Mein Vater ist tot

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Miraluna
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Mein Vater ist tot

Beitrag von Miraluna »

Hallo Leute,

erinnert ihr euch noch? Vor 4 Wochen habe ich mal hier so nachgefragt, was man tun kann, um sich gegen Unterhaltszahlungen für Eltern zu wehren. Und jetzt? Gestern Abend bekam ich die Nachricht, daß mein Vater mit 63 Jahren an Herzversagen gestorben ist. Da er mittellos ist, kommt er in ein Gemeinschaftsgrab, ich glaube sogar, daß ist ohne Aufschrift.

Tja, so erledigen sich Fragen.

Ich sollte eigentlich aufatmen, er war ja nicht gerade super. Er war echt gemein. Jedoch kann ich das irgendwie dann doch nicht. Ein Teil aus dem ich bestehe ist tot. Es ist ein komisches Gefühl. Ich habe meinen Vater 18 Jahre nicht mehr gesehen. Gestern erfuhr ich, daß er allein und ganz jämmerlich gestorben ist, und er tut mir Leid. Es wurde mir heute Nacht klar, daß ich ihm verziehen habe. Er war ein Gefangener seiner Alkoholsucht.

Es ist mir klar geworden, daß Verzeihen ein ganz wichtiger Punkt ist, wenn man in seinem Leben auch einen Neuanfang versucht. Verzeihen und Mitleid.

Ich wollte mir das einfach nur so von der Seele schreiben. Ich weiß, daß hier Menschen sind, die mich verstehen, und das tut mir saugut. Ich danke euch allen.

LG Miraluna
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Laura
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von Laura »

Mein herzliches Beileid, Miraluna.

Auch wenn du schon lange keinen Kontakt mehr hattest und deine Erinnerungen alles andere als gut sind, war er doch dein Vater. Ich finde es schön, dass du ihm verzeihen kannst, denn Verzeihen ist nicht nur für die eigene Entwicklung wichtig, sondern auch ein Zeichen von Stärke.

Alles Liebe
Laura
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Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.
_Dani_
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von _Dani_ »

Auch von mir Herzliches Beileid

Hab meinen Vater vor fast 5 Jahren verloren, kann etwas nachvollziehen wie es dir geht. Sicherlich war es bei mir eine andere Situation trotzdem find ich es gut das du ihm verzeihen kannst.

Ich wünsche dir alles gute

Liebe grüße an dich von Dani
Miraluna
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von Miraluna »

Danke für eure lieben Worte. Miraluna
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_Dani_
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von _Dani_ »

Nichts zu danken :o)
nemo
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von nemo »

LIebe Miraluna,

herzliches Beileid auch von mir.

Wenn wir uns gegenüber sitzen würden, würde ich dich jetzt in den Arm nehmen. Da ich dir aber nur schreiben kann, will ich nicht viele Worte verlieren, sondern etwas zu der Sache mit dem Verzeihen sagen.

Vlt hilft es dir in deiner Trauer dir vorzustellen, dass auch dein Vater gerne ein liebevoller Vater für dich gewesen wäre, es aber leider nicht sein konnte, vlt wegen eigener Verletzungen, wofür die Alkoholsucht ein Symptom war. Ich stelle mir das so vor, dass so ein wahres Selbst in einer Persönlichkeit jahrzehntelang verschüttet liegen -und leiden- kann. Dieser (verschüttete) Teil deines Vaters wird dich auch geliebt haben, es lagen nur meterdicke Mauern um ihn herum, so dass nicht viel davon nach aussen dringen konnte. Aber irgendwo steckte dieser liebevolle Vater auch in ihm, und um ihn trauerst du jetzt, weil du spürst, dass er auch ein wertvoller Teil von Dir ist. "Dieser" Vater hat dich geliebt. Und ihm brauchst du eigentlich gar nicht zu verzeihen. Weil er dich bestimmt nie verletzen wollte.

Alice Miller schreibt, dass man Verzeihung nie einfordern oder sich dazu gedrängt fühlen sollte, weil das die eigenen GEfühle noch einmal unterdrücken und die Realität der Missbraucher bestätigen würde. Du jedoch hast Deinem Vater nun zum Schluss ganz aus eigenem Willen (und GEfühl) heraus verzeihen können, und das finde ich sehr gross und stark von dir.
Du brauchst dich nicht schuldig zu fühlen. Du hast alles dafür getan, um deinem liebevollen Vater zu helfen, aber er war zu tief verschüttet. Mehr konntest du nicht für ihn tun.

Es ist sehr traurig, dass er nie sehen konnte, was für ein wunderbarer, starker Mensch seine Tochter geworden ist.

alles Liebe
nemo
Zuletzt geändert von nemo am 10. April 2005 15:46, insgesamt 1-mal geändert.
Miraluna
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von Miraluna »

Hallo Nemo,

deine Worte sind immer so stark und aufbauend. Ich umarme dich hiermit in Gedanken. Du hast Recht, dieser gute Mensch hat leider nur sporadisch aufgeblitzt. Ich weiß, daß er nicht willentlich uns hat Schaden können. Er war halt auch in seinem Gedankennetz gefangen. Er hat sich nie richtig geliebt gefühlt, es kam nie richtig an, und er hatte nicht diese Kraft und Stärke seine Sucht zu bekämpfen. Leider.

