Ich brauche Trost

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tarsshaft
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Ich brauche Trost

Beitrag von tarsshaft »

Hallo!

Ich brauche Trost. Ich fühle mich so wahnsinnig traurig. Ich habe Angst, dass meine Beziehung den Bach runtergeht.

Viele von euch wissen es schon. Mein Freund, Italiener, ist in seine Heimat zurückgekehrt, um dort Arbeit zu suchen. Hier in Deutschland hatte er keine Perspektive. Ich bin in unserer gemeinsamen Wohnung geblieben, habe einen Job, von dem wir bislang gelebt haben. Dann kam vor einem dreiviertel Jahr der Entschluss, dass wir nach Italien (zurück)gehen.

Heute ist der 3. März. Ich habe meinen Freund zuletzt am 2. Januar gesehen. Seitdem nur Telefonate. Und er immer unterwegs auf Jobsuche. Aber nichts. Gar nichts. Keine Perspektive. Er wird immer frustrierter und trauriger. Und ich auch.

Seit ich mit ihm zusammen bin, habe ich das erste Mal das Gefühl, ich gehöre irgendwo dazu. Es gibt einen Platz für mich. Wenn schon meine Familie in alle Winde zerstreut ist und es für mich keinen Ort gibt, den ich „Heimat“ nennen kann, so gab mir mein Freund immer das Gefühl, dass ich mit ihm diese „Heimat“ finden könnte.

Doch all das ist jetzt in Gefahr. Ich kann und mag nicht so weitermachen. Er hat kein Geld mehr und will auch wegen eventueller Bewerbungsgespräche nicht aus Italien weg. Er will mir nicht auf der Tasche liegen. Er will nicht den ganzen Tag allein in unserer Wohnung hocken und übers Internet Jobs suchen, während ich in der Arbeit bin. Das hatten wir in den fast drei Jahren unseres Zusammenlebens immer wieder, diese Situation. Und ich will nicht mehr abends nach Hause kommen und einen frustierten Freund vorfinden, der den ganzen Tag über keinen Ansprechpartner hatte und sich todunglücklich fühlt.

Ich hier, er in Italien. Perspektive: null. So geht das seit Beginn dieses Jahres. Und jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich an unserer gemeinsamen Zukunft zu zweifeln beginne. Wie soll das weitergehen? Wie lange soll es SO weitergehen?

Er will partout nicht mehr in Deutschland leben, weil er sich nicht wohl fühlt und weil er hier beruflich aufgrund seiner Ausbildungssituation noch weniger Möglichkeiten hat als in Italien. Ich will auch nicht mehr in Deutschland sein, aber ich habe keinerlei Ersparnisse, um jetzt auszuwandern. Er könnte mich nicht auffangen. Er hat ja noch nicht mal eine eigene Wohnung.

Eine Familie, die mich auffängt, habe ich in dem Sinne nicht. Wie gesagt, jeder lebt da sein eigenes Leben. Mein Bruder hat noch nicht mal einen festen Wohnsitz, weil er ständig in der Weltgeschichte rumfährt. Meine Mutter lebt ca. 200 Kilometer von mir entfernt mit meinem Stiefvater, in deren Leben habe ich keinen Platz, wenn ich Probleme habe (siehe mein Thread: "Vom Gefühl, kein Zuhause zu haben"). Mein Vater lebt in der kleinen Wohnung seiner Lebensgefährtin, an wieder einem anderen Ort. Meine Tante, mein Onkel, meine Oma leben alle in unterschiedlichen Orten. Sind alle geschieden.

Ich beginne, in eine Depression zu fallen. Sagt mir jetzt nicht, ich solle eben eine Therapie machen. Kein Therapeut nimmt mich, wenn ich ihm sage, dass ich eigentlich am liebsten heute als morgen auswandern würde. Die Erfahrung hab ich schon gemacht. Da sagte eine: "Na, wenn Sie eh bald weg sind, dann macht es keinen Sinn mit einer Therapie." Außerdem will ich keine Therapie. Ich will eine Lösung. Ich will die tarsshaft wieder finden, die so voller Hoffnung und Optimismus in dieses Jahr gestartet ist.

