Zeitungsartikel: "Von wegen Disneyland-Papi"

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Buecherfalke
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Zeitungsartikel: "Von wegen Disneyland-Papi"

Beitrag von Buecherfalke »

Er ist froh, aus der "ganzen Sache raus" zu sein, feiert seine Freiheit mit seiner neuen Lebensgefährtin und drückt sich vor Unterhaltszahlungen. Wenn er sich tatsächlich einmal um seine Kinder kümmert, gibt er den spendablen Disneyland-Papi, so dass die alleinerziehende Mutter später einige Tage braucht, um die Kinder zurück auf den Boden der finanziellen Tatsachen zu holen. So oder ähnlich lauten die Vorurteile über Männer, die sich von ihrer Familie getrennt haben. Doch sind Scheidungsväter wirklich so charakterlos?

Laut einer Studie unter Leitung des Bremer Soziologen Gerhard Amendt haben sie oft große Probleme. Von den befragten 3600 Scheidungsvätern sprachen etwa 3/4 über deutliche Beeinträchtigungen in ihrem Berufsleben. 20% hatten den Arbeitsplatz gewechselt, 11% eine Kündigung hinter sich. 76% haben zudem gesundheitliche Probleme.
Amendt betont, dass vor allem jene Männer in die Krise geraten, die von ihren Kindern getrennt wurden: "Denn viele von ihnen kämpfen darum, dass ihnen nach Trennung oder Scheidung die Vaterschaft nicht abhanden kommt." Und dieser Kampf geht oft über ihre Kräfte.

Wie stark Scheidungsväter belastet sein können, zeigen aktuelle Untersuchungen von Esther Katona an der Universität Freiburg. Die Psychologin befragte 288 von ihren Kindern getrennte Eltern, 90% davon waren Männer, nach ihrem körperlichen und psychischen Befinden. Das Ergebnis: 64% der Studienteilnehmer bezeichneten ihre Lebensqualität als mittelmäßig oder schlecht. Mehr als 2/3 fühlten sich chronisch müde, führten Schlafprobleme sowie Nacken- oder Rückenschmerzen an. 67% zeigten die Symptome einer Depression.

In den USA formulierten Psychiater schon vor etwa 2 Jahrzehnten den Begriff Parental Alienation Syndrome (Eltern-Kind-Entfremdungs-Syndrom). Er bezeichnet das Phänomen, dass Scheidungen umso mehr zur Ausgrenzung und Anfeindung eines Elternteils -meistens des Vaters- führen, je unversöhnlicher die Paare zerstritten sind. "In Deutschland war der Begriff lange Zeit unbekannt", meint die Emmendinger Familientherapeutin Ursula Kodjoe. Außerdem wurde er lange Zeit nur mit Blick auf die Kinder gebraucht. "Wie es Eltern ohne Kontakt zu ihren Kindern ging", so Kodjoe, schien lange kaum jemanden zu interessieren."

In den vergangenen Jahren sorgten die Betroffenen selbst dafür, dass man ihren Problemen Aufmerksamkeit schenkte. Beispielsweise durch Internetauftritte wie http://www.pappa.com, http://www.wochenendvater.de und http://www.vaeternotruf.de. Dort können sich Betroffene nicht nur über Vaterschaftstests, juristische Fragen oder heimtückische Diffamierungsstrategien der Frauen informieren, sondern erfahren auch, wie sich Boris Becker um seine uneheliche Tochter Anna bemüht. Schlagzeilen machte auch die Aktion Mathiéu Carriéres, der mit 300 Mitgliedern des Vereins Väteraufbruch für Kinder vor das Berliner Justizministerium zog und sich dort ans Kreuz binden ließ, rufend: "Vater, warum hast du mich verlassen." Der Schauspieler kämpft seit längerem erbittert um das Sorgerecht für seine Tochter Elena.

Carriére behauptet, dass deutschlandweit etwa 5 Mio. Kinder ihren Vätern vorenthalten werden. Wissenschaftler gehen hingegen davon aus, dass etwa die Hälfte der jährlich 150000 Scheidungskinder nur sehr wenig oder gar keinen Kontakt zu ihren Vätern haben. Wie viele von denen damit ganz gut leben können, ist unbekannt. Schließlich melden sich zufriedene Scheidungsväter in der Regel nicht zu Wort.

Dass Mütter durch eine Scheidung von ihren Kindern getrennt werden, kommt selten vor. In 6 von 7 Fällen verbleiben die Kinder bei ihr. Falls es aber doch zur Trennung kommt, leidet sie besonders stark. Der Hauptgrund: Trennt sich eine Frau von ihren Kindern, wird sie von der Gesellschaft als Rabenmutter geächtet, die sich ihrer biologisch und sozial vorgeschriebenen Verantwortung entzieht.

Artikel von Jörg Zittlau
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