Vielleicht war es genau dieses, was mich letztendlich so kämpferisch gemacht hat. Wenn er nicht so gewesen wäre, ich wäre bestimmt nicht heute dieser Mensch, der ich bin. Also hat er mir mehr mitgegeben, als ihm bewußt war.

Man muß halt auch den Eltern Fehlern zugestehen. Kein Mensch ist nur schlecht. Jeder hat etwas Gutes, auch wenn man es nicht sieht.

Nochmals fest gedrückt liebe Nemo. Ich danke dir.

LG Miraluna
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Miraluna
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von Miraluna »

Noch einen Nachsatz!

Ihr gebt mir gerade unglaublich Kraft. Der Gedanke hierher kommen zu dürfen und mich mitteilen zu können, hilft mir unwahrscheinlich.

Ich danke euch allen. Dieses Forum ist wirklich Klasse. Nicht damit aufhören.

Miraluna :umarmen:
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Rockingmom
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von Rockingmom »

Hallo Miraluna,
möchte dir auch mein Beileid sagen.
Und ist es nicht schrecklich, daß du jetzt feststellst, daß du ihm verziehen hast?
Dein Leben geht weiter, du bist stark.

Ich habe auch meinen Papa vor 7 jahren viel zu früh verloren, nach einem entsetzlichen Kleinkrieg zwischen meinen Eltern und mir als Spielball.
Aber ich hatte noch die Gelegenheit, mit meinem Papa viele Sachen aus der Kindheit zu besprechen.
Gottseidank. Doch eine Lücke klafft.

Ich kann nur jedem dazu raten, den Weg in die Familie zu suchen, solange beide Eltern noch leben.
Wenn ein Elternteil erst tot und begraben ist, hat man eine Möglichkeiten weniger, sich aus der Vergangenheit schlau zu machen.

Liebe Grüße von
Rocki
Liebe ist das einzige, das nicht weniger wird, wenn wir es verschwenden
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Mikamaus
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von Mikamaus »

Hallo Miraluna,
ich möchte mein aufrichtiges Beileid bekunden.
Finde es toll das Du deinem Vater verziehen hast, die Größe haben wenige.
Liebe Grüsse Mikamaus
Miraluna
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von Miraluna »

Hallo Rocki,

du hast Recht, manche Dinge passieren zu spät. So muß auch ich die Folgen insoweit tragen, daß ich gewisse Dinge nicht mehr klären konnte.

Wenn Eltern mit sich irgendwann mal reden lassen ist das schön. Das war und ist bei meinen Eltern irgendwie nie der Fall gewesen. Beide waren/sind so sehr mit sich beschäftigt, daß sie meine Argumente oder die meiner Schwester gar nicht wahrgenommen haben.

Ich habe nach 2 Jahren Funkstille meine Mutter angerufen, ihr mitgeteilt, daß mein Vater (ihr 1. Mann) gestorben sei. Irgendwie dachte ich, hey, probier es halt noch mal. Sei nicht so hart. Sie fragte noch nicht mal wo und wann, waruma, etc.. Sie sprach mal wieder nur von sich und vom Weltende und ich hätte auch nicht gefragt, wie es ihr gegangen sei, als ich (wohlgemerkt mit 23 Jahren) ausgezogen bin. Sie hat mir irgendwie gar nicht zugehört.

Ich bin vor 15 Jahren als erwachsener Mensch ausgezogen und muß mir das heute noch vorhalten lassen. Ich schaff das nicht mehr, diese Vorhaltungen, dieses immer nur sie, sie, sie. Mein Vater war immer nur er, er, er und sein Alkohol und seine Dinge.

Ich werde damit leben müssen, daß meine Mutter für mich genauso anonym stirbt, wie mein Vater. Ich habe ihr zumindest noch am Telefon sagen können, daß ich ihr alles Gute wünsche, ich ihr nicht mehr böse bin und ihr Frieden wünsche. Dann habe ich aufgelegt.Mehr schaffe ich einfach nicht mehr. Mehr will ich auch nicht mehr.

Irgendwie ist jeder ein Gefangener seiner Krankheiten oder Gedanken oder seines Lebens? Ist das nicht irgendwie so? Es ist so schwer alte und eingeschweißte Gedankenmuster zu durchbrechen. Auch ich bin sozusagen ein Gefangener und muß am Ende die Rechnung bezahlen.

Ich hoffe, ich werde für meine Härte in dieser Richtung nicht zu sehr bestraft. Ich wünschte mir, sie würde einfach auch mal mehr über ihren Tellerrand hinaussehen. Das werde ich wohl nicht mehr erleben.