Danke fürs Zuhören. Lg tarsshaft
Das Heute leben, das Kommende erwarten, das Vergangene nutzen.
MarliJo

Re: Ich brauche Trost

Beitrag von MarliJo »

Liebe tarsshaft,

erst eben habe ich deinen Thread entdeckt.
Gern würde ich dich trösten, dir helfen. Jetzt, wo ich auch ein paar Hintergründe kenne, mache ich mir Gedanken.
Nur, sorry, mir fallen die Augen zu.
Ich melde mich.
Verlier niemals deinen Mut, bitte !

Trotz allem sende ich dir mal ein Lächeln,vielleicht kannst du es gebrauchen ?!
MarliJo
tarsshaft
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Re: Ich brauche Trost

Beitrag von tarsshaft »

Liebe Susi, lieber Frank, lieber MarliJo!

Ich danke euch von ganzem Herzen, dass ihr immer für mich da seid!

Ihr habt mein Leben bereichert.

Bis bald, tarsshaft
Das Heute leben, das Kommende erwarten, das Vergangene nutzen.
MarliJo

Re: Ich brauche Trost

Beitrag von MarliJo »

Liebe tarsshaft!

Wir hatten uns ja schon kurz im Hintergrund ausgetauscht.
Es tut mir sehr Leid, in welch schwierigen Situation ihr steckt.
Nun, wo ich auch ein wenig den Hintergrund kenne, weshalb du eure Beziehung in Gefahr siehst, möchte ich dir meinen"Eindruck" schildern.
Möglicherweise liege ich mit meinen Gedanken falsch.

Als ich deine Zeilen hier gelesen habe, dachte ich, ihr durchlebt eine Durststrecke. Du schreibst davon, wie schwer es ist, dass dein Freund Arbeit in seiner Heimat findet,du schreibst von finanziellen Problemen, weswegen er nun bei seinen Eltern leben "muß". Vermutlich hat er finanziell nicht mal die Möglichkeit, dich zu besuchen?
Das alles ist bitter und zehrt sicher heftig an euren Nerven und ist nur schwer auszuhalten.

Ich lese nichts !! davon, dass eure Liebe zueinander weniger wird, du keine Sehnsucht mehr nach ihm hast - ich glaube eher an das Gegenteil.
Du schreibst auch, dass du kein Zuhause fühlst, außer bei ihm und seiner Familie, dass du dich bei ihm geborgen fühlst.
Ist das nicht ein Grund, weiter durch zuhalten, weiter zu kämpfen,... bei allen so Kräfte zehrenden Unwegbarkeiten ?
Ist EURE Liebe, EURE Beziehung denn in Gefahr, weil es in beruflicher und finanzieller Hinsicht so miserabel aussieht.
Meint ihr nicht ihr könnt diese "Probe" durchstehen. Mit all der Sehnsucht und all den neuen Enttäuschungen, die ihr noch
über euch ergehen lassen müsst ?

Ich habe noch vor Augen, wie du nach Weihnachten davon geschrieben hattest, wie ihr beiden in Italien am Meer gstanden und einfach nur den Augenblick genossen habt. Gebt nicht auf, glaubt an neue Augenblicke dieser Art.
Es ist zwar nicht mal halb so schön, wenn man seine Zuneigung nur über das Telefon ausdrücken kann. Sich nicht mal in den Arm nehmen kann. Ich weiß das.


Eigentlich wünsche ich mir, dass ich mit meinen Gedanken nicht falsch liege und dir etwas Mut machen konnte.
Dir viel Kraft
MarliJo
FSapiatz
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Wohnort: Hauptstadt :D

Re: Ich brauche Trost

Beitrag von FSapiatz »

Hey, Ihr Lieben ! =)

Ich wechsele jetzt auch mal auf diese Ebene, ist doch okay, oder liebe tarsshaft?

