertefundament, gleiche und jetzt gemeinsame Lebens- und Zukunftsvorstellungen und können einfach alles gemeinsam machen, es wird nie langweilig und wir gehen uns auch nie auf die Nerven.
Und das, obwohl unsere Familiengeschichte eine völlig andere ist:
Seine, ist die wie aus dem Buche. Das, was ich früher abfällig "Heile Welt" genannt habe. Das, bei dem ich früher nicht dachte, dass ich mit klarkommen würde.
Ich dachte früher immer, ich könnte nur mit Menschen, die selbst übles erlebt haben. Doch das hat sich als komplett falsch herausgestellt, zumindest soweit, als dass ich mit Menschen die nichts schlimmes erleben mussten, oder nicht "kaputt" sind, sehr gut auskomme, seit ich selbst nicht mehr "kaputt" bin, seit ich selbst zwar manches Mal blödes erlebe, mich aber damit soweit abgefunden habe, soweit damit umgehen kann, dass es mich nicht einmal mehr umwirft.
Und falls doch etwas kommt, was mich umwerfen könnte, hat der hübsche junge Mann an meiner Seite schon am Anfang unserer Beziehung bewiesen, dass er mich hält. Meine Mutter und ich mussten nämlich als Spätfolge des Scheidungskrieges meiner Eltern aus der geliebten großen Wohnung umziehen, in etwas viel kleineres, was ziemlich schwierig für mich war. Da hat mein Freund mir gleich von Anfang an gezeigt, wie sehr er für mich da ist. Er ist die größte Stütze, die ich je hatte und ich versuche, ihm die seine zu sein. Seit wir uns haben, haben wir nicht nur gemeinsam schwieriges durchstanden, sondern viel viel mehr wunderschöne Tage gemeinsam gehabt. Und gleichzeitig war ich sofort in seiner Familie selbstverständlich zugehörig. Das war etwas völlig neues für mich und tut mir sehr gut.

Ich habe lange daran gezweifelt, inwiefern Scheidungskinder später selbst eine funktionierende Beziehung und eine heile Familie auf die Beine stellen könnten,
doch nach meinen bisherigen eigenen Erfahrungen würde ich folgendes sagen:
Eine Scheidung der Eltern hat sicherlich oft Einfluss auf die Beziehung und Beziehungsfähigkeit im späteren Leben. Doch inwiefern, kann man sehr gut selbst beeinflussen. Wichtig dabei ist vor allem, dass man selbst die Scheidung der Eltern ganz verarbeitet und verstanden hat und zusätzlich nicht vergessen hat, wie eine funktionierende Beziehung aussieht, dass man sich Ideale und Werte bewahrt. Wenn man diese hat, kann man an sich selbst arbeiten und sich in einer Beziehung das erarbeiten, was man möchte und sich auch an die Person binden, die dies vermittelt.
Was mich angeht:
Ich habe es geschafft.
Ach und ich schwebe weiter auf Wolke 7 durch den Himmel der Liebe :kopftanz: :springen: :cool:

Wenn jemand in Sachen Beziehung als Scheidungskind ähnliche oder andere Erfahrungen gemacht hat, ich bin gerne bereit, darüber zu diskutieren.

Liebe Grüße von Girl-Soccer

Re: Das nenne ich Erfolg.

Verfasst: 10. Juli 2012 13:42
von Ansa
Liebe Girl Soccer,

wie schön, so viele tolle positive Dinge von Dir zu lesen und DU hast das geschafft.... Du für Dich....

Ich weiß, es ist immer schwer, ein Trennungskind zu sein - aber - und Du zeigst uns das - Du hast es auch selbst in der Hand, die Dinge anzunehmen, wie sie sind und zu verändern.... Du alleine kannst die Dinge anders betrachten, weil Du eine Wahl hast. Ich glaube nach wie vor, das Trennungskinder, werden sie gut begleitet, eine Chance haben, aus der Trennung gestärkt hervor zu gehen.

Verliere den Glauben nicht, ich glaube, er ist das allerwichtigste, das uns hält und vorwärts bringt. Lass nicht zu, das andere Dein Leben derart beeinflussen, das Du nciht mehr weißt, wo Du hin willst und behalte Dir dieses Gefühl, denn ich glaube, es ist lebenswert, ganz bestimmt.

Ich freue mich so sehr mit Dir
Ansa

Re: Das nenne ich Erfolg.

Verfasst: 11. Juli 2012 11:53
von Girl-Soccer
Danke, ihr beiden :)

Ja, ich denke auch, dass man vor allem durch schwierige Situationen stark wird.
Deshalb kann ich alles, was ich erlebt habe, auch mit meinem Glauben an einen guten Gott vereinbaren.
Denn ich glaube, ich habe das alles so erlebt, damit ich genauso herauskomme.

Nach langem Überlegen, was ich denn studieren möchte, habe ich mich jetzt endgültig für Kulturwissenschaft entschieden.
Falls ich da nicht reinkomme, schreibe ich aber auch noch für anderes Bewerbungen, darunter Lehramt.
Und bis ich dann studiere, genieße ich den langen Sommer :)

Girl-Soccer

Re: Das nenne ich Erfolg.

Verfasst: 12. Juli 2012 08:56
von Ansa
Liebe Girl-soccer,

einen langen Sommer hast Du dann auch redlich verdient, finde ich.... genieße die Zeit bis zum Studienbeginn.

Wenn ich so zurück blicke, auf all das was einmal war, dann weiß ich wohl, das ich dadurch gelernt habe, die Dinge auszuhalten und das ich es in der Hand habe, wie ich damit umgehe. Ich kann in mir versinken oder nach vorn sehen.... (da ist es in jedem Fall spannender....) und wer eiß, wofür solche Erfahrungen eines Tages gut sein werden?

Nach allem was ich so von Dir lesen, Du hast Dich unglaublich heraus gemacht und darfst stolz auf Dich sein.

Dir liebe Grüße
Ansa