von Gerda » 9. März 2009 11:00
Liebe Tami und alle,
ich finde das sehr schön und sehr wichtig, was du zum Trauern schreibst. Verena Kast hat in ihrem Werk über Trauern geschrieben, wir brauchen eine "abschiedliche GEsellschaft". Eben eine Kultur, die Trauern mit einbezieht in das gesamte Leben, nicht nur als "krankhaftes Übel", das man hinter sich bringen muß, wenn jemand gestorben ist, so wie Fieber bei einer Grippe. Trauer als Grundemotion muß erlernt werden und eingeübt werden, auszudrücken. Eine Fähigkeit zu trauern muß eingeübt werden. Sonst sind keine Abschiede möglich. Trauer ist das Geschenk der Evolution an uns, damit wir all die Abschiede, die das leben täglich bietet, zu vollziehen.
Trauer wird so oft mit Depression verwechselt, dem Zustand von Schwere und Verzweiflung. Sogar in psychologischen TEsts wird Trauer damit gleichgesetzt, obwohl es etwas vollkommen unterschiedliches ist. Depression ist in fast allen Fällen die lebensverhindernde Folge von nicht ausgedrückter Trauer. Wer depressiv ist, leidet an Unlebendigkeit. Wer trauert, ist sehr lebendig. Ihc habe mal einen Film gesehen über die Klagefrauen von Mani in Griechenland. Sie gehen in den Abschiedsschmerz ganz tief rein. Sie tun das aber nur in einer gorßne Gruppe, inder ganzen Dorfgemeinschaft. Diese Gruppe hält die Trauernden, während sie in den Trauerschmerz hineingehen. Sie brechen manchmal zusammen vor lauter Schmerz, aber sie werden gehalten. Dabei komponieren und texten sie den Trauergesang aus dem STegreif. Sie singen so etwas, wie "ach du mein Goldschatz, mein Herz, du hast mich verlassen. Es tut so weh. Es ist so grausam, die Leere in meinem Herzen zu fühlen. Du warst so ein gutes Kind, so hübsch, so zart......" Das geht bis zu 1,5 oder 2 Stunden, ohne abzusetzen, bis alles ausgedrückt ist und nichts mehr da ist. Dann kommt der/die nächste Angehörige. Das ist eine ritualisierte Form, Trauer auszudrücken, die vollkommen lebendig und befreiend ist.
Das Gegenteil ist es bei uns. So wie du schreibst. Es gibt bei uns eine völlige Unkenntnis darüber, was Trauernde brauchen und die Menschen, die nicht betroffen sind, haben sehr große Angst, darüber zu sprechen, die Trauernden anzusprechen. Sie haben Angst vor diesen Gefühlen. Sie haben Angst davor, Gefühle anzurühren und dann nicht wissen, wie damit umzugehen.
Ich habe einen Freund, dessen Sohn ist mit 16 durch Schnüffeln an Feuerzeuggas gestorben, ein schrecklicher Unfall, denn normalerweise passiert das gar nicht. Der Freund und seine Frau haben unendlich getrauert und sind fast selbst gestorben vor Schmerzen, kann man sich ja vorstellen. Nach einem Jahr erzählte er mir, dass es für ihn und seine Frau am schlimmsten ist, dass die gesamte Verwandtschaft so tut, als hätte es das nicht gegeben. Bei Familienfeiern würde über alle gesprochen, aber nicht über ihr gestorbenes Kind. Damit würde er ein zweites Mal sterben.
Wenn ich meine Scheidung ansehe, dann fühle ich das da ähnlich. Mein Exmann hat in den 17 Jahren seit der Trennung vielleicht 5 mal mit mir gesprochen! das war zu einer Zeit, als meine Tochter bei ihm gelebt hatte und suizidal war. Er fühlte sich heillos davon überfordert und hat dannn ein paar mal mit mir gesprochen. Das wars. Wir haben drei Kinder und 7 Enkelkinder zusammen!
Für mich ist es total schwer, dass wir nie diese gemeinsamen erinnerungen besprechen oder mal sagen, "sieh mal der xEnkel, der sieht so aus wie ySohn´, als er in den Kindergarten kam. " Das ist für mich so traurig. Und es ist für mich sehr traurig gewesen, dass es nie Raum zum Trauern gegeben hat , sondern dass mein Exmann einen Gerichtsprozess nach dem anderen gegen mich geführt hat. Gekämpft, gnadenlos. Ich glaube heute, dass er damit seine Trauer niedergekämpft hat. Es ist für mich schrecklcih gewesen, dass wir nie gemeinsam getrauert haben darüber. Meine Tochter sagte mal, als sie 12 war, "Papa geht es viel schlechter, als dir, weil der kann nicht weinen". Wie klug von ihr!
Weil mir Trauer und der Raum für Trauern so wichtig ist, ist mir hier im Forum auch ein Tonfall wichtig, der Schutz gibt für diese Gefühle. Ich habe immer große Sorge, dass Trauer abgewehrt wird durch schwierigen Tonfall und mir kommt es so wertvoll vor, wenn feinfühlig geschrieben wird. Denn in den Trauergefühlen sind wir alle sehr verletzlich. Das gehört jetzt nicht mehr so zum Thema sondern mehr in den Thread mit den Wünschen und Erwartungen ans Forum, kam mir aber dann doch in den Sinn, als ich gerade schrieb.
Liebe Grüße
Gerda
"Unser wahres Zuhause ist der gegenwärtige Augenblick. Wenn wir wirklich im gegenwärtigen Augenblick leben, verschwinden unsere Sorgen und Nöte, und wir entdecken das Leben mit all seinen Wundern.“
Sei selbst die Veränderung, die du dir wünschst.