Ich möchte noch in die Bresche „hinein hauen“, die MarliJo :winken: da gehauen hat.

Tarsshaft, als meine Birgit und ich noch beide Studenten waren, da haben wir oft „am Daumen gelutscht“. Unsere erste `vernünftige´ Wohnung haben wir komplett aus der „2. Hand“ eingerichtet (und es stand nicht viel drin! :D ) – Ofenheizung. Na und?! Wir hatten uns! Und wenn die Kohlen alle waren, dann hatten wir immer noch ein paar Kuscheldecken.

Zueinander zu stehen, wenn alle gut versorgt sind, das ist leicht.

Oder nimm mal jetzt unsere Situation: eigentlich bin ich seit Nov. letzten Jahres, wo ich die Embolie hatte, kein richtiger Mensch mehr. Birgit musste – nein: wollte – unglaubliches leisten, und sie hat es getan – aus Liebe zu mir.

Obwohl MarliJo meine Zeilen im Hintergrund an Dich nicht kennt, hat er doch das Gleiche getan, wie ich: besinne Dich Deiner eigenen Worte, die Du gesagt hast, als Du Glücksmomente hattest! Und das waren gar nicht so wenige in den letzten Wochen! =)

Fühl Dich mal umärmelt

und liebe Grüße an Euch alle von

Frank
tarsshaft
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Re: Ich brauche Trost

Beitrag von tarsshaft »

Hallo ihr Lieben!

Danke euch so sehr für eure Zeilen, die so gut tun!! :umarmen:

Die Frage nach der Liebe zwischen meinem Freund und mir habe ich mir in den letzten Wochen sehr oft gestellt. Und ich habe angefangen, an seiner Liebe zu mir zu zweifeln. Das habe ich erst gar nicht wahrgenommen, aber das war der Grund, warum mir die lange Wartezeit plötzlich ZU lang wurde.

Warum zweifle ich? Nun, dafür muss man unsere beiden Charaktere besser kennen und die deutsche im Gegensatz zur italienischen bzw. der römischen Kultur. Also, um es kurz zu machen: Da treffen wahrhaft Welten aufeinander.

Eine Analyse:

Ich: Charakter
- impulsiv, ein "Macher", viel reden, viel erklären, viel beschreiben (das und das habe ich vor und dann mach ich es sofort), emotional, aufbrausend, immer Fragen stellend, kritisch, wer mich eine Sekunde sieht, weiß sofort, wie ich drauf bin, ich bemühe mich überhaupt nicht, eventuell schlechte Laune zu verstecken, mein Standardspruch: Man muss es wenigstens versuchen

Mein Freund: Charakter
- ruhig, ruhig, ruhig, redet wenig, "Beobachter", umwerfender Humor, regt sich weniger (lautstark) auf als ich, redet erst dann über eine Sache, wenn er sie schon erledigt hat, zeigt (außer bei mir) seine Gefühle eher "sparsam" - dass er sie überhaupt zeigt, macht er nur bei mir, sagt er, er ist ein Zauderer, Zögerer, glaubt meistens, etwas nicht gut genug zu können, sein Standardspruch: Das kann ich nicht

Ich: deutsche Kultur
- ich nenne das Kind beim Namen, spreche auch unangenehme Dinge direkt an und aus
- was gesagt wird, ist quasi schon eine Tatsache (Ich sage: Ich muss mal wieder zum Zahnarzt. Und greife, kaum dass ich den Satz gesagt habe, sofort zum Telefon und vereinbare einen Termin)

Er: italienische Kultur
- er verpackt unangenehme Dinge in diplomatische Umschreibungen (z.B. "Ich weiß nicht, wann ich dich besuchen kann, aber ich versuche es sobald wie möglich"), dabei weiß er genau, dass er gar nicht die Kohle hat, um die Flüge zu bezahlen, würde niemals jemanden vor den Kopf stoßen, das gilt als extrem unhöflich in Italien (ein kurzes, schlichtes "Nein" gibt´s nicht)
- der italienischer Spruch, der die italienische Kultur am besten beschreibt: "Zwischen Sagen und Tun liegt die unendliche Weite eines ganzen Ozeans". Heißt: Für den Italiener zählen Taten, Worte benutzen sie wie ein Spielzeug, es macht ihnen Spaß, Dinge zu sagen, mit Worten zu übertreiben, in Andeutungen zu sprechen. Heißt: Was ein Italiener SAGT, ist nicht das, was er tatsächlich auch TUT.