Miraluna
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Maxima
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von Maxima »

Hallo Miraluna

Ich habe mich heute mal zum 'sonstigen' gewagt :) und plötzlich gesehen, das hier auch noch interessante Dinge stehen. Deine Geschichte tut mir leid...das mit deinem Vater und auch das mit deiner Mutter.....
Mein Vater ist doch auch in diesem Leben/Gedankenmuster gefangen...und ich werde dies nie begreifen, denn ich denke einfach, man ist nie zu alt, um etwas zu verändern...
Ich habe mich heute kurz (leider nur schriftlich) mitgeteilt, dass ich es satt habe, dass nur ich mich immer melden muss und wenn ich mich nicht mehr melde, es niemand tut (mein Bruder ist genauso). Ebenfalls habe ich geschrieben, dass ich nicht immer geben kann...auf Dauer gehe ich kaputt daran. Mein Bruder hat mich kurz darauf kontaktiert...er sagte, er habe anderes zu tun, als mich anzurufen und ich solle begreifen, dass es unsere Familie nicht mehr gibt und Vater sei halt so und könne man nicht ändern.
Stell dir vor...wir leben doch alle noch, wieso um alles in der Welt, kann man nicht versuchen, der Rest von der Familie, die noch übrig ist, aufrechtzuerhalten? Ich fordere ja nicht viel, mal ein Telefon, ein wenig Anteilnahme am Leben des anderen...
Mein Vater meldet sich schon gar nicht auf meine Worte hin...naja...was solls...

Nun bin ich 30ig...und muss lernen, ohne eine Familie auszukommen, obwohls eine gibt...finde ich absolut krank...aber weisst du was? Wenn ich jemals diese Welt verlassen kann, kann ich wenigstens sagen, ich habe es versucht...mein Gewissen ist rein!

Liebe Grüsse Maxima
Miraluna
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von Miraluna »

Liebe Maxima,

genau das ist es doch was weh tut. Es ist doch Familie da, jedoch, gibt es die gar nicht. Und was deinen Bruder angeht. Er war zumindest ehrlich, er macht es dir nur noch leichter deinen Weg zu gehen. So etwas wie Familie haben wir nun mal nicht.

Bzw. wir haben die Chance unsere eigene Familie aufzubauen. Dann sind wir halt wieder Ursprung. Der Rest, auch wenn es weh tut, und auch wenn man es nicht versteht, man muß sie aus seinem Leben cutten. Sonst ist man immer in etwas gefangen, daß einen unglücklich macht. Und sie machen sich keine Gedanken darum. Sie leben so in ihrem Ding und ändern sich eben nicht. Ich dachte früher auch immer, man kann sich immer ändern, man ist nie zu alt. Das ist richtig, jedoch muß man das auch wollen. Und sie wollen halt nicht. Dann müssen sie auch mit den Konsequenzen leben und selber muß man das lernen zu akzeptieren.

Jedoch wenn du das mal hast, dann kehrt irgendwie Frieden ein und mit der Zeit fühlt man sich wohl. Dieser Frieden ist es, den ich genieße, auch wenn, wie schon erwähnt, es immer mal wieder schmerzt. Jedoch, Schmerzen lassen nach. Die Zeit kann etwas wunderbares sein.

Ich wünsche dir viel Spaß bei deinem Neuanfang.

LG Miraluna
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Maxima
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von Maxima »

Lieben Miraluna..deine Worte tun gut :)

Ich habe, um die Sache endlich ins Reine zu bringen, meinem Vater noch einen Brief geschickt...keine Vorwürfe drinn, nein, aber ich habe ihm versucht zu erklären wie es in mir aussieht...wie ich daran verzweifle, dass man die Familie einfach so 'gehen lässt' und das nun der Moment gekommen ist, wo ich einfach nicht mehr geben kann. Auf Dauer geht ein Mensch kaputt, wenn er immer nur gibt...
Ich habe ihm alles Liebe und Gute gewünscht und ihm nochmals gesagt, dass ich ihn lieb habe.

Ich fühle mich nun etwas befreiter...denn ich weiss, ich habe keinen Vorwurf im Brief gemacht (daraus entstehen meine Schuldgefühle)...für mich war dieser Brief (wie du es ja auch mal gemacht hast), das einzige Mittel, um mich zu befreien....

Er bekommt diesen Brief am Montag...eine Reaktion werde ich wohl nicht bekommen, was vielleicht auch besser ist, aber ich denke, es wird ihn berühren...

Ich gehe übrigens erst am 3. in die Ferien...bin aber schon ganz kribbelig vor lauter Vorfreude...:-)

Liebe Grüsse auch für dich...und keinen Stress, gell du..

Maxima
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Hammer
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Re: Mein Vater ist tot

Beitrag von Hammer »

Liebe Mira,

aufrichtige Anteilnahme.
Meine Mutter war wirklich keine gute Mutter
aber wenn ich sie verlieren sollte so stirbt ein Stück von mir.
Obwohl ich seit fünf Jahren null Kontakt zu ihr habe wird
sie eines immer bleiben meine Mutter.

LG
Dani
Kinder sind nicht unser Eigentum,
wir haben "nur" das Glück sie auf
IHREM WEG zu begleiten.
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