Liebe Gerda,
als er mir damals diesen Satz sagte, da habe ich ihn zwar gehört, aber in seinem Umfang habe ich ihn nicht wahrnehmen können. Die Ungeheuerlichkeit dieser Aussage brauchte einige Zeit um bei mir in ihrer ganzen Entfaltung anzukommen. Ich glaube auch kaum, das ich ihn jemals ganz vergessen werde, denn er zeigt so deutlich, wie sehr mein Exmann seine eigene Verantwortung abgab. Das galt ja dann im Nachhinein für unser ganzes Leben. Dieser Satz stellte ein Zeit von 20 Jahren in Frage und führte dazu, das ich einige Zeit nicht mehr wahr nehmen konnte, was Realität war und was nicht. Plötzlich steht man an einer Grenze, denn jemand, der einem sooo antwortet, der signalisiert ganz deutlich "Sinnvoll mit mir reden geht nicht" und man steht vor einer Gesprächssituation, in der man erkennt, "nichts geht mehr." Alle Regeln einer sachlichen Kommunikation sind außer Kraft. Und man muss sich auseinander setzen, weil es um etwas geht, das man klären muss. Weil Gericht und Jugendamt und die Pflicht den Kindern gegenüber aus solche Dinge keine Rücksicht nehmen. Man muss klären, was nicht zu klären ist. Und natürlich, meine Entscheidung, "wenn ich es sowieso niemandem Recht machen kann, dann entscheide ich mich so, das es sich für mich gut anfühlt" die stammt aus dieser Zeit.
Aber das ist lange her, ab und an kommen diese Gedanken hoch, schwirren hier herum, werden neu überdacht und wieder abgelegt, an anderer Stelle zumeist als vorher. Schuld ist ein Begriff, den mein Exmann sehr schätzt, natürlich nur, wenn er sie verteilen kann. Heute wie damals bin ich es und immer öfter eben auch die Kinder. Schuldzuweisungen und dieses im völligen Gegensatz dazu "ja aber ich, ich reagiere immer nur auf das Tun anderer." Irgendwie schade, wenn man so gar nichts selbst tut, oder eher armseelig? Als spiritueller Lehrer bezeichnet er sich ja auch.... mir macht das schon Angst, denn er kann sehr einnehmend und überzeugend sein, so lange er etwas will. Lassen wir das an dieser Stelle, mich betrifft das Thema bei ihm nicht mehr.
Wie ich es geschafft habe, ihn leben zu lassen? Das ist einfach, mal sollte körperlich und geistig schwächere nicht misshandeln...... Das ist gegen die Natur als Solche, es kämpfen immer nur gleichwertige Gegner um etwas. Das ist etwas, an das ich glaube. Und, das liegt mir ein wenig mehr "Wenn das Wissen endet, beginnt die Gewalt....." So ist es am Ende immer. Dasich die Stärkere bin, das war eine Erkenntnis, die mich völlig umwarf, jahrelang habe ich mich nämlich ganz anders empfunden und gesehen.
Und ja, natürlich hast Du Recht, es ist kontraproduktiv aus Furcht vor den langen Wartezeiten eine Anmeldung zu vermeiden.
Ich denke aber auch, das mir unsere Beratungsstelle helfen kann. Seit Jahren begleiten sie uns als Familie und sie wissen, im Team, um vieles, das ich nicht neu erklären muss. Es ist so schwierig, diese Dinge immer wieder hervor zukramen und immer wieder erneut zu erklären..... ich empfand es als wohltuend, wenn die Psychologin beim Erstgespräch sagt "ach ich erinnere mich....."
Lieber MarliJo,
ja, das kenne ich, den Wunsch, die Dinge sachlich zu klären und das eigene Unvermögen, damit umzugehen, dass das nicht geht. Das Erkennen, das es Dinge gibt, die einem nicht möglich sind, und das Aushalten müssen, dessen, das man gezwungen wird, etwas zu tun, was man nicht tun will und die Erkennntis, das es kein Entrinnen gibt..... aber eigentlich ist es etwas, woraus ich doch viel gelernt habe. Eben, das es Dinge gibt, die nicht gelöst werden können, weil der Andere nicht mitmachen will.
Über ein Jahr lang war mein Exmann nun relativ friedlich und entgegen kommend, nein, nicht mal relativ, sondern er war es. Über ein Jahr lang war ich misstrauisch und das ist eine Eigenschaft, die ich nicht mag und die mir schwer fällt. Nach einem guten Jahr Friedens, trifft es die Kinder besonders hart und mich auch. Wenn auch positiver - denn mein eigenes Gefühl war doch vertrauenswürdig, mein Verstand sagte schon hin und wieder "also, sei nicht sooo misstrauisch, vielleicht hats Du ja Dein Ziel (friedliche Koexistenz) endlich erreicht"?