Ein typisches Gespräch zwischen uns:
Ich: Können wir uns an Ostern sehen?
Er: Ja, natürlich. Ich kann ja mal nach Flügen schauen.
Eine Woche später:
Ich: Hast du gebucht?
Er: Nein, ich weiß noch nicht, wann ich genau kommen kann.
Ich: Jetzt lass uns doch das endlich konkret machen.
Er: Ich kann dir noch nicht genau sagen, wann ich kann, weil ich noch auf den Anruf der Firma X und einen anderen der Firma y warten muss. Aber ich versuche es.
Ich: Ich werde mir Urlaub nehmen und kommen.
Einen Tag später:
Ich: Ich habe die Flüge gebucht.

Das Gesprächsbeispiel veranschaulicht unsere Charaktere und die Art, wie wir geprägt sind. Ich vergesse immer wieder, dass er charakterlich und kulturell so anders ist als ich. In meiner Welt heißt sein Verhalten (vielleicht): Eigentlich ist es mir wurscht, ob bzw. wann wir uns das nächste Mal sehen. In seiner Welt (vieleicht) nicht.

Ich habe ihm konkret gesagt, dass ich das so empfinde, als ob es ihm eigentlich wurscht ist. Er hat gesagt: Nein, das stimmt nicht. Ich möchte dich sehr gerne so bald wie möglich sehen. Dann habe ich Taten von ihm gefordert (wie Flüge buchen). Kam nichts. Und wie war das mit Worten und Taten eines Italieners? Eben. Also hab ich ihm gesagt, er soll mir direkt sagen, wenn er nicht mehr will. Das ist mir lieber als dieses Nichtstun und keine-Flüge-buchen und tut mir weh. Er: Nein, ich will mit dir zusammenbleiben. Ich will versuchen, dir das besser zu zeigen. Ich, total am Ende, traurig, genervt. Er, sagt fast nix, redet ganz leise.

Dabei find ich es doch gut, dass er ein ruhiger, besonnener Typ ist. Gott, noch so jemand wie ich, so aufbrausend, impulsiv? Das wär glaub ich zu anstrengend. Anscheinend hab ich ein Problem, wenn was anders ist als ich bzw. als wie ich es gewohnt bin.

Eigentlich hab ich mir die Frage nach der Liebe immer gestellt, was ihn angeht. Weil wir eben so verschieden sind. Ich habe auch oft mit einer sehr guten italienischen Freundin von mir, die mit einem Deutschen zusammen ist, über italienische und deutsche Männer gesprochen. Wir haben uns gegenseitig viel erklären können. Sie konnte z.B. nicht verstehen, dass ihr Freund tatsächlich sofort einen Flug gebucht hatte, nachdem sie sagte, es wäre schön, wenn er bald käme…

Mein Freund hat mir oft vorgeworfen: „Für dich gibt es immer nur entweder oder. Du siehst eine Sache, bewertest sie und dann ist sie genau so und nicht anders für dich. Es gibt dann kein Links und kein Rechts.“ Ja, jetzt ist es genau so. Ich denke: Er bucht keine Flüge, sondern redet immer nur davon. Heißt also, er will gar nicht wirklich kommen.

Hmm. Was ist denn jetzt richtig? Brauche mal ein paar Meinungen, bitte! Danke.

tarsshaft
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MarliJo

Re: Ich brauche Trost

Beitrag von MarliJo »

Liebe tarsshaft !

