Wehleidig, beleidigt und Co.

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FairyQueene

Wehleidig, beleidigt und Co.

Beitrag von FairyQueene »

Hi,

das hat nichts mit der Trennungsgeschichte zu tun, aber ich habe ein Problem mit meinem Sohn: Er ist sehr leicht beleidigt und auch extrem wehleidig. D. h., wenn er sich irgendwo ein bißchen stößt, stimmt er ein Geschrei an, als würde er ermordet. (Und er ist schon 11, nicht mehr 3). Besser ist es, wenn andere dabei sind (Fußball oder so), da heult er nicht so schnell – allerdings ist er da gern beleidigt, weil er sich immer furchtbar schnell übergangen oder schlecht behandelt fühlt.

Ich würde ihm gern vermitteln, daß es ihm auch selbst besser ginge, wenn er hier und da mal etwas von sich absehen könnte. Das ist mir aber bisher nicht gelungen, manchmal habe ich geradezu das Gefühl, daß er regelrecht nach Anlässen sucht, um sich zurückgesetzt zu fühlen.

Vor allem platzt mir in solchen Situationen leider immer sehr schnell der Kragen. Ich kenne dieses ganze Verhaltensmuster aus meiner Familie, habe es nie leiden können, in mir selbst nach Möglichkeit bekämpft und anscheinend trotzdem weitergegeben. :rolleyes: (Es hat sogar ziemlich lange gedauert, bis ich begriffen hatte, daß man sich zur Welt auch noch anders verhalten kann als als Leberwurst. Wurde mir halt so vorgelebt.)

Ich beiße manchmal die Zähne zusammen und versuche, meinen Sohn auch bei Nichtigkeiten liebevoll zu trösten, was mir ehrlich gesagt leichter fiele, wenn er nicht immer gleich so ein Faß aufmachen täte. Ich habe aber mal gelesen, daß man damit Wehleidigkeit noch unterstützt. Und die ganzen eingebildeten Beleidigtheiten kann ich sowieso beim besten Willen nicht unterstützen.

Hat jemand von den vielen kompetenten Eltern in der Runde einen Tip, wie man damit gut umgehen kann? D. h., ohne daß wir miteinander in Streit geraten? (Und ehe jemand fragt: er kriegt auch ohne das genug Aufmerksamkeit.)

Für Antworten dankbar grüßt
FairyQueene
sonnenschein2
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Re: Wehleidig, beleidigt und Co.

Beitrag von sonnenschein2 »

Hej Fairy,

hui das ist bestimmt nicht immer einfach, denn du mußt ja entscheiden, ist es eine dolle Verletzung oder eben nicht.
Ich habe mir zum Punkto Fußball angewöhnt mich nicht mehr zu kümmern. Während des Trainings oder Spieles ist meine Tochter das Kind vom Coach. Ich bin immer anwesend, laufe aber nicht mehr bei jeder Verletzung hin. Erst wenn ich gerufen werde oder mir gewunken wird. Seitdem ist es besser. Ich halte mich auch beim Verhalten meiner Tochter zurück, denn im Verein kann auch das der Trainer regeln.
Ansonsten versuche dahinter zu kommen was los ist. Wenn es nicht an mangelnder Aufmerksamkeit liegt, woran kann es noch liegen? Bekommt er beim Fußball die nötige Anerkennung? Oder wird er nur als beleidigte Leberwurst gesehen? Manchmal hilft es ihm Aufgaben zu geben, im Verein ...z.B. das Trainingsmaterial tragen usw...So kann er sich anders definieren.

kannst du damit etwas anfangen?
Viele grüße
Sonnenschein2
FairyQueene

Re: Wehleidig, beleidigt und Co.

Beitrag von FairyQueene »

Hi Sonnenschein,

danke, daß Du Dir Gedanken gemacht hast.

Beim Fußball ist mein Sohn eigentlich akzeptiert, allerdings flucht und heult er manchmal ganz schön herum (er ist Torwart und muß die Fehler der anderen ausbaden. Seine eigenen Fehler beheult er auch). Die anderen wissen natürlich auch längst, daß er leicht beleidigt ist und nehmen je nach Temperament Rücksicht darauf oder ärgern ihn noch extra. Beim Tennis hat er mich neulich gefragt, ob er ein Spiel wegen Beleidigung abbrechen kann :rolleyes:

Was ich aus deiner Post allerdings mitnehmen kann, ist, daß ich beim Fußball nicht zuständig bin. Und vielleicht auch sonst manchmal nicht. Bleiben die Gelegenheiten, wo sich das Verhalten ausgesprochen an mich richtet. Und da bin ich immer noch ratlos ... vielleicht sollte ich einfach versuchen, gelassener zu bleiben? Wenn ich ihn schon nicht ändern kann, dann vielleicht meine Einstellung dazu. Ist ja eh ein alter Trick ,)

Einen schönen Abend wünscht
Fairy
MarliJo

Re: Wehleidig, beleidigt und Co.