Ich will ihn nicht ändern, ich will auch nicht verstanden werden, aber ich will Respekt, der mir, als Mutter seiner Kinder, meiner Ansicht nach zusteht. Ich will sagen können, "Erpressungen in meiner Gegenwart lasse ich nicht zu" ohne das er plötzlich wieder alles in Frage stellt und ich das Verständnis haben muss, das er wenn er wütend ist, nicht weiß was er sagt. Eine gemeinsame Aufarbeitung kann es nicht geben, die letzte Mediation hat er geschmissen, mit der Begründung, es mache keinen Sinn mit mir zu reden. Als der Mediator, der zugleich Kinderpsychologe ist, ihn auf meine Beschuldigung hin fragte, ob das so stimmen würde und er sagt, "Ja, das sei so" antwortete, "aber Herr xxx, da muss ich ihnen sagen, das dürfen sie so nicht tun, weil....." da stand er auf und sagte, es mache keinen Sinn mit ihm zu reden, weil er von mir total beeinflusst sei, und das er sich den Quatsch nicht anhören wolle. Das sagte er auch zu der Mitarbeiterin des JuA, "mit ihnen rede ich erst gar nicht," auf ihre Frage nach dem warum, sagte er, "ihre Art passt mir nicht." Och, das Gute daran war, das dies Gespräch im Gerichtssaal statt fand, nachdem die Richterin ihn gebeten hatte, mit dem JuA und mir zu reden
Danach sah auch sie endlich ein, das ein Reden nicht möglich ist und ich hatte für lange Zeit meine Ruhe.
Weißt Du, ich bin ein relativ vorurteilsfreier Mensch, ich bin spontan und zuvorkommend und eigentlich mag ich rigide Regeln nicht so gern. Konsequenzen sind wichtig, wenn Kinder etwas lernen sollen, das ja. Aber einem Erwachsenen gegenüber SO rigide zu sein, das fällt mir einfach schwer. Wenn mein Exmann sagt, er holt die Kinder zwischen 18 und 19 Uhr ab, dann richten sich alle auf 19.30 ein..... natürlich ist er ab und an früher da, aber seltenst. Wenn ich selbst also einen enger gesteckten Zeitplan habe, dann muss ich das strickt durchsetzen, sonst gewinnt er Macht über mich. Hatten wir ja schon..... aber leicht fällt mir das nicht, ich lasse lieber alle fünf grade sein. Gut, seit die Kinder älter sind, ist das kein wirkliches Problem mehr.
Und ja, ich wüsste, wie ich die Situation entspannen könnte, durch völlige Unterordnung, durch ein hingebungsvolles "ach bitte, lieber xxx, könntest Du, weil ohne Dich wäre ich total aufgeschmissen." Aber soweit, das ich das kann, ohne das Gefühl mich zu verbiegen, soweit bin ich nicht, ich weiß auch nicht ob ich da hinwill. Er sagte es einmal, "wenn Du endlich zugänglich mir gegenüber wärest," könntest Du alles von mir haben, was Du willst." Auch wieder ne Schuldzuweisung und eine unverschämte Forderung. Ihm das Gefühl vermitteln, das er der Größte sei - aber was würden meine Mädchen daraus lernen? Für mich ein no go.... aber funktionieren würde es.
Mein Verantwortungsbeswusstsein für seine Unzulänglichkeiten und wie könnte ich mich davon lösen? Schwierig, weil er es ja über die Kinder an mich heran trägt, weil er ihnen ja eben sagt "wenn Du jetzt nicht tust was ich will, dann....." Und sich gegen jemanden stellen, den man liebt, den man doch so sehr liebt und wo man unterscheiden muss, zwischen "ich liebe Papa" aber "ich liebe nicht was er tut" das verlangt von Kindern Mut, Kraft und braucht einen starken Rückhalt um die Folgen auszuhalten. Und sie alle haben das erlebt, beim ersten Esoteriksommercamp, sagte er, "wenn ihr nicht mitkommt, dann habe ich bis Weihnachten keine Zeit mehr für Euch." Rate mal, wer in dieser Zeit für sie da war, für alle Tränen, für alle Wut und für all ihren Frust.... ich verstehe auch nicht immer, warum sie ihn derart lieben - aber ich nehme es eben als gegeben hin und als wichtig für sie selbst.
Ich bin eben verantwortlich für meine Kinder, es ist ja sonst niemand da......
Liebe Grüße an Euch
Niana
Sei zärtlich mit den Kindern, mitfühlend mit den Alten, nimm Anteil an denen, die sich anstrengen, sei sanftmütig mit den Schwachen und geduldig mit den Starken; denn eines Tages wirst Du dies alles gewesen sein. (nach C.W. Carver)