Nur ganz kurz ein weiterer Eindruck.
Du liebst Ihn, aber du liebst nicht seine Lebensphilosophie, seine Unverbindlichkeit(inwie weit das mir seiner Nationalität zu tun hat, sei einmal dahingestellt).
Ich denke schon, da gährt etwas bei euch, was eure Beziehung zerstören kann. Ich meine eine steigende Erwartungshaltung zu sehen, die vielleicht hauptsächlich von dir ausgeht ?
Werden die Erwartungen nicht erfüllt, stellt sich leicht Mißtrauen ein.
Nach dem Motto >er bucht keinen Flug zu mir,also liebt er mich auch nicht<.
Ich weiß nicht, tarsshaft, ich halte es für ungut, wenn du Liebesbeweise von ihm einforderst - diesen Beweis muß er von sich aus erbringen.
Vielleicht bedarf es in eurer schwierigen Situation einfach an viel Geduld miteinander ?!

Gute Nacht und schlaf gut
MarliJo
tarsshaft
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Re: Ich brauche Trost

Beitrag von tarsshaft »

Lieber Frank!

Du schreibst: "Tarsshaft, als meine Birgit und ich noch beide Studenten waren, da haben wir oft „am Daumen gelutscht“. Unsere erste `vernünftige´ Wohnung haben wir komplett aus der „2. Hand“ eingerichtet (und es stand nicht viel drin! ) – Ofenheizung. Na und?! Wir hatten uns! Und wenn die Kohlen alle waren, dann hatten wir immer noch ein paar Kuscheldecken."

DAS ist es doch, was für uns/für mich die Situation so unerträglich macht und zumindest mich zweifeln lässt, ob diese Beziehung noch Sinn macht. Denn: Wir haben uns eben NICHT!! Uns trennen 1000 Kilometer!! Ich habe eine Kuscheldecke, in die ich mich ALLEINE wickeln kann. Ich kann meinem Freund noch nicht mal ein Lächeln schenken. Wir haben nur das Telefon, um wenigstens die Stimme des anderen zu hören. Du weißt selbst, dass sich bestimmte Dinge nicht in Worten ausdrücken lassen. Dieser Zustand macht es so schwer! Und wir wissen nicht, wie lange dieser Zustand so bleibt, sprich: wann er Arbeit findet. DAS ist für mich immer unerträglicher.

Wir hatten nie Geld bisher. Auch nicht, als wir zusammengelebt haben. Aber das war uns wurscht. Wir waren glücklich, einfach nur zusammensein zu können. Deswegen hatte mein Freund vor mittlerweile rund 2,5 Jahren seine Heimat und alles, was ihm vertraut war, hinter sich gelassen und ist zu mir gezogen. Wir hatten keinen Plan. Wir haben gedacht, dass sich schon irgendwie alles findet, Hauptsache, wir sind zusammen. Wir haben damals nur daran gedacht, dass wir jetzt endlich zusammen leben können. Wir haben nicht daran gedacht, dass es für ihn so schwer mit dem Job werden könnte. Und mit der anderen Kultur. Und mit der Sprache.

Dann sind wir irgendwann aufgewacht. In der Realität. Im Alltag. Und der wurde immer schwerer und schwerer. Es wurde so schlimm, dass mein Freund eines Nachts aufwachte und nicht mehr richtig atmen konnte. Er wurde von Panik erfasst. Am nächsten Tag stellte der Arzt Herzrhythmusstörungen fest. Er fragte: "Haben Sie zur Zeit viel Stress? Sie sollten versuchen, wieder ruhiger zu werden. Sonst kann das wieder passieren." Kurz darauf wurde ihm der einzige Job gekündigt, den er je in Deutschland gefunden hatte. War nichts Besonderes, aber immerhin ein Anfang. Dann kam die Kündigung. Es ging ihm und mir immer schlechter. Wir stritten immer häufiger und ich dachte mehr als einmal: "Das war´s jetzt." Dann schien es einen Hoffnungsschimmer zu geben. Ein Ausbildungsplatz in seinem Traumberuf. Er machte ein Praktikum, das war die schönste Zeit für ihn und für uns. Er war so begeistert, engagiert. Danach monatelanges (!) Warten, ob er die Stelle bekommt. Nach über einem halben Jahr die Antwort: Nein. Das war der Zeitpunkt, an dem er mit Deutschland abschloss. Und ich auch. Es war einfach zuviel und unsere Beziehung wäre fast draufgegangen.