Beitrag von MarliJo »

Hi Fairy !

Wenn ich es so richtig herauslese, dann ist es bei dir wohl in der momentanen Situation so, dass es eine Gratwanderung ist, ob dein Sohn in seinem Weh-Leid Beachtung "verdient" oder es besser ist, in bestimmten Situationen seinem Befinden eher diese Beachtung zu verwehren (ich bin ja im Moment auch in einer Situation, in der ich mich frage, was ist angemessen?).

Was könnte dein Sohn denn mit seiner Wehleidigkeit und dem übertriebenen Beleidigtsein ausdrücken wollen ? Wenn du darauf eine Antwort weisst, ergibt sich vieleicht eine Antwort, wie du damit am besten umgehen könntest.
Oftmals steckt hinter dem Beleidigtsein, Schmollen usw. ja ein ganz normaler (kindlicher )Protest, nach dem Motto, >dass passt mir hier aber gerade nicht, ich will das so nicht !<.
Ich habe im ersten Moment zwar echt herzlich gelacht, als ich von der Frage deines Sohnes las, ob er ein Spiel wegen Beleidigung abbrechen darf (ich hab mir das mal bildlich vorgestellt :D ).
Doch beim zweiten betrachten denke ich,... da hast du doch einen sehr sensiblen Sohn. Er FÜHLT sich beleidigt und er sucht nach einem Weg, da eine Grenze zu ziehen.
Du hast ihm vermutlich erklärt, >nein, man kann deshalb kein Spiel abbrechen< und damit hat er gelernt, das er sich eienen anderen Weg suchen muß - vielleicht gibt er dem "Beleidiger" nächstes Mal zu verstehen >so nicht mit mir!<

Ich denke, du musst ihm nicht in allem hinterherlaufen, alles beäugen. Lass ihn wo es geht seine eigenen Erfahrungen machen, wie es ankommt in seinem Umfeld, wenn er sich so oder so verhält.
Wo wirklich Wehleidigkeit und Co fehl am Platze sind, nimm ihn vielleicht einen Moment an die Seite und sag ruhig zu ihm >sieh mich mal an,...meinst du kommst mit deiner Reaktion weiter? Das lässt ihm Spielraum, zu überlegen und eine eigene Antwort darauf zu finden.

Das wären so meine Ideen.

Viele liebe Grüße
MarliJo
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Ansa
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Re: Wehleidig, beleidigt und Co.

Beitrag von Ansa »

Guten Morgen,

hmh, wenn ich mir das mal anders herum überlege.... ich bin immer gleich sehr wehleidig oder beleidigt, und dann schaue, was da passiert? Ich bekomme Aufmerksamkeit und Trost, die anderen kümmern sich um mich, tanzen um mich herum. Klar, da sind auch einige bei, die ärgern mich extra, das ist gemein, aber ich bekomme dadurch noch mehr Aufmerksamkeit, denn DAS merken ja die anderen auch?

Wenn Kinder in solche auffälligen Verhaltensmuster fallen und auf eine unbotmässige Art Aufmerksamkeit einfordern, dann dürfen wir uns immer fragen, "was bringt meinem Kind ein solches Verhalten?" "Was hat es davon?" "Was erreicht es damit?" Und was wäre, wenn es das nicht mehr tun würde? Und aus diesen Atworten können wir Umgehensweisen für uns finden.Und dann, in jedem Fall, das Kind ernst nehmen. Sehr ernst.

Unsere eigene Reaktion bestimmt das sehr viel drüber, wie können das spiegeln. Uns stoßen und zu Boden fallen und Zeter und Mordio weinen..... wenn man mutig genug ist, ruhig auch in der Öffentlichkeit. Und dann kann man auch über Peinlichkeiten miteinander reden...... man kann das nicht mehr beachten, sondern tröstend sagen "wird schon wieder" und sich abwenden. Die Dinge zur Normalität werden lassen.

Oder das Gegenteil tun, das Kind völlig überbemuttern..... "Du hast Dich gestoßen? Och, komm, leg Dich hin, ich hol Dir ein Eis. Nein, nicht spielen gehen, Dir geht es nicht gut, morgen kannst Du wieder spielen gehen....." Das ist so ähnlich wenn meine Tochter mit Bauchweh kommt und nicht in die Schule mag, dann wird sie behandelt als wäre sie schwer krank. Bauchweh - bedeutet Kamillentee, Zwieback, Liegeruhe..... Da kann das Bauchweh ruhig weg sein, geschont wird sich diesen Tag trotzdem. Und zum Abendessen gibt es was Besonders gutes, für die Anderen natürlich nur. Das hat mein Mittelchen zwei Mal ausprobiert und seitdem hat sie nur noch Bauchweh, wenn sie wirklich was hat.