Also ging er zurück in sein Land. Ich wollte sobald wie möglich nachkommen. Wir wissen beide: So, wie es in Deutschland war, darf es nicht mehr sein. Denn das wäre das Ende unserer Beziehung. Seit vier Monaten ist er also wieder in Italien. Ich bin in Deutschland. Das hatten wir schon mal. Sicher, dieses Mal werden wir nichts überstürzen. Wir werden warten. Und warten. Und warten. Und in diesem Warten wächst in mir ein Gefühl, das Zweifel heißt. Zweifel, ob ich mein Leben verschwende.

tarsshaft
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Susi sonnenschein
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Re: Ich brauche Trost

Beitrag von Susi sonnenschein »

Hallo liebe tarsshaft.
Hallo Frank und MarliJo.

Liebe tarsshaft.

Habe gestern Deinen Thread gelesen.
Und ich bin dankbar, dass wir uns per PN schon ausgetauscht haben, denn Deine Zeilen berührten mich sehr.
Ich musste erst einmal darüber schlafen.
Sehr viel erkenne ich auch bei mir.

Trauer, Selbstzweifel, Gefühl der Einsamkeit, Gefühl der Machtlosigkeit, Ungeduld…

Das sind für mich die schlechten Gefühle und Gedanken, weil sie wehtun, aber ich weiß jetzt, dass sie dazu gehören.

Doch lebe ich jetzt wieder die guten Gefühle, suche nach positiven Gedanken, die Kraft und Zuversicht spenden.

Ich war immer ein optimistischer Mensch, bis zu meiner Ehe.
Jetzt, seit der Trennung, finde ich immer mehr zu mir und es tut gut.


Du beschreibst Dich:

>Ich: Charakter
- impulsiv, ein "Macher", viel reden, viel erklären, viel beschreiben (das und das habe ich vor und dann mach ich es sofort), emotional, aufbrausend, immer Fragen stellend, kritisch, wer mich eine Sekunde sieht, weiß sofort, wie ich drauf bin, ich bemühe mich überhaupt nicht, eventuell schlechte Laune zu verstecken, mein Standardspruch: Man muss es wenigstens versuchen.<


Es ist, als würdest Du mich beschreiben.
Das habe ich alles von meinem jetzigen Partner übersetzt bekommen.
Es hat gedauert, bis ich begriff, dass es so ist, dass ich so bin, doch so wollte ich nicht sein.
Aber er erklärte mir, dass er mich gerade darum liebt.

Und es ist schön zu lesen, dass es auch andere Menschen gibt, die diese Kombination der Charakter-Eigenschaften hat.
Und ich spüre, wie mein Herz vor Freude hüpft.
Weil ich jetzt durch Deine Zeilen eine Bestätigung habe, dass ich deshalb nicht schlecht bin.


Du beschreibst Deinen Freund:

>Mein Freund: Charakter
- ruhig, ruhig, ruhig, redet wenig, "Beobachter", umwerfender Humor, regt sich weniger (lautstark) auf als ich, redet erst dann über eine Sache, wenn er sie schon erledigt hat, zeigt (außer bei mir) seine Gefühle eher "sparsam" - dass er sie überhaupt zeigt, macht er nur bei mir, sagt er, er ist ein Zauderer, Zögerer, glaubt meistens, etwas nicht gut genug zu können, sein Standardspruch: Das kann ich nicht<


Genau diese Partner hatte ich auch immer.
Jetzt habe ich auch einen Partner mit den Charaktereigenschaften, doch hinzukommt, dass ich mit ihm über meine Gefühle und Gedanken reden kann und er mich versteht oder versucht, mich zu verstehen.
Ich wurde nie verstanden und gab irgendwann auf, mit dem Satz: „Du verstehst mich nicht“
Er ermutigte mich, es noch einmal zu versuchen und er übersetzte es mir.
Ich fand nie die richtigen Worte, um mich auszudrücken.
Durch ihn bekam ich wieder Mut zur Eigeninitiative.
Und ich bin dankbar, dass er so ruhig und ausgeglichen ist.