Wir haben gestern in unserm Erziehungskreis über ein Geschwisterpaar gesprochen, 10 und 13, bei denen der 10jährige entsetzlich neidisch ist und immer nur sieht, was seine Schwester darf und kann. Diese mag schon gar nicht mehr erzählen, wenn sie etwas Schönes erlebt hat, weil ihr Bruder dann jammert und mault und sich beklagt. "Das Unerwartete tun" sagte meine Christiane und meinte damit, ihn ernst nehmen, und wenn seine Schwester in ihrem Zimmer sitzt und Vokabeln paukt, dann dürfe er eben nicht schwimmen gehen. Er würde ja eh ungerecht behandelt und dann könnte die Mama das ja wirklich mal tun. "Du, Deine Schwester ist heute nicht verabredet, Du musst auch zu Hause bleiben." Ich bin gespannt, was passiert..... Ich wette, ihm wird schlagartig klar werden, wie schön er es daheim doch hat und was er alles bekommt.

Solange wir den Kindern nachgeben glauben diese oft, das an ihren unberechtigten Forderungen etwas dran sein könnte und verstärken ihr Verhalten. Trösten bewirkt viel zu oft das Gegenteil. Meine Dozentin beobachtete zwei kleine Jungs, einer fiel aufs Knie, weinte und lief zu seiner Mama. Die ihm daraufhin einen dicken Lollo gab. Damit ging er, nicht mehr weinend, zu seinem Freund. Der hatte sich das ganze angesehen, ließ sich fallen und lief zu seiner Mama, die gab ihm keinen Lolli, sondern sagte nur "ach schau mal, nicht so schlimm", er grübelte eine Weile, fiel dann noch mal hin und rannte zur Mama seines Freundes, laut weinend. Ratet mal was er da bekam? Genau, einen Lolli....... Kinder sind klug, oft wissen sie ganz genau, was sie durch ihr Tun erreichen können.

Liebe Grüße
Ansa
Sei zärtlich mit den Kindern, mitfühlend mit den Alten, nimm Anteil an denen, die sich anstrengen, sei sanftmütig mit den Schwachen und geduldig mit den Starken; denn eines Tages wirst Du dies alles gewesen sein. (nach C.W. Carver)
FairyQueene

Re: Wehleidig, beleidigt und Co.

Beitrag von FairyQueene »

Ihr Lieben,

vielen Dank für die Antworten. Das hat doch auch bei mir noch ein paar Gedanken zum Thema herausgefordert.

@ MarliJo:
Ich glaube, die verstärkten Beleidigtheiten im Umgang mit mir und meinem Freund haben auch damit zu tun, daß die Rollen noch nicht so richtig verteilt sind. Mein Sohn ist da sehr eifersüchtig, und ich finde es nicht immer leicht, deutlich zu machen, daß er auf den Platz des Kindes gehört, ohne daß er versteht, er sei jetzt nur noch Nummer 2. - Beleidigtheit bei Freunden ist noch was anderes, aber vielleicht auch etwas, was die unter sich regeln müssen.

Wehleidigkeit: Das ist anscheinend auch situativ sehr unterschiedlich. Derselbe Bauchklatscher kann einmal den Weltenbrand auslösen (weil Sohni Köpfer lernen wollte und es nicht gepackt hat) und ein anderes Mal von ihm selbst mit "ach nö, war gar nicht so schlimm" abgetan werden, wenn er sich gerade keine Blöße geben will oder was anderes interessant findet.

@ Ansa:
Ich glaube, ich könnte es eher mit der Variante "wird schon wieder" versuchen. Mich auf den Boden werfen ... ich weiß nicht. Außerdem würde mein Sohn, der mich ja kennt, durchschauen, daß es pädagogisches Handeln ist und wäre wahrscheinlich beleidigt :rolleyes:
Manchmal macht das Leben ja auch selbst solche Sachen. Da hat er sich neulich beim Fußball wegen eines Sturzes dramatisch auswechseln lassen und mußte dann mit ansehen, wie an seiner Stelle eine Pfeife in seinem heißgeliebten Tor stand. Und ich habe ihn nicht wieder reingelassen, weil er sich ja an der Schulter verletzt hatte (und mußte mal kurz an dich denken, Ansa ,) ). Das wird er sich dann beim nächsten Mal auch zweimal überlegen. Aber wie gesagt, beim Fußball ist Wehleidigkeit eher selten.

Liebe Grüße
Fairy
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