Warum ich Dir Das schreibe, ist, weil ich Dir sagen möchte, dass ich denke, dass es nicht damit zu tun hat, dass Dein Freund Italiener ist.
Ich denke nicht, dass es durch die italienische Kultur bedingt ist.
Meine 1. große Liebe war so, mein Mann war so und mein jetziger Partner ist so.
Und alle sind Deutsche.

Durch meine Ungeduld und nicht richtig Reden, habe ich vieles kaputt gemacht.
Ich habe immer gedacht, dass ich alles sofort anspreche, wenn mir was stinkt.
Nein, ich habe zu oft lange im Stillen ertragen, erduldet, bis die Bombe platzte.
Ich habe gefordert, wenn ich es nicht mehr ertragen habe, wie es ist.
Doch dann waren die anderen überfordert und blockierten.

Du schreibst:
>Hmm. Was ist denn jetzt richtig? Brauche mal ein paar Meinungen, bitte! Danke.<


Ich kann Dir von meinen Erfahrungen und Erkenntnissen schreiben.


Jetzt durch die Kur, durch meinen Partner, durch Eure Zeilen habe ich erkannt, was immer damit gemeint war. >AUSHALTEN< (Geduld, Eigenverantwortung )

Ich bin verantwortlich, wie es mir geht.
Bin ich mit einer Situation unzufrieden, muss ich Verantwortung dafür übernehmen, damit es mir besser geht.


Und ich denke, Du bist zu sehr fixiert darauf, dass Dein Freund Italiener ist.
Ich denke, damit hat es nichts zu tun.

Ich bin auch Deutsche.
Mein Partner sagt immer zu mir, wenn ich mich zeige, so wie ich bin:
„Du bist wie eine Lolita.“
„Ich liebe Dein Temperament.“
„Du hast Feuer im Blut.“

All das hasste ich an mir.
Durch ihn lerne ich, es zu akzeptieren.

Durch meine Erfahrungen habe ich erkannt.

Jeder Mensch ist, wie er ist.
Man kann ihn nicht ändern, man kann nichts verlangen.
Man darf sich wünschen und dankbar sein, wenn es sich erfüllt.
Und man selbst muss entscheiden, ob man mit dem Menschen, mit dem man sich verbunden fühlt, leben will, gemeinsam auch die Tiefen mit ihm ertragen kann und will.

Ich sehe es immer als Prüfungen.
Ich denke, es ist eine Prüfung für Euch.
Er hat versucht, in Deutschland Fuß zu fassen, es klappte nicht.

Denk an die Zeilen, die ich Dir schrieb:
„Geh Deinen Weg…
Du stehst jetzt an der Kreuzung.
Überstürze nicht, halte aus, wäge ab.
Vor- und Nachteile.
Was kann Dir im schlimmsten Fall passieren, wenn Du nach rechts gehst, was wenn Du nach links gehst.
Es wird die Zeit kommen, wo Du Dich entscheidest.
Am wichtigsten ist, dass es Dir dabei gut geht, dass habe ich für mich gelernt.
Wird man gezwungen, zu entscheiden, passiert es, dass man sich unglücklich fühlt.
Man hält manchmal an Sachen fest, weil man sie so will.

Für mich habe ich seit meiner Aufarbeitung diese Erkenntnisse, wonach ich versuche zu leben, um mich nicht von meinen Ängsten und Selbstzweifeln blockieren zu lassen:
Ich habe es mir aufgeschrieben und an meine Wand gepinnt.

Jetzt schreibe ich es für Dich ab, in der Hoffnung, Du kannst etwas für Dich nutzen.

Eine Lösung kannst Du Dir nur selbst geben liebe tarsshaft, aber ich lasse Dich gern an meinen Erfahrungen und Erkenntnissen teilhaben.

Du musst entscheiden, was für Dich brauchbar ist.
Lass Dir Zeit, denn es ist Dein Leben.

Ok, hier sind meine Zeilen, durch meinen Leidensdruck, den ich nicht mehr haben wollte.


Suche Dein Glück nicht in dem anderen.
Denn wenn er nicht Deinen Wünschen und Vorstellungen entspricht, wirst Du enttäuscht.
Übernimm Verantwortung für Dein Glück.
Mach, was für Dich und sei genügsam.
Genieße Deine Zeit und gehe langsam Schritt für Schritt auf etwas Neues oder Altbewährtes zu.
Du hast es in der Hand, Du musst Dich nur entscheiden.
Was ist Dir wichtig, was Du Dir JETZT erfüllen kannst?!

Erinnere Dich an die schönen Dinge, die Du erlebst.
Denke daran, dass es nicht immer schön sein kann.
Du hast Rechte,
Du hast Pflichten.
Halte von beiden die Waage immer im Auge, so kannst Du sie auspendeln.
Und machst immer das Beste daraus.
So ist das Leben.
Genieße es mit seinen ganzen Fassetten.
Mit seinen Höhen und Tiefen
Das ist das Leben.
Das Leben ist bunt, wenn man es positiv sieht.


Ja, es hört sich vielleicht wieder so unwirklich für Euch an, aber so sehe und spüre ich es.

Ich bin voller Lebensmut und habe begriffen, dass die Tiefen dazu gehören, denn nur so wachse ich weiter.
Lange hatte ich stagniert, aber seitdem ich bei Euch hier bin, geht es weiter, werde ich immer mehr zuversichtlich, weil ich so viel Ballast abwerfe und begreife, warum, wieso, weshalb…

Du schreibst:

>Also ging er zurück in sein Land. Ich wollte sobald wie möglich nachkommen. Wir wissen beide: So, wie es in Deutschland war, darf es nicht mehr sein. Denn das wäre das Ende unserer Beziehung. Seit vier Monaten ist er also wieder in Italien. Ich bin in Deutschland. Das hatten wir schon mal. Sicher, dieses Mal werden wir nichts überstürzen. Wir werden warten. Und warten. Und warten. Und in diesem Warten wächst in mir ein Gefühl, das Zweifel heißt. Zweifel, ob ich mein Leben verschwende.<


Du verschwendest keine Zeit, bist nur ein „bisschen“ ungeduldig.

Lass Dir die Zeit, die es benötigt, um für Dich die richtige Entscheidung zu treffen.
Oft will man alles, aber genau das funktioniert nicht.

Was ist Dir das Wichtigste und wie kannst DU es DIR erfüllen?
Welche Hilfsmittel brauchst Du usw.
DU SCHAFFST DAS, FÜR DICH DIE LÖSUNG ZU FINDEN, DIE DIR GUT TUT.

GLAUBE AN DICH.


(Mein Herz hat wieder gesprochen .Ich hoffe, es überfordert Dich nicht.)


Ganz liebe Grüße
Susi Sonnenschein
tarsshaft
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Re: Ich brauche Trost

Beitrag von tarsshaft »

Liebe Susi! :umarmen:

Ich danke dir für deine Zeilen. Die muss ich ein bisschen sacken lassen. Im Moment bin ich sehr unschlüssig. Weiß nicht, was ich tun soll. In weniger als einer Woche sehe ich ihn wieder. Ich kann mich im Moment nicht darauf freuen, weil in mir der Gedanke sitzt, dass dieser Urlaub der Anfang vom Ende sein könnte.

Liebe Grüße, deine tarsshaft
Das Heute leben, das Kommende erwarten, das Vergangene nutzen.
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